Die Weichen rechtzeitig stellen

Das eigene Unternehmen ist ein Lebenswerk. Damit es mit dem Eintritt ins Rentenalter nicht verloren geht, ist eine geordnete Übergabe notwendig, bei der auch die Handelskammer mit ihrem kostenfreien Beratungsangebot behilflich sein kann.
Außer Iris Friese (li.), Alexandra Friese und deren Sohn David Hoschke arbeiten noch fünf weitere Familienmitglieder im Modeunternehmen Thomas-i-Punkt mit. Was die Nachfolge betrifft, hat Firmengründer Thomas Friese mit einer Bürgengemeinschaft bereits erste Schritte eingeleitet.
Außer Iris Friese (li.), Alexandra Friese und deren Sohn David Hoschke arbeiten noch fünf weitere Familienmitglieder im Modeunternehmen Thomas-i-Punkt mit. Was die Nachfolge betrifft, hat Firmengründer Thomas Friese mit einer Bürgengemeinschaft bereits erste Schritte eingeleitet.
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Von Undine Gerullis, 28. November 2025 (HW 6/2025)

Ein wenig mehr Zulauf hatte Petra Ptach schon erwartet. Seit Anfang dieses Jahres sucht die Unternehmerin für ihr Geschäft „Frau Vogel“ in Michel-Nähe nach einer geeigneten Nachfolge und hat bislang niemanden mit ernsthaftem Interesse gefunden. Dabei ist der Laden lukrativ und hat in diesem Jahr „das bisher beste Betriebsergebnis in seiner 16-jährigen Geschichte hingelegt“, sagt Ptach. 2008 hat die heute 73-Jährige das Geschäft übernommen und zu einer kleinen Hamburger Institution weiterentwickelt. Nun würde Ptach gern kürzertreten, wenn denn nur eine geeignete Nachfolge in Sicht wäre.

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Karin Gerdes
Seit einem Jahr schon sucht Petra Ptach für ihr Geschäft „Frau Vogel“ in Michel-Nähe nach einer geeigneten Nachfolge.

„Bei einer Unternehmensnachfolge sind Geduld und Ausdauer gefragt“, ist die Erfahrung von Sven Gabriel, der zusammen mit Leo Schumacher bei der Handelskammer rund um dieses Thema berät. „Es kann mehrere Jahre dauern, bis sie geregelt ist.“ Und immer öfter verläuft die Suche – insbesondere im Mittelstand – erfolglos. Dann bleibt nur eines: den Betrieb stillzulegen.

Dieses Schicksal ereilt Firmen laut aktuellem DIHK-Bericht immer öfter. Denn „das Gap zwischen denjenigen, die ihr Unternehmen anbieten, und denjenigen, die eines nachfragen, ist so groß wie nie zuvor“, heißt es dort. Der Bericht fußt auf Zahlen aus 79 Industrie- und Handelskammern (IHK) deutschlandweit. Danach haben sich 2024 rund 10 000 Unternehmer und Unternehmerinnen bei einer IHK beraten lassen, weil sie ihren Betrieb abgeben wollten. Dem gegenüber aber standen nur 4000 Interessierte, die unternehmerisch tätig werden wollten.

Umso eindringlicher der Appell von Sven Gabriel: „Wer darüber nachdenkt, sein Unternehmen zu verkaufen, sollte nicht erst mit Eintritt des Rentenalters damit beginnen.“ Dann sei die Gefahr groß, dass einem die Zeit davonläuft und sich keine Nachfolge findet. „Umso größer ist dann die Enttäuschung darüber, dass das eigene Lebenswerk keine Zukunft hat“, weiß der 58-jährige Handelskammer-Mitarbeiter aus seiner zehnjährigen Beratertätigkeit zu berichten.

Wenn sich aber eine Nachfolge findet, ist das für beide Seiten ein Grund zur Freude. Bei Sven Schaffer beispielsweise war das der Fall. Der 42-Jährige ist seit Mai 2025 neuer Inhaber von St. Pauli Office, einem Unternehmen, das Stadtteilrundgänge in St. Pauli anbietet – von Anwohnenden für Menschen aus der ganzen Welt. Seit knapp 20 Jahren ist St. Pauli Office am Markt – und das Konzept erfolgreich. So erfolgreich, dass das Office selbst schon zu einer eigenen Marke mit eigenen Souvenirs und Bekleidung geworden ist.

v.l. Andreas Schäffer, Sebastian Wolff, Felix Schröder, Kevin O´Neill. Seit Januar dieses Jahres sind Felix Schröder (35) und Kevin O'Neill (36) die Haupteigentümer (mit 80 Prozent der Geschäftsanteile) der erfolgreichen Agentur. Die beiden Altgesel
Kevin O’Neill (re.) und Felix Schröder (2. v. re.) sind die Haupteigentümer der Agentur „production FRIENDS“. Die beiden Altgesellschafter Andreas Schäffer (li.) und Sebastian Wolff (2. v. li.) ziehen sich aus Altersgründen sukzessive aus dem Geschäftsleben zurück.

Das war der ausschlaggebende Grund für den neuen Inhaber, die Marke zu übernehmen, statt eine neue zu gründen. „Eine Lebensentscheidung“, sagt Schaffer, der zuvor als Basketballmannschaftmanager fest angestellt war. Was es heißt, selbstständig zu sein, hat er im Austausch mit Bank und Handelskammer erfahren.

