Ja, hohe Frachtraten verteuern die Produkte.
Lars Reeder (62)
Die aktuelle Situation zeigt, wie anfällig die Lieferketten sind. Durch Covid verursachte Schließungen von Fabriken oder Häfen in Fernost machen dies deutlich. Die Abnehmer in Europa haben wenig Einfluss auf die Pandemiebekämpfung in Asien, leiden aber unter deren Folgen. Ich bezweifele allerdings, ob sich dies anders verhalten hätte, wenn die Fabriken in Europa gestanden hätten. Schließlich waren es Abnehmer wie die europäische Automobilindustrie, die in der Pandemie Bestellungen reduzierten.
Aus meiner Sicht werden auch in Zukunft Produkte dort gekauft, wo sie am billigsten zu beziehen sind. Hier wirken sich aktuell die hohen Frachtraten negativ aus, da sie die Produkte verteuern. Benötigt man viel Containerraum, schlägt sich dies in der Gesamtkalkulation nieder. Dies kann ein Grund sein, Produktionen zurückzuverlagern. Auch ökologische Aspekte werden zunehmend relevanter für die Transportkosten, da zu erwarten ist, dass der ökologische Footprint auch monetär eingepreist wird. Lange Wege verbrauchen eben mehr CO2.
Herausforderung Aluminiumpreise
Für mein Unternehmen sind beispielsweise massiv gestiegene Aluminiumpreise eine Herausforderung. Aus ökologischen Gründen wurden in China Vorprodukte stark verteuert und verknappt, was die Preise explodieren ließ. Auch dies ist weniger eine Folge der Pandemie, sondern vielmehr eine politische Entscheidung. Derartige Entwicklungen können ein guter Grund dafür sein, Produktionen wieder nach Europa zu verlagern.
Für Fabriken in Europa werden wiederum Fachkräfte benötigt, die immer schwerer zu finden sind. Nach meiner Einschätzung wird dies den Trend zur Automatisierung begünstigen. Lohnkostendifferenzen treten dann stärker in den Hintergrund. Hier sehe ich die Chance, sich wettbewerbsfähiger aufzustellen und insgesamt mehr Produktion lokal anzusiedeln. Warum in die Ferne schweifen, wenn dies auch um den eigenen Kirchturm möglich ist.
Nein, sie ist kein Auslaufmodell.
Sascha Schneider (48)
Die Globalisierung der Industrie ist kein Auslaufmodell. Zugegeben, wir erkennen gerade sehr deutlich die Grenzen und Risiken, die die Globalisierung mit sich bringt. Aber sind dies wirklich Grenzen der Globalisierung? Oder nicht vielmehr die Grenzen der Rationalisierung von „just in time“ greifenden Lieferketten? Wurden Prozessabläufe und Lieferketten in den vergangenen Jahrzehnten dank des weltweiten Zugangs zu Märkten und dank der Digitalisierung auf Perfektion getrimmt, zeigt sich die Anfälligkeit, wenn mal eines der Räder in der Maschinerie stockt.
Zweifelsohne müssen wir aus den derzeitigen Schwierigkeiten lernen. Anzunehmen, dass Unternehmen nun dazu übergehen, Lieferketten lokal zu organisieren, wäre der falsche Schluss. Es liegt auf der Hand, dass ein Angebot, das sich auf einen weltweiten Zugang erstreckt, deutlich mehr Möglichkeiten bietet als ein rein lokaler oder regionaler Fokus. Die derzeitige Lieferkrise zeigt jedem Betrieb deutlich auf, wo es in der Supply-Struktur Risiken aufgebaut hat – diese gilt es in Zukunft zu vermeiden und sich in der Zulieferkette breiter und diverser aufzustellen.
Effizienz und Spezialisierung an vorderster Stelle
Effizienz und Spezialisierung stehen auf den strategischen Agenden vieler Unternehmen an vorderster Stelle. Die heute viel beschworene Resilienz gegen krisenbedingte Schwankungen erfordert aber ein gewisses Maß an Redundanz und Heterogenität. Hier müssen die Unternehmen definieren, wo jeweils der richtige Maßstab in diesem Spannungsverhältnis liegt. Die Herausforderung wird darin bestehen, die als Schlussfolgerung aus den derzeitigen Schwierigkeiten definierten Maßnahmen auch dann nicht aus dem Blick zu verlieren, wenn die Maschinerie wieder wie geschmiert läuft. Denn die nächste Krise kommt gewiss.
Die an der jüngsten Handelskammer-Konjunkturbefragung teilnehmenden Unternehmen nannten folgende Hauptauswirkungen der aktuellen Lieferengpässe auf den eigenen Betrieb: höhere Einkaufspreise (66,5 Prozent), längere Wartezeiten (57,3 Prozent) sowie gestiegener Planungsaufwand (44,5 Prozent). Nur auf 16,3 Prozent haben die derzeitigen globalen Lieferengpässe keine Auswirkungen. Geplante oder bereits umgesetzte Reaktionen der Firmen: Weitergabe von Preiserhöhungen an die Kundschaft (benannt von 48,5 Prozent), Suche nach neuen oder zusätzlichen Lieferanten (44,3 Prozent), Erhöhung der Lagerhaltung (31,2 Prozent) sowie Produktionsverlagerungen an neue Standorte (4,8 Prozent).