Demokratie, Innovation und Hafen fördern

Im „Hamburg 2040“-Podcast spricht Präses Prof. Norbert Aust mit Handelskammer-Haupt­geschäftsführer Dr. Malte Heyne über die Herausforderungen der kommenden Jahre.
Isadora Tast
Prof. Norbert Aust wurde im Jahr 2020 zum Präses der Handelskammer gewählt und 2024 in diesem Amt  bestätigt.

Fotos von Isadora Tast, 7. Juni 2024 (HW 3/2024)

Malte Heyne: Herzlichen Glückwunsch zu deiner überzeugenden Wiederwahl zum Präses! Wie fühlst du dich in dieser alten neuen Rolle?

Norbert Aust: Darüber habe ich mich sehr gefreut. Das Ergebnis ist Herausforderung und Ansporn zugleich.

Was motiviert dich, dich in der Handelskammer noch einmal so stark zu engagieren und hier was Neues aufzubauen?

Ein ausführlicheres Gespräch zwischen Norbert Aust und Malte Heyne finden Sie im „Hamburg 2040“-Podcast“. Für dieses Format wurde der Wortlaut redaktionell bearbeitet und stark gekürzt.

Wir sind vor vier Jahren mitten in der Corona-Zeit gestartet und mussten zunächst diese Krise bewältigen. Dann kamen die nächsten Krisen, die Ukraine- und die Energiekrise. Und heute sieht es in der Welt auch nicht besonders gut aus. Ohne neue Kandidatur hätte ich das Gefühl gehabt, das Feld vorzeitig zu räumen.

Du warst viele Jahre Hochschulpräsident, hast dich dann aber für eine Unternehmensgründung entschieden. Hast du ein unternehmerisches Credo, das du jungen Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben kannst?

Das Erste ist natürlich, mutig und neugierig zu sein, an gute Ideen zu glauben, sie weiterzuentwickeln und bereit zu sein, sie auch umsetzen zu wollen. Das kann dann dazu führen zu sagen: Ich riskiere es, mache mich selbstständig und gründe ein Unternehmen. Wir haben ja gerade hier in der Kammer den „Cheftreff“ gehabt.

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Isadora Tast
 

Was ich da erlebt habe, war schon begeisternd: 3500 junge Menschen, die sich für Unternehmerschaft interessieren, die selber was machen wollen. Diese Bereitschaft und das Engagement müssen viel mehr unterstützt und gewürdigt werden. Wir als Kammer sind ja gerade dabei, diese Unterstützung weiter auszubauen.

Mit unserer Zukunftsinitiative „Hamburg 2040 – Wie wollen wir künftig leben und wovon?“ haben wir in den vergangenen Jahren versucht, einen klaren Kurs festzulegen. Wie geht es weiter damit?

Wir haben damit schon eine Menge bewegt. Mit dem neuen Plenum und dem Präsidium werden wir jetzt einen Relaunch durchführen, aber auch neue Ideen entwickeln. Aber es reicht nicht, sich Gedanken zu machen, wie wir künftig leben wollen. Der entscheidende Teil ist: WOVON wollen wir künftig leben?

Damit sich Wirtschaft, Gesellschaft und Stadt weiterhin gut entwickeln, müssen die Rahmenbedingungen gegeben sein, damit die Unternehmen die notwendigen finanziellen Mittel erwirtschaften können. Also mehr Gestaltungsfreiheit und weniger bürokratische Hemmnisse, keine Verbotskultur, mehr Ermöglichungskultur.

In Hamburg stehen eine Reihe richtungsweisender Wahlen an. Hat dich das auch motiviert, als Präses noch mal richtig Einfluss zu nehmen?

Als Kammer müssen wir uns natürlich auf das Gesamtinteresse der Wirtschaft konzentrieren. Aber ich sehe tatsächlich große Gefährdungen für unsere Demokratie und unseren Sozialstaat, der Entfaltungsfreiheit garantiert und den Einzelnen in den Mittelpunkt stellt. Das zu erhalten, muss unser aller Aufgabe sein. Das fängt an mit der Europawahl im Juni. Europa ist für mich unverzichtbar. Es ist wichtig, dass die demokratischen Kräfte in Europa gestärkt werden, dass die Einheit Europas weiterentwickelt wird.

