Der Kunst verschrieben

Wieder einmal präsentieren Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg in der Handelskammer ihre Arbeiten. Es ist die inzwischen zehnte Auflage des Erfolgsformates „Kunst in der Börse“. In diesem Jahr wurde erstmals ein Award verliehen.
Michael Schulz
Wegen der Corona-Pandemie fand die Eröffnung der Ausstellung „Kunst in der Börse“ mit zwei Jahren Verspätung statt.

Von Frank Schlatermund, 23. Mai 2022

„Ich sehe während des Arbeitsprozesses oft Formen, die ich versuche umzusetzen“, sagt Barbara Eßer. „Woher diese kommen, weiß ich nicht – sie tauchen einfach auf!“ Die 43-Jährige ist eine von insgesamt 14 Kunstschaffenden, die derzeit an „Kunst in der Börse“ teilnehmen, und Preisträgerin des erstmals verliehenen „Kunst in der Börse“-Awards. Die aus Neuss am Rhein stammende Künstlerin hat zwar als Kind schon viel gemalt und gezeichnet, wie sie berichtet, an eine berufliche Karriere in diesem Metier dachte sie damals allerdings noch nicht. „Das kam alles erst sehr viel später.“ Inspirationsquellen für ihre künstlerische Arbeit sind ihre alltägliche Umwelt, der Zufall und vor allem die Natur. „Ich muss nur hinsehen, dann kommt alles von ganz allein.“

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Annemie Martin
Barbara Eßer, ohne Titel, Acryl, Stift und Schellack auf Stoff, 50 x 45 cm, 2019

In diesem Jahr findet „Kunst in der Börse“ bereits zum zehnten Mal statt. Es sind Studierende des „Department Design“ der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), die alle zwei Jahre eine Auswahl ihrer Arbeiten am Adolphsplatz präsentieren. „Ziel des Formates ist die Förderung junger Talente“, sagt Henning Kles. „Sie erhalten auf diese Weise ein Forum und ein mögliches Sprungbrett in eine erfolgreiche Zukunft.“ Kles ist Professor für Malerei an der HAW und betreut das Projekt gemeinsam mit seiner Kollegin Gesa Lange. Unter ihrer Aufsicht bereiten die Studierenden die Ausstellungen vor. „Sie organisieren alles selbst“, erzählt Kles, „von der ersten Idee über den Katalog bis hin zum Aufbau.“

Die Ausstellung „Kunst in der Börse“ läuft noch bis zum 6. Juni (Handelskammer Hamburg, Galerie um den Commerzsaal, Adolphsplatz 1, 20457 Hamburg). Der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr, Freitag von 9 bis 16 Uhr, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen geschlossen. Informationen zu abweichenden Öffnungszeiten finden Sie auf der Startseite unter www.hk24.de

Wer bei „Kunst in der Börse“ mitmacht, entscheidet eine Jury. Etwa 40 bis 50 Bewerbungen gingen laut HAW für die aktuelle Ausstellung ein, die – wäre nicht Corona dazwischengekommen – turnusmäßig bereits 2020 hätte eröffnet werden sollen. Für die meisten ist „Kunst in der Börse“ die erste Ausstellung überhaupt. Die Kriterien, nach denen die Jury die Teilnehmenden und ihre Werke auswählt, sind nach Aussage von Henning Kles in erster Linie Originalität, Qualität, Diversität und Ausgewogenheit. „Zeichnungen sollten ebenso vertreten sein wie Malerei und Fotografie.“ Auch Installationen und digitale Formate werden in den kommenden Jahren zunehmend in den Fokus rücken.

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Annemie Martin
Annemie Martin, ohne Titel, #42 (Pathway), aus der Serie „rim“, Baryta Fine Art Pigment Print, 80 x 60 cm, 2018

„Kunst in der Börse“ ist eine Kooperation von Handelskammer, HAW und Lions Club Hamburg-Hammaburg. Der Lions Club war es auch, der die Reihe im Jahr 1996 ins Leben gerufen hat und damit eine dem weltweiten Lions-Motto entsprechende Aktion sozialer Verantwortung verwirklicht. Zudem handelt es sich um eine Verkaufsausstellung. 40 Prozent des Erlöses gehen an das Kinderhaus am Pinnasberg, das die Lions seit Jahrzehnten unterstützen.

„Für die Handelskammer, die sich mit ihrer aktuellen Purpose-Studie mit dem eigenen Gemeinwohlbeitrag auseinandergesetzt hat, passen Formate wie ‚Kunst in der Börse‘ gut ins ‚Programm‘“, sagen Anna Maria Heidenreich und Michaela Beck, die in der Kammer den zuständigen Geschäftsbereich „Fachkräfte und Lebenswerte Metropole“ als „Team Heideck“ gemeinsam leiten. „Das IHK-Gesetz, ihre gesetzliche Grundlage, sieht auch eine gewisse Gemeinwohlorientierung vor.“ Der Begriff „Gesellschaftliche Verantwortung“ habe in der Hamburger Kaufmannschaft eine lange Tradition, die bis heute gelebt wird. „Er beschreibt die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft etwa in sozialer, ethischer, ökologischer – und kultureller Hinsicht.“

Ich sehe während des Arbeitsprozesses oft Formen, die ich versuche umzusetzen.

