Funktioniert Einzelhandel auch ohne Web-Shop?

Thomas Wegmann, Geschäftsführer Ladage & Oelke GmbH, und Henning Schmidt, Prokurist HTS Hamburger Teespeicher GmbH, antworten kontrovers in der Rubrik „Pro & Kontra“.
Getty Images / ipopba
 

Von Frank Schlatermund, 25. Juli 2023 (HW 4/2023)

PRO

Kundennähe ist wichtig.

Thomas Wegmann (55), Geschäftsführer Ladage & Oelke
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Martin Smolka
Thomas Wegmann

Wir sind die vergangenen 177 Jahre ohne Web-Shop ausgekommen. Unsere Kernkompetenz ist die Beratung, und die lässt sich trotz aller technischen Möglichkeiten und Künstlicher Intelligenz nicht zufriedenstellend virtuell erbringen. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes „nah“ am Kunden dran: wenn Maße genommen, Sitz und Optik der Kleidung optimiert werden. Diese Nähe ist für eine gute Beratung unumgänglich, auch um herauszufinden, was ihm wichtig ist und wie seine Gewohnheiten sind. Nicht jeder Stoff, nicht jedes Kleidungsstück ist für jeden „Einsatz“ geeignet.

Die Kunden wollen unser Sortiment sehen, fühlen und auch riechen. Eben ein Einkaufserlebnis mit allen Sinnen genießen. Hinzu kommt ihr subjektives Gefühl. Jeder definiert für sich selbst, was zu eng ist oder zu weit, die Körperhaltung ist stets individuell und beeinflusst die Passform. Hier können wir beraten und dafür sorgen, dass der Kunde in seiner Kleidung gut aussieht und sich den ganzen Tag über wohl darin fühlt.

Natürlich hat der Handel im Internet seine Berechtigung. Aus meiner Sicht vor allem überall dort, wo es darum geht, ein Produkt auf eine möglichst unkomplizierte Art zum bestmöglichen Preis zu erwerben. Oder dort, wo es um „Special Interests“ geht. Die Gefahr für den Handel besteht hier aber in der Preisfalle: Der Kunde kauft bei gleicher Verfügbarkeit immer dort, wo es am günstigsten ist. Hier ist die Transparenz des Internets Fluch und Segen zugleich.

Seit Anfang des Jahres bieten wir die Möglichkeit, unseren Dufflecoat, den sogenannten „Hamburger Mantel“, online zu kaufen. Hiermit reagieren wir aber letztendlich auf eine ohnehin bestehende, stetige Nachfrage, bieten also „nur“ den Service einer vereinfachten Kaufabwicklung. Am liebsten kaufen die Kunden ihren Dufflecoat allerdings hier bei uns vor Ort.


KONTRA

Ein Web-Shop bietet Mehrwert:

Henning Schmidt (49), Prokurist HTS Hamburger Teespeicher
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privat
Henning Schmidt

Noch funktioniert der Einzelhandel auch ohne Web-Shop, aber in wenigen Jahren wird es vermutlich keine Geschäfte mehr geben, die ihre Waren parallel nicht auch online anbieten. Warum sollte man auch auf diese Möglichkeit verzichten, die eigene Bekanntheit zu steigern? Aber auch die Kunden und vor allem die potenziellen Kunden profitieren von unserem Web-Shop. Sie können sich unverbindlich einen Überblick über unser Sortiment verschaffen und wissen dann vor Ort im Geschäft schon genau, was sie wünschen.

Da wir ein Spezialitätengeschäft sind, kommen sie teilweise von weit her und freuen sich, wenn sie sich ihren Lieblingstee auch bequem nach Hause liefern lassen können. Sie kommen dann nur noch gelegentlich ins Geschäft in Volksdorf, um sich inspirieren zu lassen. Ohne Web-Shop und Versandmöglichkeit würde der Umsatz dieses größeren Einzugsgebietes teilweise wegfallen. In unserer Branche sind das Schnuppern und Ansehen – und bei Geschirr auch das Anfassen – übrigens sehr wichtig, was über eine Internetseite so nicht möglich ist.

Insgesamt sind die Ansprüche der Kunden bezüglich Erreichbarkeit und Produktinformationen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Durch den Web-Shop ist unser Sortiment mit ausführlichen Beschreibungen immer einsehbar, und eventuell verbliebene Fragen zu den Tees können sie per E-Mail sofort „loswerden“. Der Umsatz im stationären Handel ist in vielen Branchen rückläufig. Da bietet das Online-Geschäft eine willkommene Möglichkeit, ihn bei teilweise gleichbleibenden Fixkosten zu steigern, dadurch die Margen zu verbessern und mehr Gewinn zu erzielen.

Wir als Hamburger Teespeicher freuen uns, unseren Kunden 24 Stunden am Tag die Möglichkeit zu geben, in Ruhe von zu Hause aus unser Sortiment kennenzulernen und auch zu bestellen. Der Kauf im Geschäft ist dann „nur noch“ das i-Tüpfelchen für die Kundenbindung.


Die Wurzeln des Online-Handels oder E-Commerce liegen in den 1960er-Jahren, als die ersten elektronischen Datenübertragungstechnologien entwickelt wurden. In den 1980er-Jahren boten Unternehmen wie CompuServe, damals das weltweit größte Online-Portal, bereits eine elektronische Form des Einkaufens an. Der eigentliche Boom des elektronischen Handels begann in den 1990er-Jahren mit der Erfindung des World Wide Web durch den britischen Physiker Timothy John Berners-Lee im Jahr 1989 und der Öffnung des Internets für die breite Öffentlichkeit. Vor allem Amazon, 1994 als reine Online-Buchhandlung gestartet, und die ein Jahr später gegründete Plattform eBay gelten bis heute als die Pioniere des E-Commerce.

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