

Konflikte kaufmännisch zu lösen, hat in Hamburg seit Jahrhunderten Tradition – und die Handelskammer Hamburg bietet der Wirtschaft dabei seit jeher umfassende Unterstützung. Schon seit 1884 besitzt sie ein eigenes Schiedsgericht, und im Februar 2000 richtete sie eine Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte ein. Diese hilft Betrieben seither mithilfe neutraler Dritter („Mediatoren“) bei der freiwilligen, außergerichtlichen Streitbeilegung.
Dabei musste sie zunächst einige Aufklärungsarbeit leisten, um das Prinzip Mediation in der Wirtschaft zu etablieren. „Damals enthielt jede meiner Präsentationen eine Folie mit einem durchgestrichenen meditierenden Guru; einfach um bildlich klarzustellen, dass Meditation absolut gar nichts mit Mediation zu tun hat“, berichtet Christian Graf, der die Gründung in enger Kooperation mit der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer und dem „Hamburger Institut für Mediation e. V.“ (HIM) begleitet hat.
„Wenn ich vor 20 Jahren einen Unternehmensvertreter angerufen und gefragt habe, ob er zu einer Mediation bereit sei, war die Antwort fast immer ,nein‘“, konstatiert der Leiter der Handelskammer-Abteilung „Rechts- und Schiedsgerichtsstandort. „Inzwischen ist die Resonanz auf einen Mediationsantrag meistens sehr positiv.“
Bei Fragen rund um das Thema Konfliktlösung wenden Sie sich bitte an Petra Sandvoß, Leiterin der Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte, 040 36138-343. Die nächste Veranstaltung zum Thema Mediation findet am 8. September in der Handelskammer statt. Weitere Veranstaltungen finden Sie hier. Mehr Informationen rund um die Mediationsstelle erhalten Sie hier.
Schnell und meist erfolgreich
Die Aufklärungsarbeit hat sich also ausgezahlt. Heute lassen es Unternehmer und Unternehmerinnen meist auf einen Versuch ankommen, wenn eine Mediation angeboten wird. Und das aus gutem Grund: Per Mediation lassen sich Streitfragen günstig und vor allem weit schneller als vor Gericht lösen.
Wer eine Mediationsklausel in seine Verträge aufnimmt, kann sich darauf berufen und spart sich damit oft Auseinandersetzungen vor Gericht. Und selbst wenn in der Mediation keine Einigung erzielt wird, hat man nur wenig Zeit verloren.
Die Einigungsquote bei Wirtschaftsmediationen der Mediationsstelle liegt konstant bei 70 bis 80 Prozent, und die Kosten sind häufig geringer als in Gerichtsverfahren. Die mit der Mediation Beauftragten nehmen anwaltsübliche Stundensätze, die etwa 200 bis 350 Euro betragen und die sich die Parteien teilen. Diese behalten dabei volle Verfahrens- und Kostenkontrolle, da sie das Verfahren jederzeit abbrechen können.
Mediation mit Expertise
Ein Grund für die hohe Erfolgsquote ist auch die Expertise der fast 100 Fachleute für Mediation, die bei der Stelle gelistet sind. Sie müssen, so die Anforderung, über eine anerkannte Mediationsausbildung, Wirtschaftserfahrung und Rechtskenntnisse verfügen und sich regelmäßig weiterbilden. Dabei kommen sie aus den verschiedensten Alters- und Berufsgruppen und besitzen völlig unterschiedliche Ausbildungen, Berufswege und Erfahrungen.
Schiedsgericht Das Schiedsgericht der Handelskammer geht auf die lange Tradition der Selbstverwaltung der Hamburger Kaufmannschaft zurück und bildet in Wirtschaftsfragen seit 1884 eine Alternative zu staatlichen Gerichten. Daneben residieren in der Handelskammer noch weitere Schiedsgerichte, etwa die der Logistikbranche. Einen Überblick mit Links finden Sie hier.
„Wir schlagen üblicherweise drei Mediatoren zur Auswahl vor, aus denen die Parteien sich dann jeweils zwei Personen aussuchen. So findet man schnell und unkompliziert ein bis zwei Personen, die beide Beteiligten akzeptieren“, erklärt Matthias Meider aus dem Handelskammer-Team Konfliktmanagement.
Die Beteiligten profitieren dabei auch von den Grundprinzipien der Mediation: Freiwilligkeit, Eigenverantwortlichkeit der Parteien, Neutralität der Mediation und absolute Vertraulichkeit. Die Mediatorinnen und Mediatoren bestimmen den Verfahrensablauf, klären die Interessenlage und erarbeiten Lösungsmöglichkeiten, gegebenenfalls mit Beratung der Parteianwälte. Anders als beim Gericht entscheiden Mediatorin oder Mediator aber nicht für die Parteien.
Sollte die Mediation zu keiner Einigung führen, kann ein Gerichtsverfahren folgen; bei einer Einigung kommt es hingegen zu einem rechtsverbindlichen Vergleich. Die mit der Mediation Beauftragten strukturieren das Verfahren, legen Kommunikationsregeln fest und bringen vielleicht auch mal unbequeme Dinge auf den Punkt. So kommt es nicht selten vor, dass sich die Streitenden zum ersten Mal richtig zuhören. Und in diesem vertraulichen Rahmen kommen bisweilen auch die wahren Hintergründe und Befindlichkeiten ans Licht, die eine Einigung bisher unmöglich machten.
„Wenn Sie wissen, warum Ihr Gegenüber so handelt und was er braucht, um sich zu einigen, können Sie mit diesem Verständnis möglicherweise neue Lösungsansätze vorschlagen oder einen Weg mitgehen, der vorher versperrt war“, erklärt Ann-Kathrin Witte, Mediatorin und Vorsitzende des HIM-Vereins.

