3 Fragen an: Kathrin Haug, Expertin für Innovation und Transformation

Die Handelskammer fordert eine „Zukunftsmilliarde“ für die Hansestadt. Innovationen sollen damit gezielt gefördert und Rahmenbedingungen durch Sonderinnovationszonen verbessert werden. Kathrin Haug hat als Leiterin des Handelskammer-Ausschusses für Innovation und Forschung intensiv an der Entstehung des Standpunktepapiers „Zukunftstechnologien für Hamburg“ mitgewirkt. Hier beantwortet sie drei Fragen zu einer zentralen Forderung aus dem Papier.
Volker Strey
 

Das Standpunktepapier „Zukunftstechnologien für Hamburg“ gibt es hier zum Download.

Frau Haug, im Standpunktepapier werden Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz oder autonomes Fahren unter die Lupe genommen und Empfehlungen für den Einsatz in Hamburg gegeben. In sogenannten Sonderinnovationszonen sollen Unternehmen optimale Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Innovationen vorfinden.

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© Hamburger Hochbahn AG
Fahrzeug des autonomen Forschungs- und Entwicklungsprojektes HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation).

Was genau muss man sich unter einer „Sonderinnovationszone“ vorstellen? Gibt es in diesen Zonen keine Regeln?

Doch, selbstverständlich. Die Idee einer Sonderinnovationszone wird unter verschiedenen Namen wie zum Beispiel Förderzone, Modellprojekt oder Reallabor in ganz Europa und auch weltweit in unterschiedlicher Form erfolgreich umgesetzt.

Für Regionen und Städte und somit auch für Hamburg besteht eine große Chance darin, in einem Technologie- und Anwendungsbereich einen Schwerpunkt zu setzen. Um Leuchttürme dieser Art entsteht ein Ökosystem, welches für alle Wirtschaftsbereiche der Stadt durch sogenannte „Spill-over Effekte“ (Übertragungseffekte) sehr positive Auswirkungen hat. Um jedoch in einem technologiebasierten Feld international führend zu werden, sind Geschwindigkeit, Finanzierung und vielfache Vernetzungs- und Umsetzungsformate die Voraussetzung.

In einer Sonderinnovationszone sollen also fördernde Rahmenbedingungen geschaffen und Hindernisse soweit wie möglich reduziert werden, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Regionen herzustellen. Alles selbstverständlich im Rahmen des Bundes- und EU-Wettbewerbsrechts.

Beispiel für Maßnahmen in Sonderinnovationszonen

Themenspezifische Ansiedlungsstrategie für Unternehmen und Start-ups

Bereitstellung von speziellen Flächen zum Testen und für die Umsetzung (Labore, Maschinenparks, Makerspaces)

Organisation von Mentoring- und Vernetzungsformaten

Verkürzte Genehmigungsverfahren oder erleichterte Regulierung

Steuererleichterungen, Zuschüsse, Kreditgarantien

Private Public Partnerships, in denen die Stadt den Rahmen setzt und private Investoren und Unternehmen darin tätig werden

Talent-Fördermaßnahmen für Fachkräfte (Aus- und Weiterbildung, Einwanderung)

Einrichtung eines Themen-Office der Stadt als Ansprech- und Lösungspartner für alle Stakeholder

Welche Maßnahmen zielführend und möglich sind, hängt stark von dem gewählten Innovationsthema ab. Es sollte jedoch eine Strategie des „whatever-it-takes“ verfolgt werden. Das bedeutet, das gemeinsame Ziel wird von allen Stakeholdern der Stadt mit maximal möglichen Maßnahmen und mit mutigen Entscheidungen umgesetzt. Eine halbherzige Realisierung schafft nicht den Rahmen für eine führende Wettbewerbsfähigkeit.

In welchem Bereich in Hamburg könnte man eine Sonderinnovationszone einsetzen? Welches Projekt könnte konkret angegangen werden?

Riesiges Potenzial gibt es im Bereich Nahrungsmittel.