Bei aller Kritik, die man natürlich an der europäischen Bürokratie haben kann. Auch die Bezirkswahlen sollten wir nicht unterschätzen. In den Bezirken werden maßgebliche Entscheidungen getroffen, etwa zu Baugenehmigungen. Ich kann nur jeden auffordern, zur Europawahl zu gehen und dabei auch die Bezirkswahlen ernst zu nehmen. Und die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 wird eine Richtungswahl werden, die bundesweit maßgeblichen Einfluss haben wird.

Was heißt das für uns als Handelskammer? Welche Themen werden bei den Wahlen entscheidend sein?

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Isadora Tast
Malte Heyne (li.) im Gespräch mit Norbert Aust

Die Herausforderung durch den Klimawandel ist eine zentrale Frage für die Gestaltung unserer Zukunft. Die Verbindung von Wettbewerb und Klimaschutz ist für uns eine ganz wichtige, auch ökonomische Klammer. Wenn wir Geschäftsmodelle entwickeln, die wir auch verkaufen können, dann tun wir gleichzeitig eine Menge für den Klimaschutz, für unsere Gesellschaft und für unsere Stadt. Unser Kongress mit der Europäischen Kommission und Frau von der Leyen hat deutlich gezeigt, dass wir auch in Hamburg bis 2040 klimaneutral werden können, dafür aber die Unternehmen und die Politik überzeugen müssen, mit uns diesen Weg zu gehen.

Das zweite Thema ist Künstliche Intelligenz, die maßgeblich den Wirtschaftsprozess steuern wird. Auch das Thema Mobilität wird immer wichtiger. Wie ordnen wir uns da als Kammer ein? Was können wir tun? Welche neuen Verkehrsträger kann man favorisieren und unterstützen? Als Kammer müssen wir auch aufzeigen, welche Chancen wir in Zukunft haben, ob bei erneuerbaren Energien, KI oder Fachkräften. Das ist insgesamt ein langfristiger Prozess, der nicht abhängig sein darf von kurzfristigen Entscheidungen in der Politik.

Was muss in Hamburg getan werden, um die richtigen Weichen für die Wirtschaft zu stellen?

Wie schon gesagt, wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, aber auch Investitionen in die Zukunft. Wir haben ja schon in der Jahresabschlussveranstaltung der VEEK Sonderinnovationszonen mit weniger bürokratischen Hemmnissen sowie eine Innovationsmilliarde vorgeschlagen, um Neues entwickeln zu können. Ich setze da sehr auf die Wissenschaft und ihre Verbindung mit der Wirtschaft. Die Wissenschaft hat gute Lösungen, die zur Verfügung gestellt werden müssen, damit sie von der Wirtschaft umgesetzt werden können.

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Isadora Tast
 

Deine Forderung nach einer Innovationsmilliarde hat ja einige Wellen geschlagen. Aber noch ist nichts passiert. Ich glaube, es wird entscheidend sein, dass wir das auch zum Bürgerschaftswahlthema machen, weil es ein richtungsweisendes Thema ist. Das Problem ist natürlich, dass Innovationspolitik nie so massenwirksam ist wie Staus oder Anwohnerparken. Wie ändern wir das?

Wir kommen um die Diskussion nicht herum. Das ist ein Thema der gesamten Gesellschaft. Eine gesunde gesellschaftliche Entwicklung beginnt mit einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung in Schule und Universität. Wenn wir eine zukunftsfähige und innovative Wirtschaft wollen, dann müssen auch die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Viele sagen ja beim Thema Hafen: „Das ist von gestern. Innovation ist etwas anderes. Wir wollen in Köpfe statt in Container investieren“. Was hältst du davon?

Der Hafen ist für Hamburg unverzichtbar! Es geht darum, welche Wertschöpfung wir im Hafen schaffen. Schon immer werden dort Waren umgeschlagen, hergestellt, veredelt oder weiterentwickelt. Unser Hafen ist eines der größten zusammenhängenden Industriegebiete Europas.