Aktuelle Beispiele
Dass diese Prinzipien funktionieren, zeigen aktuelle Fälle. So hatten die fünf Gesellschafter einer IT-Beratungsgesellschaft erhebliche Meinungsverschiedenheiten über die Frage, welche Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens erforderlich waren. Die Verständigung unter ihnen war inzwischen massiv gestört, worunter das gesamte Betriebsklima litt.
Im Rahmen der Mediation, die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfand, kamen alle Themen endlich auf den Tisch und wurden nacheinander besprochen. Dabei erkannten alle schnell, dass die Lebensplanung der beiden Gründer nach fast 30 Jahren eine völlig andere war (und sein durfte) als die der jungen Gesellschafter, die das Unternehmen mit weiteren Investitionen neu positionieren wollten. Im Rahmen der Mediation wurde daher gemeinsam ein Fahrplan erstellt, wie die erforderlichen Investitionen erfolgen können – und wie die Gründer eine neue Stellung im Unternehmen erhalten.

„Dass das Unternehmen den Turnaround geschafft hat, war nur möglich, weil das Mediationsverfahren einen sicheren Rahmen für die Gespräche geboten hat und jeder den Blick des anderen zu respektieren gelernt hat“, erklärt Volkhard Neumann, Rechtsanwalt und Mediator, der diesen Fall der Mediationsstelle übernommen hat.
In einem weiteren Fall stritten sich mehrere Geschwister als Gesellschafter um die Neuausrichtung des Unternehmens, den „Berufseinstieg“ eines Enkelkindes und die Abgabe der Geschäftsführung an eines der Kinder. So einen Streit vor Gericht auszufechten würde Jahre dauern und hätte für Familie und Unternehmen verheerende Folgen. Wirklich gewinnen kann dabei niemand.
Während die Mediationsstelle in den ersten Jahren überwiegend bei innerbetrieblichen Konflikten oder Nachfolgestreitigkeiten angesprochen wurde, sind solche Gesellschafterstreitigkeiten oder Vertragskonflikte heute ebenfalls häufig Thema. Auch Baukonflikte sowie Projekt- und Dienstleistungsverträge bürgen viel Potenzial für Mediationen. Die Anfragen kommen aktuell aus allen Branchen und sind sehr individuell.
Natürlich kann niemand versprechen, dass nach einem großen Streit wieder „Friede, Freude, Eierkuchen“ herrscht. Wenn aber eine Lösung gefunden wurde und die Betroffenen wieder miteinander sprechen, ist oft schon viel gewonnen.