Kathrin Haug

Für die Erarbeitung unseres Standpunktepapiers im Rahmen der Zukunftsstrategie 2040 haben wir  einen sehr substanziellen Ansatz gewählt. Neben einer breiten Trendstudie wurden zahlreiche Expert:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft nach Schwerpunktthemen in Hamburg befragt, die sowohl ein großes Zukunftspotenzial haben als auch auf bestehenden Stärken aufsetzen.

Die Ergebnisse wurden dann zusätzlich in Workshops mit diversen Fachleuten validiert. Als Ergebnis dieses Prozesses sehen wir große Chancen in den Bereichen „autonome Transportsysteme“ und „Datennutzung zur Gesundheitsvorsorge“, jedoch auch bei Themen wie „Sustainable Food“, „neue Materialen“ oder „nachhaltige Logistik“.

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AzmanL/iStockphoto.com
Indoor-Farming-Anlage mit  Salatpflanzen, die von einer Reihe von LED-Lampen beleuchtet werden

Es ist beispielsweise sehr interessant festzustellen, welche großen Veränderungen sich rund um das Thema „Nahrungsmittel“ entwickeln – neue und besonders nachhaltige Produktions- und Verpackungsmethoden, innovative Logistik- und Abfallkonzepte, veränderte Anbaumethoden und innovative Produkte auf Basis von Algen, Insekten, Pilzen und vieles mehr. Hier entsteht ein Ökosystem aus unterschiedlichen alten und neuen Industrien, das sich sehr von den Produktions- und Arbeitsmethoden der Vergangenheit unterscheidet.

Außerdem hat es ein riesiges Potenzial, da zur Erreichung der Klimaziele die Umstellung der Lebensmittelproduktion unabdingbar sein wird (etwa 15 bis 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf Nahrungsmittel zurück). Wir betrachten das Technologiepapier als Anfangspunkt und sehen die nächsten Schritte in einer detaillierten Analyse der ausgewählten oder auch weiterer Themen. Darauf aufbauend, können Wirtschaft und Politik eine zügige Entscheidung treffen.

Wie könnte die Hamburger Wirtschaft in der Zukunft von den Erkenntnissen aus den Sonderinnovationszonen profitieren?

Durch die Einrichtung einer Förderzone mit besonders attraktiven Entwicklungsbedingungen entsteht ein Ökosystem von Wissenschaftler:innen, Tech-Experten, Start-ups, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Fachkräften, die sich in Hamburg ansiedeln. Die Spezialisierung und somit die attraktiven Chancen von relevanten Entwicklungen zieht Kapital von institutionellen und privaten Investoren an und sorgt für internationale Sichtbarkeit.

In anderen Regionen hat sich gezeigt, dass die Übertragungseffekte durch verfügbare Fachkräfte, technologische Expertise, innovative Methoden, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft auf alle Branchen und Sektoren der Stadt positiv wirken.

Förderzonen schaffen eine neue Form der Zusammenarbeit in allen Branchen und Sektoren der Stadt.

Kathrin Haug

Zusätzlich entsteht ein „Reallabor“, in dem getestet wird, wie die Absenkung von bürokratischen Anforderungen und die Schwerpunktförderung wirken und welche positiven Ergebnisse daraus zu realisieren sind. Dies fördert die Technologieakzeptanz der Bevölkerung und kann auch als „Role Model“ für lokale oder bundesweite Projekte dienen.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die Empfehlung für Hamburg nicht die ausschließliche Konzentration auf eine Branche oder ein Technologiethema ist, sondern die Schaffung einer spezialisierten, weltweit relevanten Speerspitze mit positiven Effekten auch für die anderen Wirtschaftssektoren.

Über Kathrin Haug

Kathrin Haug ist Investorin für Start-ups und neue Geschäftsmodelle und berät Führungskräfte zu Transformations- und Change-Themen. Zudem ist die Expertin für Transformations- und Innovationsprozesse Vorsitzende der ReAct-Initiative, einem Zusammenschluss von Top-Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die sich mit der Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Europa beschäftigen und diverse Projekte zu den Themen Talente/Bildung, Innovation/Technologie und Klima/Umwelt initiieren.  Außerdem leitet Kathrin Haug den Handelskammer-Ausschuss für Innovation und Forschung.

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