Eine gesunde gesellschaftliche Entwicklung beginnt mit einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung in Schule und Universität.

 

Dort können sich neue Unternehmen ansiedeln, die sich mit Erneuerbarer Energie befassen und als Folge daraus entwickeln. Oder die Ansiedlung eines Elektrolyseurs oder anderer neuer zukunftsgerichteter Technologien. Auf den Containerumschlag können wir nicht verzichten. Die Ausrichtung als Universalhafen ist eine der größten Stärken unseres Hafens, aber diese muss weiterentwickelt und zukunftsfähig gemacht werden.

Was müsste aus deiner Sicht im Hafen geschehen?

Der Hafen hat ein Flächenproblem. Wir brauchen Flächen, damit sich neue Industriebetriebe ansiedeln können. Und vielleicht ist es auch sinnvoll, den Hafen in Richtung Westen ganz neu zu ordnen, auch im Sinne einer zukünftigen Stadtentwicklung. Die Westerweiterung wird schon lange diskutiert, ich glaube nur, man muss das grundsätzlich angehen. Vor allem müssen wir aber endlich auch mal groß denken, und nicht immer nur versuchen, in kleinen Schritten voranzukommen.

Die Handelskammer und der Unternehmensverband Hafen Hamburg haben ja vorgeschlagen, auch den ehemaligen mittleren Freihafen großflächig zu entwickeln.

Ja. Fläche im Hafen kann man schaffen, wenn man zum Beispiel nicht mehr genutzte Hafenbecken zuschüttet. Auch das Mühlenberger Loch war ja eine Infrastrukturmaßnahme und ist heute mit Airbus eine große Erfolgsstory. So etwas könnte man im Herzen des Hafens erneut versuchen. Hier haben wir die einmalige Möglichkeit, in wirklich großem Maßstab auf der grünen Wiese zu planen und damit auch interessante Investoren nach Hamburg zu locken. Die Möglichkeiten, die dieses Areal bietet, sind vielfältig: von einem neuen Container- oder Multipurpose-Terminal bis hin zu innovativen Ansiedlungen aus dem grünen Bereich. Aber wir müssen diese Chance nutzen, statt die Fläche nur zu kleinteilig zu entwickeln.

Wir haben ja das Thema Effizienz im Containerumschlag, der Hamburger Hafen ist zu teuer. Ist der MSC-Einstieg bei der HHLA die Lösung?

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Isadora Tast
 

Das ist vielleicht ein Anfang, der Versuch, mehr Effizienz im Hafen zu erreichen. Insgesamt wird das aber nicht reichen.

Was müsste getan werden?

Wir müssen mehr Wettbewerb in den Hafen bringen und eine Veränderungsbereitschaft erzeugen. Das geht nur, indem man neue Unternehmen auf neuen Flächen ansiedelt und vielleicht sogar ein neues Terminal baut. Denn die jetzigen Terminals liegen technologisch offenbar weit hinter denen in Rotterdam und Antwerpen.

Wasserstoff, KI in der Logistik, autonome Mobilität: Bei all diesen Themen, die auch den Hafen betreffen, hat Hamburg große Stärken, auf denen wir aufbauen können. Aber dafür brauchen wir Fachkräfte. Wo würdest du da gerne Schwerpunkte setzen?

Wir brauchen Arbeitskräfte in allen Bereichen. Aber wir müssen sie auch irgendwie unterbringen. Von dem Projekt, jedes Jahr 10 000 neue Wohnungen zu bauen, ist leider wenig übriggeblieben. Viele Menschen können deshalb nicht nach Hamburg kommen. Und andere ziehen weg, weil sie sich Hamburg nicht mehr leisten können. Wohnungsbaupolitik ist also eines der zentralen Themen. Auch die vielen Verantwortlichen aus dem Immobilienbereich in unserem Plenum beklagen die fehlenden Wohnungen, auch speziell für Azubis.

Ja, früher kam etwa die Hälfte der Azubis aus dem Umland, heute deutlich weniger.