Barbara Eßer

Kultur gehört am Adolphsplatz gewissermaßen zum Alltag. Das Gebäude der Handelskammer, die am 2. Dezember 1841 eröffnete „Neue Börse“, beherbergte seit 1850 immerhin die erste öffentliche Gemäldegalerie der Stadt. Den Grundstock der Sammlung bildeten seinerzeit 40 überwiegend zeitgenössische Werke, gespendet von Hamburger Kaufleuten sowie von Bürgerinnen und Bürgern. Sukzessive kamen immer mehr Bilder hinzu, und der Platz in der „Neuen Börse“ reichte bald nicht mehr aus. Der Ruf nach neuen Ausstellungsflächen wurde laut. So entstand am Glockengießerwall die 1869 eröffnete Kunsthalle, finanziert einmal mehr aus privaten Spenden.

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Annemie Martin
Christine Brey, Spiegelgesicht, Grafit auf Bristolkarton (Ausschnitt), 2020

Es war der Reeder und Altpräses Nikolaus W. Schües, der sich seinerzeit maßgeblich für die Reihe „Kunst in der Handelskammer“ einsetzte, die im Jahr 2000 startete. Damit wollte die Kammer nicht neue Pfade beschreiten, sondern an eine alte Tradition anknüpfen, die damals mit der Eröffnung der Kunsthalle endete. Seither sind regelmäßig wechselnde Ausstellungen auf der Galerie und im „Haus im Haus“ zu sehen. Das Format „Kunst in der Börse“ wurde erfolgreich in die Reihe „Kunst in der Handelskammer“ integriert.

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Annemie Martin
Marlen Schulz, Katharinas Blumen, Acryl auf Papier, 48 x 34 cm, 2019

Vieles hat sich seither nicht verändert. „Neu ist, dass der Lions Club seit diesem Jahr den ‚Kunst in der Börse‘-Award verleiht“, konstatiert Henning Kles. „Er ist nicht mit einem Geldpreis dotiert, sondern mit der Einladung zu einer dreiwöchigen Ausstellung in der Frankfurter Galerie ‚Arte Giani‘ verbunden.“ Unter der Leitung des renommierten Künstlers Wulf Kirschner wählte eine Jury Barbara Eßer als die Teilnehmerin mit dem größten künstlerischen Potenzial aus. Besonders beeindruckt zeigte sich das Gremium „von der eigenständigen und ruhigen Position der Künstlerin“. Aufmerksam wurde es auch auf die Arbeiten Christine Breys in der Kategorie „Zeichnung“ – sie darf ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte bei „Arte Giani“ ausstellen.

Für Barbara Eßer, die gern mit Tusche, Acrylfarben, Holz und Baumwollstoff arbeitet, kam der Award überraschend. Sie freut sich auf die Zeit in Frankfurt. Vielleicht wird sie dort das eine oder andere Bild verkaufen. Ganz leicht fällt ihr das Loslassen allerdings nicht. „Meine Arbeiten sind sehr persönlich, und ich hänge an ihnen“, gesteht sie. „Vor allem dann, wenn sie gerade entstanden sind oder eine besondere Erfahrung darin verarbeitet ist.“ Ihr Studium an der HAW hat sie inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Nun beginnt der Ernst des Lebens, das zwar nicht immer, aber doch sehr oft die allerbeste Schule ist.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten Kunst am Adolphsplatz

Die Reihe „Kunst in der Handelskammer“ startete am 17. Juli 2000 mit der Ausstellung „50 Jahre Freie Akademie der Künste“. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf etablierten Kunstschaffenden aus Hamburg und Norddeutschland. In der Vergangenheit wurden beispielsweise Werke von Gerhard Ausborn, Klaus Kütemeier, Alfred Ehrhardt, Horst Janssen, Oskar Kokoschka und Carl Otto Czeschka gezeigt. Zu vielen Ausstellungen sind Kataloge erschienen, die zum Teil noch immer in der Handelskammer erhältlich sind. Zudem knüpft die Kammer mit Ausstellungen an aktuelle Projekte des Hauses sowie an Themen- und Länderschwerpunkte an.

Gesellschaftliches Engagement stärken

Mit ihrer Online-Plattform „Gemeinwohlbörse Hamburg“ möchte die Handelskammer dazu beitragen, gesellschaftliches Engagement stärker zu unterstützen. Dort finden Unternehmen geeignete Träger von Gemeinwohlprojekten in und um Hamburg, die sie in Form von beispielsweise Sach-, Know-how- und Geldspenden unterstützen können. Träger von Gemeinwohlprojekten haben ihrerseits die Chance, Wirtschaftspartner aus den Bereichen Soziales, Kultur, Sport, Umwelt, Gesundheit oder Bildung zu gewinnen. Weitere Möglichkeiten für Unternehmen, sich gesellschaftlich zu engagieren, sind die Stiftung Leistungssport Hamburg, die sich beispielsweise mit ihrem Projekt TEAM HAMBURG der Förderung des Spitzensports in den olympischen und paralympischen Disziplinen in Hamburg widmet, sowie die Aktion „We care for Culture“.

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