
„Vertrauen entsteht durch Transparenz und Rechtssicherheit“, sagte Dr. Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg am Montagabend auf dem Panel zum Thema „Utilizing Arbitration to Support Business Sustainability and Legal Certainty“ in der Kammer.

Die Diskussionsrunde war Teil der Hamburg Sustainability Conference (HSC), bei der die Kammer zum zweiten Mal Mitgastgeberin war. 1600 hochrangige Delegierte aus 110 Ländern suchten nach konkreten Lösungen für die drängendsten globalen Herausforderungen. Beispiele sind die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) oder die Transformation von Mobilität und Logistik. Die Wirtschaft spielt bei allen Transformationsprozessen eine Schlüsselrolle und kann diese durch Investitionen voranbringen.
Voraussetzung aber ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen und Vertrauen entstehen kann. Auf dem afrikanischen Kontinent ist das zu oft nicht der Fall: „70 Prozent der privaten Investitionen werden zurückgehalten, weil die Rahmenbedingungen hier nicht so sind, wie die Unternehmen sie sie sich wünschen“, bedauerte die bekannte nigerianische Menschenrechtsaktivistin und Panelteilnehmerin Dr. Obiageli Ezekwesili.
„Hier steckt ein riesiges Potenzial, das beim Abbau von Ungleichheit zwischen dem globalen Norden und Süden unbedingt genutzt werden muss“, sagt Ezekwesili, Präsidentin von Human Capital Africa, Mitbegründerin von Transparency International, ehemalige Vizepräsidentin der Weltbank für die Region Afrika und einstige Ministerin für Mineralien in Nigeria.
Rechtssicherheit schafft Vertrauen
„Das allerdings setzt Rechtssicherheit voraus, damit Unternehmen ihre Investition geschützt wissen“, so Prof. Dr. Antje Baumann. „Eine Option, diese zu schaffen, sind internationale Schiedsgerichtsverfahren. Deren Verlauf ist klar vorgezeichnet, und sie sind auf Vertrauen aufgebaut“, sagt die Hamburger Rechtsanwältin, selbst erfahrene Schiedsrichterin und Vorsitzende des Hamburg Arbitration Circle, einer Vereinigung Hamburger Schiedsrichter. „Schiedsgerichtsverfahren sind eine der gesetzlichen Aufgaben der Handelskammer Hamburg. Sie sind eine kostengünstigere und schnellere Alternative zu staatlichen Verfahren. Im internationalen Bereich und außerhalb der europäischen Union sind Schiedsverfahren die beste Möglichkeit, Vertragsbrüche zu verfolgen“, erklärt Christian Graf, Chefjustiziar der Handelskammer.
Um die 40 internationale Verfahren im Jahr führen die im Kammergebäude ansässigen Schiedsgerichte im Jahr durch. Bislang geht es darin eher um „klassische“ Themen wie verzögerte Zahlungen oder Waren von schlechter Qualität.
Bald aber könnten soziale und ökologische Aspekte aus den Nachhaltigkeitszielen dazukommen. „Zum Beispiel beim Lieferkettengesetz kann das wichtig sein“, weiß Christian Graf. Dann könnte es in den Verfahren um unerlaubte Kinderarbeit, nicht eingehaltene Sozialstandards oder einen Umweltskandal gehen.
Neue Studie zur Schiedsgerichtsbarkeit
Bislang gibt es für solche Verfahren mit nachhaltigkeitsbezogenen Streitigkeiten aber keine klaren Regeln. Und auch Experten und Schiedsrichter mit SDG-Kompetenz sind rar, wie eine von der Kammer beim Hamburger LawCom.Institute in Auftrag gegebene Studie belegt (abrufbar hier).
Das will die Handelskammer ändern und wirbt für die Einrichtung eines „Institute for Sustainability Arbitration (ISA)“ im eigenen Haus, angegliedert an das Hamburg International Arbitration Center. Das ISA soll Standards für Verfahrensregeln mit Einbindung von ESG-Aspekten erarbeiten, Schiedsrichter darin weiterbilden und eine Liste von internationalen Schiedsexperten mit ESG-Kompetenz aufbauen.

„Schiedsverfahren sind eine unserer Kernkompetenzen in der Jahrhunderte langen Kammergeschichte“, hob Dr. Malte Heyne beim HSC-Panel hervor. Und auch beim Thema Nachhaltigkeit ist die Kammer mit ihrer Hamburg-Net-Zero-2040-Kampagne eine Vorreiterin. Das erklärte Ziel der Kampagne: Bis 2040 sollen Hamburgs Unternehmen klimaneutral wirtschaften.
„Bei der Gründung des ISA wäre es wichtig, dass Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit eingebunden werden und diese die Möglichkeit haben, an Schiedsgerichtsverfahren beteiligt zu werden“, ist John Nyanje vom LawCom Institute überzeugt. Denn obwohl Schiedsgerichtsverfahren günstiger sind als staatliche Verfahren, sind auch sie eine Frage des Geldes. „Wir schlagen daher die Einrichtung eines Fonds vor, der die NGO bei einer Prozessbeteiligung unterstützen kann“, so Nyanje, der für die Ausarbeitung des Institutskonzepts maßgeblich war. Dafür allerdings braucht es finanziell starke Partner.
„Ich bin davon überzeugt, dass sich diese finden und wir bei der nächsten HSC 2026 die Gründung des ISA bekannt geben können“, so Dr. Malte Heyne. Damit wäre ein wichtiger Baustein geschaffen, um Vertrauen zu bilden und neue globale, nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen.
So funktionieren Schiedsgerichte
Schiedsgerichte sind eine diskrete, schnelle und kostengünstige Alternative zu staatlichen Gerichten. Eine Entscheidung wird in einer einzigen Instanz herbeigeführt. Wer Schiedsrichter ist, entscheiden die Parteien selbst. Diese müssen nicht zwangsläufig Juristen sein, auch Experten eines Fachgebiets wie Ingenieure können eingesetzt werden. Die Vertragspartner legen zuvor fest, in welchem Land und in welcher Sprache das Verfahren geführt wird. „Aus Nachhaltigkeits- und Kostengründen macht es Sinn, sich auf ein Schiedsgericht in einem der beteiligten Länder zu einigen“, sagt Christian Graf, Chefjustiziar der Kammer. Vor zwei Jahren hat die Handelskammer begonnen, ein Netzwerk mit Schiedsgerichten in Ruanda, Kenia und Ägypten, aufzubauen, die African-German-Arbitration-Cooperation. Bisheriges Fazit: „Die Kollegen leisten hervorragende Arbeit vor Ort. Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen“, sagt Graf. Weitere Infos gibt es auf der Website der Handelskammer.