Wir müssen in den Schulen für die berufliche Ausbildung werben und unsere Strategie „Lebenslanges Lernen“ weiter ausbauen. Wir müssen hier Weiter- und Fortbildung betreiben, und wir müssen es jungen Menschen ermöglichen, nach Hamburg zu kommen, auch aus anderen Ländern. Sonst geraten wir schnell ins Hintertreffen. Daher reden wir mit der Bundesregierung über ein gemeinsames Wohnungsbauprogramm. Manche Firmen schaffen jetzt Betriebswohnungen. Doch alle diese Dinge müssen gemeinsam und vor allem mit dem Hamburger Senat auf den Weg gebracht werden.

Welche Schwerpunkte hast du dir für die nächsten Jahre vorgenommen?

Mit unserer Strategie „Hamburg 2040“ sind wir auf einem richtigen Weg, und sie wird einer unserer wesentlichen Orientierungspfade bleiben. Natürlich möchte ich auch gerne die Bedeutung der Kultur in dieser Stadt ein wenig nach vorne bringen. Kultur und Wissenschaft sind das, was Hamburg zu einem Sehnsuchtsort für viele Menschen macht. Das ist eine große Chance für Hamburg insgesamt.

Norbert Aust (81) hat Jura und Volkswirtschaft in Hamburg studiert. Ab 1970 war er an der Hochschule für Wirtschaft und Politik tätig – zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Rektor und von 1980 bis 1992 als Präsident. Dort richtete er den Studiengang „Kultur- und Bildungsmanagement“ ein. Für die Kultur  engagierte er sich auch als Vorstandsvorsitzender des Kampnagel-Trägervereins (1989–1991) und als Mitgründer der Schmidt-Bühnen. Von 2013 bis 2020 leitete er den Tourismusverband Hamburg e. V., seit 2019 ist er Mitbetreiber des PIERDREI-Hotels HafenCity. Norbert Aust ist stellverterender Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburg Marketing GmbH. 2020 wurde er zum Präses der Handelskammer gewählt und 2024 in diesem Amt  bestätigt.

Ich dachte, du sagst jetzt noch mal etwas über Olympia.

Ach so, ja, natürlich. Die Olympischen Spiele wären eine riesengroße Chance gewesen. Aber ich bin nicht sicher, ob es sie künftig noch in der bisherigen, national begrenzten Form geben kann. Das wird sich die Bundesrepublik gar nicht leisten können. Aber ich fände es sehr wichtig, dass sie auch in Europa stattfinden. Eine internationale Bewerbung mit Kopenhagen und Südschweden hätte eine große Chance. Zumal mit der Fehmarnbeltquerung mit Norddeutschland, Dänemark und Südschweden ein ganz neuer Wirtschaftsraum entstehen wird. Die Olympischen Spiele 2040 würden da genau reinpassen.

Noch eine persönliche Frage zum Abschluss. Welche Gedanken hast du zur schwierigen aktuellen Situation? Wie blickst du in die Zukunft?

Trotz allem blicke sehr positiv in die Zukunft – vielleicht auch deswegen, weil ich schon einiges erlebt habe. Etwa den Aufbruch Ende der 1960er-Jahre, als ich hier in Hamburg studiert habe, oder die Wiedervereinigung, die wirtschaftlichen Veränderungen in Europa mit der Einführung des Euro. Zurzeit stehen wir wieder vor einer großen Belastung durch weltpolitische Veränderungen. Das kann einem Angst machen, darf es aber nicht.

Die Begeisterung der jungen, nachwachsenden Generation, die ich zum Beispiel auf dem vorhin erwähnten Cheftreff erlebt habe, lässt hoffen, dass wir die Zukunft und ihre großen neuen Probleme erfolgreich bewältigen können. Und zwar so, dass wir weiterhin eine attraktive und lebenswerte Stadt mit einem Gemeinwesen sowie in Deutschland als auch in Europa sind. Wir wissen nicht, was kommt. Aber ich denke, Achtsamkeit, Resilienz, Vertrauen in die Zukunft und in uns werden uns helfen.

Das ist ein tolles Schlusswort! Ganz herzlichen Dank für diesen Ausdruck, der Mut macht, und für das abwechslungsreiche Gespräch.


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