Zwischen Community und KI

Jedes siebte Unternehmen in Hamburg zählt zur Kreativwirtschaft. Deren elf Teilmärkte treiben Innovationen voran, stehen jedoch vor etlichen Herausforderungen.
Das Pop-Musical „& JULIA“ läuft noch bis zum 1. Februar 2026 im Operettenhaus am Spielbudenplatz und ist eine Produktion der Stage Entertainment.
Johan Persson
Das Pop-Musical „& JULIA“ läuft noch bis zum 1. Februar 2026 im Operettenhaus am Spielbudenplatz und ist eine Produktion der Stage Entertainment.
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Von Birgit Reuther, 26. September 2025 (HW 5/2025)

Anfang März wurde Kampnagel zur großen Diskussionsbühne: Rund 1100 Fachleute trafen sich hier zwei Tage lang zum zweiten „German Creative Economy Summit“, um sich über Zukunftsfragen der Kreativbranche auszutauschen. „Der Summit macht sichtbar, welchen Stellenwert die Kreativwirtschaft in Deutschland und Hamburg hat: als Gestalterin gesellschaftlicher Transformation, als Innovationsmotor für andere Wirtschaftsbereiche und als wesentlicher Bestandteil urbaner Lebensqualität“, erklärt Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft, die die Konferenz ins Leben gerufen hat.

Die Discounter Drehstartfoto Staffel 4 ©Dennis Dirksen
Dennis Dirksen/Agentur filmcontact
Foto vom Drehstart der vierten Staffel der Serie „Die Discounter“. Idee und Drehbuch stammen von Bruno Alexander sowie den Zwillingsbrüdern Oskar und Emil Belton, die von der MOIN Filmförderung unterstützt wurden.

Wie wichtig Kultur und Medien für die Hansestadt sind, zeigt bereits die Steigerung des Budgets der GmbH – Deutschlands größter städtischer Kreativwirtschaftsförderung, die in diesem Jahr 15. Jubiläum feiert. Von anfangs gut 600 000 Euro erhöhte es sich auf rund 9,64 Millionen Euro im Jahr 2024.

Laut Kreativ Gesellschaft wuchs die Branche in Hamburg von 2010 bis 2023 um 27 Prozent. Jedes siebte Unternehmen der Hansestadt zählt heute zur Kreativwirtschaft, und die rund 31 000 Betriebe ihrer elf Teilmärkte erwirtschafteten 2023 zusammen fast zwölf Milliarden Euro.

Hinzu kamen in manchen Bereichen externe Umsätze. Beispiel Musicals: 2023 brachte das Publikum der Stage-Entertainment-Shows für Hamburg eine externe Wertschöpfung von 1,082 Milliarden Euro – Ausgaben der Gäste für Übernachtungen, Gastronomie, weitere Eintrittsgelder, An- und Abreise sowie Shopping aus Anlass eines Musicalbesuchs.

Vielfältige Branche

Der größte direkte Umsatz im Kreativbereich geht auf das Konto der Software- und Games-Branche. Als weitere Teilmärkte folgen Werbung, Presse, Designwirtschaft, Musik- und Filmwirtschaft, Buch- und Kunstmarkt, die darstellenden Künste, Architektur und Rundfunk. „Hamburg präsentiert sich als Stadt, die kreative Ökosysteme ernst nimmt, fördert und strategisch weiterentwickelt“, sagt Rühl. „Das immense Potenzial der Kreativwirtschaft ist noch nicht überall bekannt oder etabliert. Es braucht stärkere Übersetzungsleistungen zwischen den Arbeitslogiken der Kreativwirtschaft und den Denk- und Entscheidungsstrukturen von Politik, Verwaltung und klassischer Wirtschaft.“

Förderung In Hamburg gibt es zahlreiche Förderungsmöglichkeiten, Inkubatoren und Netzwerke für Kreative, viele davon initiiert von der Hamburg Kreativ Gesellschaft. Ein Finanzierungsfinder gibt einen Überblick über Kredite, Darlehen, Förderungen und Beteiligungen in allen Teilmärkten. Die „Beratung Selbstständigkeit“ hilft bei Gründungs- und Steuerfragen. Das Design Zentrum Hamburg bietet branchenspezifisch zugeschnittene Programme; das gilt auch für Hamburg Music, einer der größten Musikwirtschaftsverbände Europas. Er realisiert Markterkundungsreisen von Kolumbien bis Südafrika, fokussiert sich zudem auf Weiterbildung und Fachkräftegewinnung. 

Die Handelskammer hatte bereits 2018 „Forderungen der Medien- und Kreativbranchen an die Politik“ formuliert. Neben einer „stärkeren Unterstützung der Musik- und Clubszene bei regulatorischen Anliegen wie Lärmschutz, Brandschutz und Bürokratie“ gehörte dazu unter anderem „eine Anpassung der klassischen Filmförderung an die neuen Gegebenheiten in der digitalen Kommunikation“.

Tatsächlich hat die Stadt den Etat der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein in den Jahren 2025 und 2026 um jeweils fünf Millionen Euro auf rund 20 Millionen Euro pro Jahr erhöht. MOIN-Chef Helge Albers will mit dem Geld vor allem „Talente besser fördern und mehr Kinofilme mit Strahlkraft in den Norden holen“. So wird Hamburg als internationaler Film- und Serienstandort gestärkt und zugleich ein Beschäftigungsmotor auch für lokale Dienstleistende geschaffen.

