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„Deutschland tritt wirtschaftlich auf der Stelle. In Produktivität, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit drohen wir den Anschluss zu verlieren.“ Mit diesen drastischen Worten beschreibt das am 13. Dezember 2024 vom Präsidium der Handelskammer verabschiedete Positionspapier zur Bundestagswahl die aktuelle Wirtschaftslage.
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Tatsächlich bereiten die Prognosen keine Freude. Nach einem Rückgang um 0,2 Prozent im Jahr 2024 wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2025 voraussichtlich nur geringfügig wachsen. Aktuell rechnet die Bundesregierung mit 0,3 Prozent – weit weniger als in allen anderen Industriestaaten.
Ursächlich hierfür sind nicht konjunkturelle Schwankungen, sondern „tiefgreifende strukturelle Probleme und Jahre des Stillstands im Inland“, konstatiert die Handelskammer – und fordert von der künftigen Bundespolitik eine Reihe durchgreifender Maßnahmen. Als Grundlage des Papiers diente dabei ein von allen 79 deutschen Industrie- und Handelskammern (IHKs) gemeinsam erarbeitete DIHK-Positionierung.
Aufbauend auf diesen übergeordneten Positionen hat die Handelskammer ergänzend Forderungen entwickelt, die sowohl Hamburg-spezifische Themen als auch bundespolitische Handlungsfelder hervorheben, die aus Sicht der Hamburger Wirtschaft von besonderer Relevanz sind.
Bürokratie und Infrastruktur
Die Bürokratie kostet die deutsche Wirtschaft rund 65 Milliarden Euro im Jahr, erklärte im Dezember der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates Lutz Goebel – und alle deutschen IHKs sind sich einig, dass eine Reduzierung der stetig wachsenden Berichts-, Nachweis-, Statistik- und Dokumentationspflichten von Unternehmen zu den dringendsten aktuellen Aufgaben der Politik gehört.
Das Papier „Ohne Wirtschaft ist alles nichts. Positionen der Handelskammer Hamburg zur Bundestagswahl 2025“ können Sie hier herunterladen. Die „Wirtschaftspolitischen Positionen der DIHK“, die in Zusammenarbeit mit allen deutschen IHKs erstellt wurden, nehmen auf 175 Seiten zu einer Reihe wichtiger politischer Themen Stellung – von der Stärkung des Mittelstands über Steuerfragen bis hin zu Klimapolitik und branchenbezogenen Forderungen. Sie finden die Positionen hier.
Dies beinhaltet auch Folgenabschätzungen und Vorab-Praxischecks für wirtschaftsrelevante Gesetzesvorhaben sowie die Beschleunigung von Plan- und Genehmigungsverfahren. Die Handelskammer schlägt unter anderem eine Stichtagsregelung vor, nach der nach Verstreichen einer zuvor festgelegten Frist keine Einwände gegen Infrastrukturprojekte mehr möglich sind, und betont die Bedeutung einer zügigen Realisierung von A26-Ost und Köhlbrandquerung, der Erneuerung der Elbbrücken und des Schienennetz-Ausbaus, etwa zwischen Hamburg und Hannover.
Energiesicherheit
Die Bundesregierung müsse die Seehäfen als kritische Infrastruktur anerkennen, massiv in ihre Modernisierung investieren und den Hafenlastenausgleich auf mindestens 400 Millionen Euro jährlich erhöhen. Darüber hinaus sei ein zügiger Beschluss des „Reallabor“-Gesetzes gefordert, erklärt das Papier. Es gelte, den Zugang von Unternehmen zu diesen Räumen, in denen sich zukunftsweisende Modelle und Innovationen unter realitätsnahen Bedingungen erproben lassen, einfach zu gestalten und zu fördern.
Einer Aufweichung der Klimaziele erteilt die Handelskammer eine klare Absage. Diese würde „die strukturellen Probleme des Wirtschaftsstandortes nicht lösen“ – und Potenziale und Wettbewerbsvorteile ungenutzt lassen. Für Hamburg bedeute die Energiewende die große Chance, „grüne“ Industrie anzusiedeln und die Stärken des Hafens als Produktions-, Logistik- und Importstandort für erneuerbare Energien auszuspielen. Voraussetzung sei jedoch, „eine sichere und bezahlbare Energieversorgung sicherzustellen“. Neben einer Reduzierung der Netzentgelte ist dafür ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien gefordert, insbesondere der deutschen Windenergiekapazitäten.
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Fachkräfte und lebenswerte Metropole
„Wirtschaftlich notwendige, aber politisch unbequeme Entscheidungen“ wurden in den vergangenen Jahren „aufgeschoben oder nur zögerlich getroffen“, erklärt die Handelskammer – und bezieht klar Stellung: Um den Fachkräftebedarf und die Funktionsfähigkeit der Sozialsysteme zu sichern, müsse das Renteneintrittsalter mittelfristig an die Lebenserwartung angepasst werden. Nötig seien zudem eine Reform des Bürgergeldsystems, „um einen finanziellen Anreiz für die Aufnahme von Arbeit zu schaffen“, und die Vereinfachung des Zugangs ausländischer Fachkräfte zum deutschen Arbeitsmarkt.
Gesellschaftlich weniger umstritten als eine allgemeine Erhöhung der Lebensarbeitszeit dürften einige weitere Maßnahmen sein, die Hamburg als Wohnort und Handelsmetropole stärken sollen. So fordert die Handelskammer unter anderem faire E-Commerce-Regeln, entschlackte Bauvorschriften und eine Automatisierung der Zollabfertigung, aber auch eine Stärkung der Filmförderung durch den Bund und den Ausbau Hamburgs zur digitalen Modellregion im Gesundheitsbereich.
Doch unabhängig davon, welche Forderungen man im Einzelnen teilt: Alle Stimmberechtigten sind aufgerufen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die kommende Wahl ist richtungsweisend für die Zukunft des Landes.
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