Die Werbung der Zukunft

Von der Daten- zur KI-Revolution: Die Werbelandschaft verändert sich, und Social Commerce gewinnt an Bedeutung. Die HW nennt die wichtigsten Trends.
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Wie sähe ein neues Möbelstück in meiner Wohnung aus? Auch „Augmented Reality“ ist eine ansprechende und zukunftsträchtige Werbeform.

Von Sandra Goetz und Felix Schoen, 1. Februar 2024 (HW 1/2024)

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KNSK Group
Kim-Alexandra Notz, CEO der Kreativagenturgruppe KNSK

Welche Trends dominieren heute die Werbebranche? Grundsätzlich bilden Clips im Fernsehen und Zeitungsanzeigen nach wie vor die größte Einnahmequelle des Sektors: Rund 49 Prozent der Bruttowerbeerlöse in Deutschland entfielen 2023 auf das Fernsehen und immerhin 16,1 Prozent auf Zeitungen. Online-Werbung belegte hingegen mit 12,1 Prozent nur den dritten Platz. Doch Einnahmen sind nicht gleichbedeutend mit Reichweite, und das Online-Marketing bleibt für viele Unternehmen die kostengünstigste (und teils einzige) Möglichkeit, ihre Produkte zielgerecht zu bewerben. Es dient zudem als Experimentierlabor, etwa für die Einsatzmöglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI), die die gesamte Branche revolutionieren könnte.

Zielgerichtet werben mit DDM und KI

Potenzielle Käufergruppen gezielt erreichen und damit Kosten sparen – dieser Anspruch bestimmt nach wie vor das Online-Marketing.  Das dazugehörige Stichwort lautet „Data Driven Marketing“ (DDM), also datengestützte Werbung. Das Prinzip: Auf Grundlage der Auswertung persönlicher Daten von Internetnutzenden, etwa zu Alter, Wohnort, individuellen Präferenzen oder besuchten Webseiten, werden Anzeigen nur solchen Menschen gezeigt, die tatsächlich daran interessiert sein könnten. Die ePrivacy-Richtlinie der EU („Cookie-Richtline“) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben zwar die Möglichkeiten eingeschränkt, solche Daten zu sammeln, doch noch geben zahlreiche Internetnutzende sie freiwillig preis. DDM ist daher immer noch zentral für viele Online-Werbekampagnen.

Dabei kommen schon seit Längerem KI-gestützte Anwendungen zum Einsatz, etwa Consumer Data Platforms (CDF), die Daten zwecks Vorhersagen zum Kaufverhalten aus verschiedenen Quellen zusammenführen und auswerten, oder Analysetools wie Google Analytics, mit denen sich die Marketingkampagnen justieren lassen. Regelrecht aufgewirbelt hat den Werbemarkt jedoch der jüngste Einzug von generativen KI-Tools wie ChatGPT oder Midjourney, die Texte oder Bilder in professioneller Qualität produzieren.

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Jan Huettemann/Digitas Pixelpark
Christian Weigel, Kreativchef der Digitalagentur Digitas Pixelpark am Hauptbahnhof

„Wohin man auch blickt, herrschen Neugierde, Begeisterung, Erstaunen, aber auch berechtigte Sorgen hinsichtlich ethischer und rechtlicher Aspekte, Desinformation sowie möglicher Monopolstellungen großer Tech-Konzerne“, sagt Kim-Alexandra Notz, CEO der Kreativagenturgruppe KNSK. In Agenturen setzen sich daher nicht nur Kreative, sondern auch Fachleute aus den Bereichen Strategie, Beratung und Technologie intensiv damit auseinander.

Durch die Möglichkeit, zahlreiche Texte und Bilder in rasantem Tempo zu produzieren, wird KI die kreative Arbeit grundlegend verändern – und es ermöglichen, Werbung noch zielgerechter auf einzelne Nutzergruppen zuzuschneiden, etwa durch Einblenden passender Bilder. Dabei sind sich viele einig, dass KI die Agenturwelt und ihre Fähigkeit, Gesellschaft, Zeitgeist und menschliche Bedürfnisse zu verstehen, nicht ersetzen wird, sondern eher dazu beitragen könnte, Kreativität auf ein neues Level zu heben.