Von MOIN unterstützt wurde etwa die kreative Keimzelle um den Amazon-Serienhit „Die Discounter“. Bruno Alexander sowie die Zwillingsbrüder Oskar und Emil Belton stehen für eine neue Art der Produktion, die aus dem Wohnzimmer heraus entwickelt wurde und stark auf Improvisation setzt. 2025 erhielt das Team einen Grimme-Preis für ihr Comedy-Format „Player of Ibiza“. Das Beispiel zeigt, wie in Hamburg kreativer Wagemut und kommerzieller Erfolg Hand in Hand gehen können.      

Denn neben großen Unternehmen wie Warner Music oder dem Musical-Giganten Stage Entertainment ist die Kultur- und Medienbranche in Hamburg maßgeblich geprägt von mittleren bis kleinen Firmen, die ihr Geschäft mit Know-how und Leidenschaft betreiben.

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Stefan Ziese/ImageBroker
Clubs wie hier in St. Pauli sind kreative Orte. Sie bilden die Basis für international strahlkräftige Events, zu denen auch das Reeperbahn Festival gehört, das jährlich bis zu 50 000 Musikfans und Fachleute in die Stadt holt.

Die Kreativ Gesellschaft bilanziert: Von den gut 100 000 Menschen, die in Hamburg in der Kreativwirtschaft arbeiten, sind rund 30 Prozent selbstständig tätig, wovon zwei Drittel unter 22 000 Euro im Jahr verdienen. In Bezug auf die Umsätze sei der Games-Markt als einzig wirklicher Gewinner aus der Pandemie hervorgegangen.

Große Herausforderungen

Wie in vielen Branchen ist die digitale Transformation auch in der Kreativwirtschaft zugleich Chance und Herausforderung. In der Musikindustrie etwa erweitern die Streamingdienste zwar potenziell die Reichweite. „Allerdings haben wir da mit einem Vermarktungsweg zu kämpfen, der von wenigen Playern beherrscht wird. Und das bei einem nicht nachvollziehbaren Vergütungssystem“, erklärt Gunther Buskies, Inhaber der Hamburger Plattenfirma „Tapete Records“. Ein Ausweg sei, verstärkt auf Tonträger als eine Art Luxusgut zu setzen.

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Simon Hegenberg/Tapete Records
Gunther Buskies, Inhaber der Hamburger Plattenfirma „Tapete Records“

Das Livemusik-Geschäft kann zwar als Ausgleich für einbrechende Musikverkäufe dienen. Clubs und Festivals ringen aber nach der Corona-Pandemie mit Kostenexplosionen. „Ein Drittel der Spielstätten sieht sich in ihrer Existenz bedroht“, erklärt das Clubkombinat Hamburg auf Basis eines Monitorings im März 2025. „Die Preissteigerungen bei Mieten, Lieferanten, Produktionsgewerken, Agenturen und anderen sind für unsere Mitgliedschaft weiterhin spürbar“, erläutert die Vorsitzende Anna Lafrentz. Dabei bieten kreative Orte wie die Clubs die Basis für international strahlkräftige Events wie das Reeperbahn Festival, das jährlich bis zu 50 000 Musikfans und Fachleute in die Stadt holt. 

Firmen wie das Label „Tapete Records“, das bis zu 60 Alben pro Jahr veröffentlicht, haben zudem eine neue Konkurrenz: Wie in den Bereichen Design und Illustration, aber auch Synchronisation und Textarbeit werden Inhalte in der Musik zunehmend von Künstlicher Intelligenz produziert. „Es geht um Fragen des Urheberrechtes und die Wertschätzung des kreativen Prozesses, letztlich auch um Aufwand und Ertrag“, erklärt Gunther Buskies.

Auf der Suche nach neuen Modellen

Reale Erlebnisse und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbare Angebote sind als Ausgleich zur digitalen Welt ein zunehmend attraktives Geschäftsmodell. Die Buchbranche etwa setzt verstärkt auf den Aufbau von Communitys, besonders im boomenden Segment „New Adult“. Die Romane für und über junge Erwachsene werden im Buchhandel so stark nachgefragt, dass alle großen Hamburger Verlage Rowohlt, Oetinger und Carlsen sogenannte Imprints für das Genre gegründet haben.

Die Fangemeinden, die sich in den sozialen Medien bilden, lassen sich dabei auch offline aktivieren, wie sich bei der Premiere des Carlsen-Imprints COVE zeigte. Die 400 Karten für das Festival in Hamburg mit Signierstunden, Workshops und Panels waren innerhalb weniger Stunden vergriffen. „Die COVElit hat gezeigt, dass wir mit unserem Community-Ansatz goldrichtig liegen“, erklärt Ute Nöth, Leiterin „Veranstaltungen“ des Carlsen Verlages. „Die Begeisterung der Fans, die ausverkauften Tickets und die tolle Merchandise-Nachfrage motivieren uns enorm für die Zukunft.“ Denn letztlich lebt Kultur wie auch die Wirtschaft von den Menschen, von Begegnungen und Austausch.

Social Media Gut 65 Millionen Menschen in Deutschland nutzen Social-Media-Plattformen. Laut Global Digital Report 2025 beträgt die durchschnittliche Nutzungszeit täglich eine Stunde und 41 Minuten. Dieser wichtige Markt ist auch in Hamburg präsent. Beim OMR Festival versammelten sich im Mai rund 70 000 Interessierte, um über Trends und Technologien zu diskutieren. In Hamburg wurden im Mai zudem erneut die „9:16 Awards“ verliehen, um Highlights der Creator Economy zu küren, flankiert von einem eigenen Summit. Ausgezeichnet wurde etwa der in Hamburg lebende Influencer Dejan Garz, der auf Instagram 1,2 Millionen Followern Haarpflegetipps gibt.


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