Bei der Award-Verleihung sagtest du in einem Videostatement, du nähmest wahr, dass Hamburg euch schätzt. War das schon immer so, oder musstet ihr euch diesen Ruf erst erarbeiten?
Philipp Westermeyer: Wir mussten uns erst mal eine gewisse Relevanz erarbeiten, damit uns in Hamburg überhaupt jemand wahrnahm. Als wir dann so langsam größer und sichtbarer wurden, hat uns das Team im Medienamt unter der Leitung von Carsten Brosda damals unterstützt. Es hat das Wachstum begleitet, war seitdem immer ansprechbar und hat sich hinter uns gestellt. Das habe ich nie für selbstverständlich gehalten.
Ein Hauptproblem, das viele Unternehmen der Handelskammer nennen, ist der Fachkräftemangel. Seid auch ihr davon betroffen?
Dauerhaft kannst du nur mitspielen, wenn du ein profitables Geschäftsmodell hast.
Eigentlich nicht. Unsere Fachkräfte stammen aus Berufsgruppen wie Grafik, Redaktion, Marketing, Softwareentwicklung, Verkauf. Da gibt es zum Glück in Hamburg nach meiner Wahrnehmung keine so krasse Knappheit.
Auf welchen Gebieten hat Hamburg als Start-up-Standort noch Nachholbedarf?
Ich glaube, was Hamburg in den letzten Jahren fehlte, sind die ganz großen Erfolge. Die führen dazu, dass mit dem verdienten Geld wieder die nächsten Start-ups finanziert werden, wodurch ein ganzes Ökosystem angefeuert wird. Wenn so was länger nicht passiert, dann steht eine Generation ohne die Business Angels, ohne die Vorbilder, ohne die Geldgeber da.
In jüngster Zeit gab es bei uns in Hamburg eher weniger Erfolge. In München zum Beispiel existieren zusätzlich deutlich Start-up-freundlichere universitäre Strukturen, die direkt zur Gründung führen können. Unter anderem das hat dazu geführt, dass dort in den letzten Jahren bestimmt vier, fünf, sechs Milliarden-Unternehmen entstanden sind. Mit all den Effekten, die ich gerade beschrieben habe.
2020 musste euer Festival durch Corona ausfallen. Dadurch wart ihr zum Pivoting gezwungen – also zu strategischen Drehmanövern. Hättet ihr ohne eure schnelle Neuausrichtung heute auch 400 Mitarbeitende statt damals 150?
Philipp Westermeyer (45) startete seine Karriere im Jahr 2005 bei Gruner+Jahr als Vorstandsassistent. Danach war er Mitgründer zweier Firmen, die jeweils nach ein paar Jahren an Ex-G+J-Tochter Ligatus respektive Zalando verkauft wurden. 2011 rief er mit Freunden die Messe „Online Marketing Rockstars“ ins Leben. Aus anfänglich 200 Gästen wurden rund 70 000. Veranstalterin des Festivals ist die ramp106 GmbH, die sich selbst als die „größte Wissens- und Inspirationsplattform für die Digital- und Marketingszene in Europa“ bezeichnet.
Wahrscheinlich nicht. Dass wir nicht alles stillgelegt haben, um erst mal abzuwarten, hat uns jetzt aus langer Sicht weitergebracht. Ich hätte mir das Ganze sicherlich nicht gewünscht, und es waren auch harte Jahre; aber ich glaube, wir haben die mit neuen Geschäftsfeldern wie unseren Software-Bewertungen – den „Reviews“ auf der Website OMR.com – gut genutzt.
Das Wort „innovativ“ taucht häufig im Zusammenhang mit OMR auf, auch in der Award-Laudatio von Norbert Aust. Setzt euch das unter Druck? Zwingt es euch, ständig etwas Neues zu machen?
Am Anfang war das vielleicht ein bisschen so. Aber mittlerweile, finde ich, haben wir viele gute Sachen gemacht, und ich habe mich vom Innovationsdruck emanzipieren können. Und am Ende ist eins entscheidend: der wirtschaftliche Erfolg. Innovation hin oder her – dauerhaft kannst du nur mitspielen, wenn du ein profitables Geschäftsmodell hast. Innovation ist da nur ein Zwischenschritt.
Das ist mir vielleicht auch wegen der Pandemie noch mal klar geworden. Mir geht es jetzt noch stärker um Langfristigkeit. Viele Firmen, die primär als innovativ gefeiert wurden, gibt es zum Teil gar nicht mehr oder die haben es dann irgendwann schwer. Wir haben drei, vier coole Sachen vorgelegt, die ganz gut funktionieren. Jetzt geht es darum zu zeigen, dass es auch auf Strecke erfolgreich ist.
Ist mit 70 000 Gästen beim OMR-Festival die Schmerzgrenze erreicht? Oder gibt es noch Luft nach oben?
So wie es aktuell gebaut ist, ist die natürliche Grenze erreicht, einfach weil die Räumlichkeiten der Messe in Hamburg das vorgeben. Da kann man jetzt nicht mehr viel machen. Aber es gibt natürlich schon die Möglichkeit, noch zusätzliche Räumlichkeiten, zum Beispiel im CCH, dazu zu nehmen.
Mir geht es jetzt noch stärker um Langfristigkeit.
Gleichzeitig müssen das viele Parteien auch wollen. Dazu zählt die Stadt. Wir reden da auch von einer Straßensperrung, die, vorsichtig formuliert, bei einigen Anwohnenden für Nachfragen sorgt. Und du brauchst eine Hotellandschaft, die das auffängt – zu moderaten Preisen. Da sind wir in Gesprächen und loten das gerade aus.
Es gab ja einige Medienresonanz auf den „Hamburg 2040“-Podcast mit Malte Heyne, in dem ihr darüber gesprochen habt, dass der Hafengeburtstag vielleicht so eine Art Oktoberfest Hamburg werden könnte, mit internationaler Strahlkraft. Hat sich diese Idee seitdem verfestigt?
Nicht konkret. Ich finde es auch jetzt mit ein paar Monaten Abstand eigentlich schon gut, darüber nachzudenken. Aber das ist ja ein bestehendes Event mit bestehenden Strukturen. Da gehöre ich nicht dazu und will mich auch nicht aufdrängen.
Eine der meistgestellten Fragen stelle ich dir zum Schluss. Gibt es Neuigkeiten zum Fernsehturm? Du gehörst zum Betreiberkonsortium, das ihn wiedereröffnen will.
Es gibt keine ganz großen Neuigkeiten, aber immer mal wieder kleine Durchbrüche. Am Ende ist es aktuell ein Projekt der Deutschen Funkturm (DFMG) und der Stadt als Geldgeber. Wir als Teil des Pächterkonsortiums sind erst mal in der Rolle des Wartenden. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass das Projekt meine Rente absichern wird. Aber noch hat sie nicht angefangen.
„Als ich 2020 das OMR-Festival absagen musste, war ich teilweise den Tränen nahe“
2021 berichtete Philipp Westermeyer in einem Titelinterview der HW darüber, wie seine Firma den Corona-bedingten Ausfall des OMR-Festivals 2020 überstand. Weitere Themen: Personal Branding, Erfolgsmedium Podast, Hamburg als Digitalstadt.