Viele aktuelle Herausforderungen der Europäischen Union lassen sich in Hamburg als bedeutendem Außenhandels- und Industriestandort wie durch ein Brennglas beobachten. Die wachsenden geopolitischen und geoökonomischen Spannungen, insbesondere zwischen den für Hamburg wichtigsten außereuropäischen Handelspartnern China und den USA, führen zu Verunsicherung bei vielen Unternehmen. Zunehmender Protektionismus gefährdet das sicher geglaubte Postulat des Freihandels. Sorgenvoll richten sich die Blicke auch auf die anstehenden Wahlen in den USA. Gleichzeitig sind die Folgen des russischen Angriffskrieges weiterhin deutlich spürbar.
Weitere Positionen Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und die IHK Nord als Zusammenschluss der Industrie- und Handelskammern in Norddeutschland haben unter Mitwirkung der Handelskammer Hamburg umfangreiche Positionierungen zur Europawahl vorgenommen. Diese finden Sie hier.
Insbesondere hohe Energiekosten belasten die Industrie als Basis unseres Wohlstandes massiv. Die Deindustrialisierung schreitet voran, dabei ist gerade die Industrie maßgeblich für eine widerstandsfähige europäische Wirtschaft und die Verteidigungsfähigkeit der EU. Um den Wohlstand und die Sicherheit Europas zukünftig zu sichern, ist eine zielgerichtetere Politik zur Stärkung der industriellen Basis in der EU erforderlich.
Gleichzeitig hat sich die Europäische Union auf den Weg gemacht, dem Klimawandel, der größten Herausforderung unserer Zeit, entgegenzutreten. In dieser Zeit der immer schneller voranschreitenden gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Umbrüche steht Europa vor Richtungsentscheidungen, die auch die Wahl zum Europäischen Parlament prägen. Die Wahl wird über die zukünftige Stärke der Europäischen Union und ihre Rolle bei der Bekämpfung des globalen Klimawandels entscheiden.
Ein Mentalitätswechsel tut not
Trotz aller Verdienste ist die Kritik an der Europäischen Union groß. Auch die Handelskammer als Gesamtinteressenvertretung der Hamburger Wirtschaft sieht umfangreichen Reformbedarf in verschiedenen Politikfeldern, insbesondere im Hinblick auf die immer weiter wachsenden Bürokratielasten. Beispielhaft zu nennen sind etwa die ausufernden Berichtspflichten im Rahmen der Initiativen aus dem European Green Deal oder dem Net-Zero-Industry-Act, der europäischen Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act, oder bei der EU-Lieferkettenrichtlinie. Wichtig bleiben zudem der Abschluss von Freihandelsabkommen und der Abbau weiterhin bestehender innereuropäischer Handelshemmnisse.
Info-Point Europa Der Info-Point Europa in der Handelskammer stellt allen Interessierten Informationen und Beratung zu europäischen Fragen bereit, etwa zur EU-Gesetzgebung, zu Regelungen für Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz und zu Studienmöglichkeiten in der EU.
Es braucht auf europäischer Ebene nicht weniger als einen Mentalitätswechsel: Weniger verhindern, mehr ermöglichen – weniger Bürokratie, mehr Anreiz. Trotz aller Kritik ist die Handelskammer überzeugt, dass nur eine starke EU die aktuellen Herausforderungen erfolgreich bewältigen kann. Kein Land der Europäischen Union allein wird im Wettbewerb zwischen den USA und China bestehen können. Gleichzeitig bildet der EU-Binnenmarkt eine wesentliche Säule für unseren Wohlstand. Im Jahr 2022 gingen rund 44 Prozent des Gesamtaußenhandels auf den EU-Binnenmarkt zurück. Auch beim Import stellt die EU die wichtigste Herkunftsregion dar. Hier lag der Anteil der Einfuhren aus der EU im Jahr 2022 bei rund 32 Prozent. Hamburger Unternehmen profitierten besonders stark vom freien Handel von Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU.
Weichenstellung für Klimaneutralität
Das ehrgeizige Ziel, die Hamburger Wirtschaft bis 2040 klimaneutral aufzustellen – also zehn Jahre vor der EU –, ist realisierbar: Wie die von der Kammer initiierte Studie der OECD „Climate Neutrality of the Hamburg Economy by 2040“ zeigt, schließen sich Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit nicht gegenseitig aus, sondern bedingen einander vielmehr. Auch die Europäische Union ist bereits auf die Aktivitäten der Handelskammer aufmerksam geworden. So betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Keynote zur Vorstellung der Studie den Vorbildcharakter für ganz Europa.
Damit die gesteckten Ziele erreicht werden können, müssen jedoch auf europäischer und globaler Ebene die Weichen richtig gestellt werden: Den Klimawandel werden wir nur auf supranationaler Ebene begrenzen können. Andernfalls werden wir – Europa, Deutschland und Hamburg – abermals bei Zukunftstechnologien und Innovationen das Nachsehen haben und globalen Trends hinterherlaufen. Die Handelskammer ruft deshalb alle Wahlberechtigten auf, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen und so die Zukunft der EU mitzugestalten.