Die Jugend, das unbekannte Wesen: Seit jeher sind jüngere Menschen Älteren ein ebenso großes Rätsel wie umgekehrt. Während ein Mittdreißiger manchem 20-Jährigen schon uralt vorkommt, finden etwas ältere Semester die Jugend oft so anstrengend, dass sie gern abschätzig von ihr reden. Auch wenn Begriffe wie „Halbstarke“, „Backfisch“ oder „junges Gemüse“ selbst den Nachkriegsjahrgängen, die von Jüngeren wiederum „Boomer“ genannt werden, inzwischen kaum mehr gegenwärtig sind. In dieses Dickicht gegenseitiger Fremdheit sollte ein alter Begriff vor 32 Jahren neue Ordnung bringen: Generation X.
Zerschlagene Hoffnungen
Der Begriff wurde Anfang der 1950er-Jahre erfunden. 1991 hat ihn Douglas Coupland in seinem gleichnamigen Roman auf die Jahrgänge 1965–80 angewendet. Nach jahrhundertelanger Gewissheit immerwährender Wohlstandsvermehrung gehe es, so die These des Autors, Kindern nun erstmals auch ohne Krieg schlechter als Vater und Mutter.
Der folgenden Generation Y, also den zwischen etwa 1980 und Ende der 1990er-Jahre geborenen „Millennials“, schien dank der mit dem Mauerfall verbundenen Hoffnungen zwar zwischenzeitlich ein friedlicheres Dasein zu blühen. Doch die Hoffnungen haben sich inzwischen zerschlagen – und gerade für die aktuell Jüngsten am Arbeitsmarkt, die Generation Z (oder Gen Z), haben sich die Aussichten im Zuge der zahlreichen Krisen erheblich verdüstert.
Im „Deloitte Millennial Survey“ von 2019 meinten gerade einmal 14 Prozent der befragten Jugendlichen der Gen Z in Deutschland, die wirtschaftliche Situation werde sich hierzulande nennenswert verbessern. Sozialpolitisch stimmten die Aussichten gar nur halb so viele der Befragten optimistisch. Wohlgemerkt: Das war noch vor Corona, Krieg und Inflation. Auch deshalb ist die Gen Z womöglich pessimistischer als vorherige.
Entspannt, agil und selbstbewusst
Viele 16-Jährige bis Mittzwanziger, meint Klaus Hurrelmann von der Berliner Hertie School of Governance auf Grundlage seiner Jugendstudien, sind zwar entspannt, agil und selbstbewusst, angesichts häufig „konfliktfreier, wohlbehüteter Elternhäuser“ allerdings auch etwas unselbstständig und hätten im Wirtschaftsboom der 2010er-Jahre auch „nie Demut gelernt – und gebraucht“.
Generationen
Folgende Begriffe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten eingebürgert – je nach Land und Quelle weichen die Daten teilweise voneinander ab:
Boomer oder Baby-Boomer Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen von Mitte der 1950er- bis Mitte der 1960er-Jahre
Generation X (Gen X) Die Jahrgänge von Mitte der 1960er-Jahre bis circa 1980
Gen Y oder Millennials Die Jahrgänge von etwa 1980 bis zu den späten 1990er-Jahren
Gen Z Die Jahrgänge von circa 1997/98 bis etwa 2010
Doch unabhängig davon, ob man dieser Einschätzung zustimmt, stellt sich die Frage, wie potenzielle Arbeitgeber den Nachwuchs von sich überzeugen können. Das erfordert zumindest Fingerspitzengefühl, meinen viele. Immerhin halten laut einer Umfrage der „WirtschaftsWoche“ zwei Drittel der wirtschaftlichen Entscheider die Gen Z für kritikunfähig. Ähnlich viele attestieren ihr überhöhtes Anspruchsdenken an Vorgesetzte oder die eigene Work-Life-Balance.
