
Künstliche Intelligenz (KI) erzeugt Begeisterung, aber auch Stress. Die Unternehmensberatung McKinsey errechnete ein Produktivitätspotenzial von bis zu 4,4 Billionen US-Dollar jährlich durch generative KI – das gesamte Bruttoinlandsprodukt Japans. Diese Zahl von 2023 zitierte Kathrin Haug, Vizepräses der Handelskammer, in ihren Begrüßungsworten. Doch wie soll man mitmachen, wenn man keine Ahnung hat? Ist KI überhaupt etwas für mein Unternehmen? Und wurden wir Deutsche und Europäer nicht schon längst von den USA sowie China abgehängt?

Auch der siebte Hamburger KI-Summit diskutierte diese großen Fragen, machte aber vor allem Mut, sich viele innovative KI-Anwendungen aus Hamburg, Deutschland und Europa anzusehen und auszuprobieren. Die Veranstaltung motivierte durch zahlreiche Workshops und Breakout-Sessions, Ideen für eigene KI-Aktivitäten im Unternehmen zu entwickeln.
Was der mit 380 Teilnehmenden ausgebuchte Summit verdeutlichte: Wer am Schwungrad in Konzernen oder großen Organisationen dreht, muss die KI-Transformation von Anfang bis Ende denken. Und man muss alle im Unternehmen mitnehmen, denn „KI ist kein technologisches, sondern ein organisatorisches, ein Change-Thema“, sagte Keynote-Speaker Christian Rammig, Geschäftsführer der Otto Group-Tochter data.works. „Es betrifft alle Menschen und die Prozesse, wie man miteinander interagiert. Entsprechend muss man KI verankern und es nicht als reines Tech-Thema sehen.“
Rammig berichtete von „KI in der Praxis – Anwendungen aus dem E-Commerce“ seines Unternehmens. 30 000 Mitarbeitende nutzen dort mittlerweile ogGPT, einen internen KI‑Assistenten und Chatbot, der sicher, datenschutzkonform und effizient auf interne Informationen zugreifen und sie nutzen lässt. KI ersetzt oder verändert bei Otto viele Produktionsprozesse, die früher „manuell“ getätigt wurden. Vom Foto-Shooting auf den Seychellen über die Fehlerkorrektur bei Produkttexten bis hin zu KI-Shopping-Assistenten, dem neusten Hype-Thema des E-Commerce. Dabei führt ein digitaler Berater die Kundschaft durch den Auswahl- und Bestellprozess.
Dennoch wird unsere Welt in Zukunft nicht weniger emotional sein, wie Rammig betont: „Bei KI wird viel davon geredet, wie viel Ersparnis, wie viel mehr Produktivität sie generiert. Im Customer Care kann man aber nicht alles automatisieren. Der Faktor Mensch lässt sich nicht herauskürzen. Auch wenn die ganzen Hypes aus dem Silicon Valley dies teilweise versprechen – was auch damit zu tun hat, dass man dort entsprechende Produkte verkaufen will.“
Große Chance für das demokratische Europa
Ein KI-Ansatz mit dem Menschen im Mittelpunkt kann gar zur großen Chance für das demokratische Europa werden, wie Alois Krtil, CEO vom Artificial Intelligence Center Hamburg e. V., in seiner Eröffnungsrede betonte: „Gerade in der jetzigen geopolitischen Situation sehen wir, dass der menschzentrierte KI-Ansatz wirklich ein Alleinstellungsmerkmal werden kann. Dass es nicht nur darum geht, Riesenmetriken und Brute-Force-Varianten nach vorne zu bringen – also immer größere Modelle, immer mehr Daten, immer mehr Anwendungsfälle –, sondern dass es auch um Qualität geht.“ Krtils ARIC e. V., der ganzjährig an der Digitalisierung Hamburgs und der Förderung von KI-Aktivitäten arbeitet, und die Handelskammer wollen ihre Zusammenarbeit in Zukunft noch intensiver gestalten, was mit einem symbolischen Handschlag auf der Bühne besiegelt wurde.

KI-Mastermind Krtil war zudem sehr zufrieden mit vielen guten Nachrichten, die zuletzt aus Europa kamen. „Ich habe vor einem Jahr hier noch nicht zu träumen gewagt, dass wir in eine Zeit kommen – über die vergangenen zwölf Monate –, in der wir so viele signifikante positive Nachrichten aus der europäischen KI-Community hören.“ Mittlerweile machen sich immer mehr Europäer und auch deutsche Unternehmen unabhängig von KI-Angeboten aus Übersee – und erhalten für ihre Ideen auch im Silicon Valley teilweise Milliardenbewertungen. Es gebe keinen Grund, sich klein zu machen, so Alois Krtil.
Staatsrat Jan Pörksen, Chef der Senatskanzlei und des Personalamtes sowie verantwortlich für Digitalisierung in Hamburg, freute sich in seiner Ansprache nicht nur über die erfreuliche gegenwärtige Dynamik der Digitalwirtschaft in „unserer Stadt der kurzen Wege“, sondern auch über Erfolge in der Verwaltung durch hier entwickelte KI-Anwendungen: „LLMoin, unser eigenes Large Language Model, haben wir in kürzester Zeit ausgerollt in der gesamten Hamburger Verwaltung. Und jetzt kommen die anderen Bundesländer und sagen: Das wollen wir auch haben.“

LLMoin unterstützt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hansestadt bei Textgenerierung, Recherche, Zusammenfassung und Auswertung von Dokumenten. Mittlerweile, so Pörksen, arbeite man an einem Wohngeld-Chatbot. Am Ende des Gespräches mit jenem Bot werde der fertige Wohngeldantrag stehen. Auf ähnliche Prozesse dürfen sich Bürgerinnen und Bürger perspektivisch auch bei anderen Formalitäten freuen, denn „24 Seiten Elterngeldantrag“, so Pörksen, seien für alle Beteiligten frustrierend.
Neben solch großen Projekten können aber auch Nicht-Techies mittlerweile an KI-Anwendungen arbeiten und sogar eigene Apps entwickeln. Wie das geht, verdeutlichte Software-Entwicklerin Sonja Dörband in ihrem Workshop „Vom Prompt zur eigenen App – Warum jede Idee jetzt eine Chance bekommt“. Darin konnte man erfahren, dass wir alle ab sofort eigene Tech-Produkte als Prototypen entwickeln oder gar zur Marktreife führen können, selbst wenn man noch nie programmiert hat. Auch dies lässt sich im Dialog mit intelligenten Kodierungs-Tools lösen. Man braucht also nur noch eine gute Idee, die man mit dem KI-Assistenten diskutiert und zum Produkt entwickelt. „Die coolste Programmiersprache derzeit ist Englisch“ lautete dazu ein Zitat im Seminar und man könnte es lokal abwandeln in: „Moin Hamburg, lass mal mit KI programmieren!“
KI-Kompass der Kammer
Die Handelskammer Hamburg baut derzeit ihre KI-Angebote stark aus. Zum Beispiel wurde im August 2025 der KI-Kompass für Hamburger Unternehmen veröffentlicht,