„In unseren kostenfreien Beratungsgesprächen geben wir Käufern und Verkäufern Orientierung hinsichtlich ihrer Unternehmensnachfolge“, sagt Leo Schuhmacher. Falls Bedarf besteht, organisiert die Handelskammer auch eine vertiefende Beratung durch externe Fachleute. Zudem können verkaufswillige Geschäftsleute eine kostenfreie Anzeige bei Nexxt-Change, der bundesweit größten Unternehmensbörse, schalten.

Sven Schaffer und Dani (Bitte neutralen Artikel verwenden! Nonbinär?))
St. Pauli Office
Sven Schaffer (re.) vom St. Pauli Office mit Team-Mitglied Dani

Das war in Sven Schaffers Fall nicht notwendig. Er und der Gründer von St. Pauli Office kannten sich bereits vor der Übernahme und waren geschäftlich miteinander verbunden. Schaffer aber profitierte von der Kaufpreisermittlung durch die Handelskammer, die, so Sven Gabriel, zwar nach objektiven Kriterien erfolge, allerdings nicht bindend sei. „Denn am Ende ist ein Unternehmen immer so viel wert, wie ein zweiter Interessent bereit ist zu zahlen.“ Sven Schaffer konnte nach der Kaufpreisermittlung mit dem kostenlosen Unternehmenswertrechner der Handelskammer beim Preis noch ein wenig nachverhandeln und ist jetzt, sechs Monate später, „sehr glücklich, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt zu haben“.

Ein Schritt, den sich laut einem KfW-Bericht zum Thema „Unternehmensnachfolge“ aus diesem Jahr immer weniger Menschen zutrauen. Ein Hauptgrund dafür ist, dass es der jüngeren Arbeitsgeneration an Gründergeist und Mut zur Selbstständigkeit fehlt, um einen bestehenden Betrieb zu übernehmen.

Alexandra Friese hat nie etwas anderes gemacht. Unternehmerisches Denken wurde ihr von klein auf mitgegeben. Ihr Vater Thomas Friese ist der Gründer des Hamburger Modeunternehmens Thomas-i-Punkt, das seit mehr als 50 Jahren für qualitativ hochwertige Mode steht. Die beiden Filialen in der Mönckebergstraße und am Gänsemarkt sind Anlaufpunkte für eine modebewusste Kundschaft, die die nachhaltig in der Hansestadt produzierte Kleidung der Hausmarke „Omen“ schätzt.

Im Unternehmen wirken sowohl die insgesamt sieben Kinder des Gründers als auch die übernächste Generation, ein Enkel, mit. „Wir sind das, was man ein Familienunternehmen nennt, in das sich jeder mit seinen eigenen Stärken einbringt“, sagt die 58-jährige Alexandra Friese. Die enge Zusammenarbeit berge viele Herausforderungen, aber auch sehr viele Chancen.

Das eigene Lebenswerk zu sichern und in andere Hände abzugeben, ist alles andere als leicht und setzt vor allem eines voraus: Vertrauen. Einen vertrauensvollen Rahmen schafft die Handelskammer in ihrem „Nachfolgedialog zur Unternehmensnachfolge“. In dem einstündigen kostenfreien Beratungsangebot werden sensible Fragen – vom Unternehmenswert bis hin zu den verschiedenen Modellen für eine interne oder externe Nachfolgeregelung – geklärt. Möglichkeiten, das Lebenswerk zu sichern, gibt es zahlreiche, zum Beispiel den Verkauf oder die Gründung einer Stiftung oder einer Mitarbeiterarbeitergenossenschaft. Weitere Informationen und Terminvereinbarungen hier.

Was die Nachfolge betrifft, wurden bereits erste Schritte eingeleitet: 2020 hat sich der Gründer dazu entschlossen, einen Teil der Unternehmensanteile abzugeben. Es wurde eine Bürgengemeinschaft gegründet. Danach halten die beiden ältesten Kinder, Alexandra und Iris Friese, 30 Prozent der Anteile. Zudem treffen sie die täglichen Entscheidungen, was in der Bürgengemeinschaft akzeptiert und gewollt ist. Wie die restlichen 70 Prozent aufgeteilt werden, müsse in naher Zukunft geklärt werden, so Alexandra Friese.

Da sind die neuen Eigentümer der erfolgreichen Hamburger Agentur „production FRIENDS“ mit Sitz in der Deichstraße schon einen Schritt weiter. Seit vergangenem Januar sind Felix Schröder (35) und Kevin O’ Neill (36) die Haupteigentümer (mit 80 Prozent der Geschäftsanteile). Die beiden Altgesellschafter Andreas Schäffer und Sebastian Wolff haben die Produktionsagentur vor 25 Jahren gegründet und sich aus Altersgründen dazu entschlossen, sich langsam zurückzuziehen.

„Langsam“ meint in diesem Fall: Sie bleiben Schröder und O’ Neill noch bis 2028 mit ihrer Expertise erhalten, unterstützen sie bei Tagesgeschäft und Akquise. Die restlichen 20 Prozent der Geschäftsanteile gehen in den kommenden drei Jahren zu vertraglich vereinbarten Konditionen ebenfalls an die neuen Inhaber über. „Ein Modell, das allen Beteiligten guttut und für einen geordneten Übergang sorgt“, sagt Felix Schröder.


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