Social Commerce & Retail Media

Neben KI gewinnt auch Social Commerce zunehmend an Bedeutung, also der Verkauf von Produkten direkt über soziale Plattformen oder per Verlinkung auf den eigenen Online-Shop. Das Marktvolumen dafür betrug 2021 rund 492 Milliarden US-Dollar und soll bis 2025 auf etwa 1,23 Billionen US-Dollar steigen, so eine Analyse des Strategieberaters Accenture.

Der Trend zu dieser Vermarktungsform ist insbesondere im Beauty-Sektor ausgeprägt, konstatiert Christian Weigel, Kreativchef der Hamburger Digitalagentur Digitas Pixelpark, deren Kundenpalette von Kfz-Unternehmen bis zum Gesundheitssektor reicht. Eine herausragende Rolle spielen dabei Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok; wichtige Treiber sind Rabattcodes und Impulskäufe.

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Christina Körte/RMS
Cord Hollender, Geschäftsführer des Audiovermarkters RMS

Ein weiterer Treiber des digitalen Werbemarktes ist Retail Media. Das Prinzip: Da viele Kaufinteressenten Produkte direkt über große Online-Shops wie Amazon, Zalando oder Otto suchen, gilt es, Angebote dort sichtbarer zu platzieren – zum Beispiel über gesponserte Produkte, Unterseiten mit Markenshops oder Video- und Bannerwerbung.

Leonhard Sauer, Country Manager Central Europe von PubMatic, erklärt: „Man möchte hochwertige Kopfhörer der Marke X verkaufen, doch das breite Angebot von Kopfhörern unterschiedlichster Marken und Preisklassen führt dazu, dass mein Angebot nicht wahrgenommen wird und in der Werbewelt untergeht. Hier kommt der Werbekanal Retail Media ins Spiel. Dieser macht die Marke nicht nur sichtbar, sondern bietet auch die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem Werbeaufwand signifikant mehr Umsatz zu generieren.“ Retail Media erweist sich somit als effektive Möglichkeit, in einer überfüllten Werbelandschaft aufzufallen.

Connected TV & Audio

Auch wenn Werbung im klassischen Fernsehen den Markt dominiert, wird angesichts veränderter Sehgewohnheiten Connected TV (CTV) zunehmend wichtiger – mit Werbung in Inhalten, die per Streaming auf entsprechende Geräte wie Fernseher oder Smartphone kommen. CTV bietet zudem die Möglichkeit, den Erfolg von Werbekampagnen genauer zu messen und zielgerichteter zu werben.

Und auch Radiowerbung bleibt im Fokus der Werbetreibenden, insbesondere aufgrund der weiter wachsenden Beliebtheit von Podcasts. „Radioanbieter haben es verstanden, ihren Hörern passenden Audio-Content auch im digitalen Raum anzubieten“, sagt Cord Hollender, Geschäftsführer des Audiovermarkters RMS. Im deutschsprachigen Markt gibt es inzwischen mehr als 80 000 eigenständige Podcasts. Diese bieten eine breite Auswahl an thematischen Audioumfeldern und eine weniger störende Werbeumgebung, so Hollender unter Berufung auf die RMS-Podcast Studie.

Die Werbelandschaft entwickelt sich rasch weiter, geprägt von Daten, KI, Social Commerce und innovativen Werbeformaten. Diese Trends ermöglichen kreativere und zielgerichtetere Werbestrategien, erfordern jedoch gleichzeitig die Beachtung ethischer und rechtlicher Aspekte. Zu den ethischen Fragen gehört dabei auch der ökologische Fußabdruck. Unternehmen bemühen sich zunehmend, umweltfreundlichere Praktiken in der Werbung zu nutzen, um diesen zu verringern und Verantwortung zu übernehmen. Nachhaltige Werbung wird immer häufiger als wesentlicher Bestandteil der zukünftigen Werbelandschaft angesehen. Das betrifft dann auch die Integration von Werbemaßnahmen und Marketingstrategien in den gesamten Prozess der Lieferkette.

Unter www.ki-marketing.com veröffentlicht der Journalist Helmut van Rinsum einen informativen Newsletter zum Thema „KI im Marketing“. Wo und wann Podcasts gehört werden und wie ihr Publikum es mit Werbung hält, erfahren Sie in einer RMS-Podcast-Studie. Einen guten Einblick über Retail Media gibt die Otto Group. Das Unternehmen hat eine Abteilung dieses Namens, die allein für diese Werbegattung zuständig ist. Vom 12. bis zum 13. März trifft sich die internationale Digitalbranche aus dem Bereich Programmatic Advertising zur d3con.


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