Von der Starthilfe zum Lebenszyklus

Seit 2009 hat die Gründungswerkstatt der Handelskammer 12  000 Menschen geholfen, sich selbstständig zu machen. Jetzt wurde das Angeboterweitert: Die neue Unternehmenswerkstatt betreut Firmen lebenslang.
Bernd Jonkmanns
Max Bott, Geschäftsführer des Start-ups CAPTN Coffee, hat massiv von der Gründungswerkstatt der Handelskammer und der Beratung durch Naara Schemat-Loose profitiert – unter anderem bei der Finanzplanung für sein junges Unternehmen.

Von Jan Freitag, 5. Juni 2023 (HW 3/2023)

Wogendes Wasser dient spätestens seit der Neuen Deutschen Welle als Symbol für vieles, was Menschen in Massen bewegt. Die „Dritte Kaffeewelle“ etwa, also der Wandel der Präferenzen vom Filterkaffee zum Siebträger-Galão, macht nicht nur alle Welt zu Baristas. Mitte 2020 hat sie Max Bott aus einer soliden E-Commerce-Stelle ins Abenteuer Autonomie gezogen. Von Hammerbrook aus versorgt sein Start-up CAPTN Coffee Röstereien und Fans mit edlem Zubehör. Auf der Kaffeewelle zum Horizont? Ganz so einfach war es nicht.

Um sie zu surfen, bekam der Wahlhamburger Unterstützung von der Handelskammer. Seit 2009 hat deren Gründungswerkstatt rund 12 000 Selbstständigen in spe den Weg zur eigenen Firma geebnet. Das bundesweite Erfolgsmodell hilft Wagemutigen wie Max Bott über ein Digitalportal bei Businessplänen, Bankkontakten, Fördertöpfen, „also den Basics im Unternehmensaufbau“, wie es Projektleiter Ayhan Saka, Leiter des Handelskammer-Teams „Gründung und Förderung“, ausdrückt.

In der Unternehmenswerkstatt Deutschland unterstützt die Handelskammer Unternehmen mit einem umfassenden digitalen Angebot sowie persönlicher Beratung – von der Gründung bis zur Nachfolge. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Beratungsangebote, etwa durch Wirtschafts-Senioren, sowie Coaching- und Förderprogramme. Mehr Informationen erhalten Sie hier.

Seit gut 14 Jahren leistet sein Netzwerk Entwicklungsarbeit für Wechselwillige. „Mir hat es massiv bei der Finanzplanung geholfen“, lobt Kaffeeprofi Bott die Gründungswerkstatt Hamburg. Jetzt aber ist sie Vergangenheit, die Zukunft gehört der Unternehmenswerkstatt Deutschland. Im Kreis von insgesamt 53 Industrie- und Handelskammern weitet auch die Hamburger Kammer den Leistungsumfang fortan vom „Entstehungszyklus auf den Lebenszyklus“ beteiligter Firmen aus, wie Saka den Wandel beschreibt.

Nach kostenfreier Registrierung begleitet hamburg.uwd.de „nicht nur Neulinge durch ihre Aufbauphase, sondern Fortgeschrittene durch die Unternehmensphase“. Oder wie Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne zum Formatwechsel Ende April anmerkte: „Von Gründung, über Wachstum und Unternehmenssicherung bis hin zur Nachfolge“ bilde die UWD eine „Brücke zwischen Online- und Offline-Welt in der Angebotslandschaft unserer Handelskammer“. Womit er eine der Konstanten des nutzbringenden Projektes zum Ausdruck bringt.

Begünstigte wie Marc Seele nennen sie „menschlichen Faktor“.  Voriges Jahr hat er die Hamburger Werbeagentur Scholz & Friends verlassen, um seine eigene namens S2 Agency aufzubauen. Das Rüstzeug der Gründungsplattform habe ihm dabei geholfen. Businessplanvorlagen, Video-Tutorials oder Beispieltexte inklusive vordefinierter, bankenfähiger Finanzvorsorge mit Liquiditäts- und Rentabilitätskonzeption – „alles sehr nützlich“. Fast mehr noch schwärmt der 34-Jährige aber vom Experten, den ihm die Kammer zur Seite gestellt hat. Ein eigener Ansprechpartner, der, anders als externe Beratungsstellen, „ohne Eigeninteresse neutral und sachkundig hilft“. Routiniers wie Naara Schemat-Loose und ihre Kollegin Sabine Pilgrim etwa, Fachgebiet Gründung, Förderung, Finanzmarkt.

Es ist großartig, dass die UWD nun den gesamten Lebenszyklus abdeckt.

Marc Seele

In 14 Jahren hat Pilgrim mehr als 1000 Fälle betreut, „von denen ich 85 Prozent erfolgreich Richtung Selbstständigkeit begleitet habe“. Seit ein paar Wochen hat sich ihr Aufgabengebiet nun erweitert. Neben der Startphase kümmert sich Ayhan Sakas neunköpfiges Team um Standortbestimmung und Krisenbewältigung, Expansions- oder Verkaufsabsichten. Wobei Sabine Pilgrims Devise auch bei gewachsener Aufgabenpalette gilt: „Ein Kiosk, der seinem Besitzer den Lebensunterhalt sichert, ist ein ebenso großer Erfolg wie ein Unternehmen, das drei Filialen und 40 Angestellte hat.“

Alles eine Frage der Erwartungshaltung eben, die das UWD-Portal allerdings nicht nur zum Nutzen der Neulinge fördert. Deshalb gibt es neben Hilfsangeboten für 170 000 Kammermitglieder auch einen Marktplatz mit 50 000 Teilnehmenden, die sich wie beim Jobnetzwerk LinkedIn unter dem Slogan „kostenlos, sicher, vertraulich“ verlinken, verbinden, vereinigen. Und das aus Ayhan Sakas Sicht branchen- wie grenzübergreifend. Die 53 UWD-Kammern unterhalten daher einen Lenkungskreis zum überregionalen Informationsaustausch, um das Portal auch im Zuge der Digitalisierung „durch Synergieeffekte und Optimierungsprozesse ständig weiterzuentwickeln“.

Ganz im Sinne derer, denen bereits die Gründungswerkstatt geholfen hat. „Es ist großartig, dass die UWD nun den gesamten Lebenszyklus abdeckt“, lobt PR-Profi Marc Seele, während sich CAPTN Coffee Bott „die Entwicklung der Plattform definitiv genauer ansehen“ will. Und zwar nicht erst, falls sein Shop in Schieflage gerät. Er will die Erfolgswelle weiterreiten. Gern auch mit Hilfe von außen.

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