Herr Dr. Heyne, was haben Sie sich von dieser einwöchigen Reise nach Südamerika versprochen?
Malte Heyne: Südamerika ist ein Markt, der immer interessanter wird. Wir erleben viele Verschiebungen in der Weltwirtschaft und müssen uns nach neuen Märkten umsehen. Traditionell ist Lateinamerika für Hamburg von großer Bedeutung, und es ist wichtig, dass wir die guten Kontakte, die wir bereits haben, erneut stärken. Die Region bietet viele Chancen, vor allem im Bereich der Erneuerbaren Energien. Die Idee, dort grünen Wasserstoff zu produzieren und diesen dann über den Hamburger Hafen zu importieren, hergestellt mit Hamburger Technologie, stand im Zentrum unserer Reise.
Die Region bietet viele Chancen, vor allem im Bereich der Erneuerbaren Energien.
In welcher Hinsicht haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Meine Erwartungen haben sich durchaus erfüllt. Unter anderem kam es zu vielen spannenden Kontakten, und wir haben jetzt auch konkrete Anknüpfungspunkte, die wir nacharbeiten werden. Die politischen Türen in Chile, Uruguay und Argentinien sind nun geöffnet, aber es wurden auch zwischen einzelnen Unternehmen konkrete Projekte angebahnt. Die Kontakte, die wir knüpfen konnten, planen wir mit einer Follow-up-Reise im kommenden Jahr zu vertiefen.
Nach welchen Gesichtspunkten wurden die Reiseziele ausgesucht?
Chile beispielsweise ist ein stabiles Land mit viel Potenzial, was die Erzeugung Erneuerbarer Energien betrifft, und konkreten Plänen für die Wasserstoffindustrie. Nach Chile gibt es auch klassische Hamburger Verbindungen, weil die Mehrheitsgesellschafter von Hapag-Lloyd dort ansässig sind. Es gibt aber noch weitere Hamburger Unternehmen, durch die wir gleich in mehreren südamerikanischen Ländern sozusagen „den Fuß in der Tür“ haben. Diese Kontakte müssen wir künftig nutzen. Uruguay, um ein weiteres Beispiel zu nennen, ist für uns von Interesse, weil die Energieversorgung in diesem Land bereits zu 94 Prozent über Erneuerbare Energien läuft. Es wird schon bald die Schwelle zur Exportmöglichkeit überschreiten. Es liegt im Hamburger Interesse, von Anfang an mit dabei zu sein und das Feld nicht anderen zu überlassen.
Der Aufbau von Wertschöpfungsketten ist entscheidend.
Aus welchem Grund bieten vor allem Argentinien, Uruguay und Chile so gute Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff?
Zum einen sind die Windverhältnisse in Südamerika enorm gut, sodass man dort hervorragend Windenergie erzeugen und Windparks errichten kann, die dann wiederum für die Elektrolyse bereitstehen. Zum anderen gibt es in diesen Ländern sehr gut ausgebildetes Personal sowie eine große Offenheit für die Zusammenarbeit mit Europa. Diese Vorteile möchten wir unbedingt nutzen.
Chile hat das Ziel, bis zum Jahr 2040 weltweit einer der größten Exporteure von grünem Wasserstoff zu sein. Was bedeutet das für Hamburg?
Für unsere Stadt bedeutet das große Chancen, weil Chile sehr Hamburg-orientiert ist. Zudem bestehen zu diesem Land ausgezeichnete Arbeitsbeziehungen. Hamburg nahm von Anfang an regen Anteil an der Entwicklung Chiles zum Exporteur von grünem Wasserstoff und kann technologisch eine ganze Menge Know-how beisteuern, damit es sein Ziel auch wirklich erreicht. Der Aufbau von Wertschöpfungsketten ist entscheidend. Wichtig ist, dass wir uns für Freihandels- und für Doppelbesteuerungsabkommen einsetzen, um das Land und die Mercosur-Region auch wirtschaftspolitisch besser mit dem Euroraum zu vernetzen.
Gibt es in Bezug auf Erneuerbare Energien Aspekte, in denen südamerikanische Länder im Vergleich zu Hamburg die Nase vorn haben?
Ich erwähnte bereits Uruguay, das sich zu 94 Prozent mit Erneuerbaren Energien versorgt. Das liegt natürlich auch daran, dass es etwas kleiner als Deutschland und relativ flexibel ist. Hier bei uns müssen wir stets an so viele rechtliche Aspekte denken, zum Beispiel ans Planungs- und ans Baurecht. Das ist ein Thema, an dem dort viel entschlossener gearbeitet wird als bei uns in Deutschland. Dort geht alles viel schneller, da können wir viel von lernen.
Wichtig ist, dass wir uns für Freihandels- und für Doppelbesteuerungsabkommen einsetzen.
Hat Europa Lateinamerika in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vernachlässigt?
Hamburg hat in den vergangenen Jahren stark nach Osten geschaut, in Richtung Südostasien und China. Das ist auch richtig so, denn unsere Wirtschaft hat davon stark profitiert. Aber Südamerika hat großes Potenzial. Es gibt dorthin zahlreiche historische Beziehungen von Hamburger Kaufleuten, die weit bis ins 19. und 18. Jahrhundert zurückreichen. Diese Tradition sollte wieder aufleben. Die kulturelle Nähe, die organisatorische Nähe, aber auch die religiöse Nähe – all das ist stark in den Gesellschaften verankert, sodass wir große Chancen haben, dieses Potenzial für uns zu nutzen. Wir müssen aber dafür sorgen, dass wir Freihandels- und Doppelbesteuerungsabkommen auf den Weg bringen und die notwendige politische Aufmerksamkeit auf Lateinamerika richten. Denn es ist klar, dass auch andere Länder, andere Regionen um die Möglichkeiten, um die Rohstoffe und die Erneuerbaren Energien wissen, die es in Südamerika gibt. Da dürfen wir auf keinen Fall ins Hintertreffen geraten.