Soziologe Klaus Hurrelmann, Autor des Standardwerkes „Generation Z erfolgreich gewinnen, führen, binden“, meint daher: „Kleiden Führungskräfte ihre Rückmeldungen nicht spürbar in Wohlwollen und Feingefühl“, würden viele der zwölf Millionen Z-Mitglieder die Aussagen als Angriff verstehen.
Wer das junge Siebtel der insgesamt alternden Bevölkerung beruflich beschäftigt, steckt Hurrelmanns Forschungen zufolge also in einer Zwickmühle: Obwohl jungen Menschen angesichts der globalen Lage nachvollziehbar der Optimismus ausgehe, so der Soziologe, erwarte ihr Selbstbewusstsein unbefristete Anstellungen, zusätzliche Erfolgsprämien, flexible Arbeitszeiten inklusive Sabbaticals – und zwar alles möglichst hierarchie-, bindungs-, barrierefrei, aber mit Sinn, Spaß, Partizipation für Azubis, die im Gegensatz zu denen früherer Epochen ungern als Bittsteller aufträten.
Generation Technik
Solche Einschätzungen werden allerdings nicht von allen geteilt. So findet etwa Prof. Jannis Androutsopoulos, Sprachwissenschaftler an der Universität Hamburg, Begriffe wie Generation Z „generell problematisch“, da sie „Altersunterschiede hervorheben, aber soziale und politische, Bildungs- oder Herkunftsunterschiede herunterspielen“. Aus eigener Erfahrung und den Umfragen anderer schätzt der Hamburger Medienlinguist die mit „Z“ betitelte Generation insgesamt so ein, dass sie vor allem „mehr Geborgenheit, Karrierechancen, Sicherheit und gute Gehälter möchte als vorherige“. Da die Haltungen und Erwartungen von Ort zu Ort, Schule zu Schule, Familie zu Familie, ja selbst innerhalb gleicher Freundeskreise variieren, hat die Gen Z aus Sicht ihres langjährigen Beobachters, der sich selbst den Boomern zurechnet, jedoch nur eines wirklich gemeinsam: die Technik.
Laut Androutsopoulos ist die Generation in einer „digital vernetzten Welt mit eigenem kommunikativem Haushalt aufgewachsen“. Er spricht von „Polymedia-Welten“, in denen von Handy über Messenger bis hin zu Social Media verschiedene Kanäle miteinander in Verbindung treten und „tiefer als je zuvor auch in die private Kommunikation eindringen“.
Die Generation Z möchte mehr Geborgenheit, Karrierechancen, Sicherheit und gute Gehälter.
Jannis Androutsopoulos
Wenn bald zehn Millionen Mitglieder der geburtenstarken, ab 1953 geborenen Jahrgänge in den Ruhestand gehen, müssen Personalabteilungen allerdings nicht nur technikaffine Teenager überzeugen – sondern können auch auf Kreativität und Innovationspotenzial hoffen. Zumindest wenn man der McDonald’s-Ausbildungsstudie 2019 folgt, die den jungen Menschen trotz bürgerlicher Rückbesinnung mehrheitlich Spontaneität, Experimentierfreude und Unabhängigkeitsdrang attestiert, also einen gewissen Freigeist, auf den sich Unternehmen auch sprachlich einstellen sollten.
Abgesehen vom Alter unterscheidet sich die Gen Z nämlich gar nicht so sehr vom gemeinen Boomer. Sie kommuniziert nur völlig anders. Wobei „anders sprechen“ für Jannis Androutsopoulos nicht bedeutet, dass sich die Unternehmerseite „anbiedern“ sollte. Im Bewerbungsgespräch „Yo, Digger“ zu sagen, sei „cringe“. Für früher Geborene: ein bisschen peinlich.
Korrektur: Eine frühere Version dieses Textes enthielt ein Zitat von Mathias Keswani, Chef des Hamburger Online-Vermarkters Nerdindustries, das aus einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 2019 stammte. Nach eigenen Angaben wurde Keswani darin falsch zitiert. Wir haben die Passage entfernt.