Wird der Urlaub im eigenen Land auch in Zukunft ein Trendthema bleiben?

Heinrich Schuster, Inhaber und Gesellschafter Hamburger Stadtrundfahrt – Die Roten Doppeldecker GmbH, und Brigitte Wirsig, Inhaberin FREISEIN – Time to Travel, antworten kontrovers in der Rubrik „Pro & Kontra“.
Eva Gruendemann / stock.adobe.co
Weg zum Strand durch die Dünen auf Langeoog

Von Frank Schlatermund, 9. Dezember 2022 (HW 6/2022)

Der Boom dauert an

Heinrich Schuster
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Hamburger Stadtrundfahrt – Die Roten Doppeldecker GmbH
Heinrich Schuster, Inhaber und Gesellschafter Hamburger Stadtrundfahrt – Die Roten Doppeldecker GmbH

Mein liebstes Reiseziel war schon immer unsere Heimat. So bin ich aufgewachsen, mit der unglaublichen Vielfalt Deutschlands. Wir leben in einem wunderschönen Land, das so facettenreich ist, dass es schwer sein dürfte, jeden einzelnen Winkel zu entdecken und zu bereisen. Mir zumindest ist es bis heute noch nicht gelungen, und ich reise bereits seit meiner Kindheit durch dieses Land. Seit vielen Jahrzehnten übrigens auch als Repräsentant Hamburgs, um die Attraktivität dieser Stadt als Reiseziel bei den Deutschen zu steigern.

Noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie war es üblich und absolut selbstverständlich, ein Weltenbummler zu sein, die eigene Heimat aber nicht zu kennen. Man war schon auf Jeep-Safari durch die omanischen Dünen, ohne zu wissen, dass die letzte Wanderdüne Hamburgs die Boberger Düne ist und in einem einzigartigen Naturschutzgebiet liegt. Doch der Trend wandelte sich inzwischen zwangsweise durch die Pandemie, und Deutschland erlebt als Reiseland förmlich einen Boom.

Als Touristiker und Betreiber eines touristischen Unternehmens verfolge ich aufmerksam diese Entwicklung und glaube, dass Urlaub im eigenen Land ein Trendthema bleiben wird. Leider befinden wir uns derzeit in äußerst schwierigen Zeiten. Corona und nun auch noch Energiekrise und Inflation schmälern das Urlaubsbudget der Deutschen erheblich. Die Preisexplosionen zwingen uns zu sparen, und diese Verunsicherung wird sich massiv auf die Reisepläne der Bevölkerung auswirken.

Spontane Kurztrips, Urlaubsreisen vor der eigenen Haustür, werden attraktiv bleiben, auch nach dem Ende der Pandemie. Selbst wenn die Hintergründe für einen Heimaturlaub besorgniserregend sind, freue ich mich, dass Deutschland wieder zum Favoriten der Deutschen wird.


Run aufs Ausland

Brigitte Wirsig
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CvS Foto, Hamburg
Brigitte Wirsig, Inhaberin FREISEIN – Time to Travel

In den letzten zwei Jahren hatten wir es mit einem Phänomen zu tun: Deutschland wurde auch für eingefleischte Weltenbummler zum Urlaubsziel. So mancher (wie auch ich) stellte dabei fest, wie schön es vor der eigenen Haustür ist und welche „verborgenen Schätze“ es zu heben gibt. Dabei spreche ich nicht von den rund 50 Prozent der Deutschen, die schon immer hierzulande Urlaub gemacht haben. Nein, die andere Hälfte ist interessant. Da hat sich nämlich bei allen „Fernwehkranken“ eine Art Rückstau gebildet, sodass in diesem Jahr ein regelrechter Run auf das Ausland eingesetzt hat.

Und der Trend ist noch nicht zu Ende. Doch liegt die Nachfrage nach Fernreisen noch weit hinter den Zahlen von 2019 zurück. Eingefleischte USA-Fans jedoch sind bereits am ersten Tag nach Beendigung von Lockdown und Einreiseverbot in den Flieger gestiegen, um zum Beispiel ihre Latifundien in Florida aufzusuchen. Aber das war eher die Ausnahme. Gefragt ist Europa, saisonal abhängig ob Norden oder Süden. Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal gehören weiterhin zu den Gewinnern, Montenegro ist stark im Kommen. Ungebrochen ist der Boom der Schiffsreisen, egal ob Hochsee oder Fluss. Corona scheint kein Thema mehr, seit fast alle Reedereien die Bestimmungen für Landaufenthalte deutlich gelockert haben.

Für 2023 zeichnet sich schon jetzt ein Stück Normalität ab. Klassiker wie Thailand, Südafrika und zunehmend auch der Pazifikraum mit Australien und Neuseeland florieren. Mein Fazit: Die Menschen werden weiterhin im Ausland Urlaub machen, aber viele nicht so weit weg und nicht so lange. Dafür darf es gern etwas mehr kosten. Das Gefühl, schnell wieder zu Hause sein zu können, spielt in diesen unruhigen Zeiten eine große Rolle.


Mit rund 55 Millionen Personen, die eine Reise von mindestens fünf Tagen unternommen haben, lag die Zahl der Urlaubsreisenden in Deutschland im Jahr 2019 so hoch wie nie zuvor. Dabei kamen sie insgesamt auf rund 70,1 Millionen Urlaubsreisen. 2020 ging die Reiseaktivität der Deutschen aufgrund von Corona jedoch stark zurück: Im Vergleich zum Vorjahr wurden mehr als 20 Millionen Urlaubsreisen und rund 10 Millionen Urlaubsreisende weniger gezählt. Diese Entwicklung zeigte sich auch an den Ausgaben: 2019 gaben die Deutschen insgesamt noch rund 73,1 Milliarden Euro für Urlaubsreisen aus, im Jahr 2020 lagen die Gesamtausgaben bei nur rund 45 Milliarden Euro. Die durchschnittlichen Kosten pro Person und Reise sanken von etwa 1030 Euro im Jahr 2019 auf rund 890 Euro 2020.

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