Die Medizin der Zukunft entwickeln

Das Gesundheitswesen lebt von Innovationen, und Hamburg treibt die Entwicklung voran – etwa in der Telemedizin oder Künstlichen Intelligenz (KI). Auch für Start-ups bietet die Stadt gute Voraussetzungen.
UKE
Wie lässt sich der 3D-Druck von Arzneimitteln in den Medikationsprozess integrieren? Daran forscht die Klinikapotheke des UKE.

Von Lena Johanna Philippi, 7. Juni 2024 (HW 3/2024)

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UKE
Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement und Vorstandsmitglied des UKE

Smarte Datenanalysetools, Auswertung sensibler Patientendaten per KI, Ferndiagnosen per Telemedizin oder eHealth-Anwendungen: Im Bereich der medizinischen Versorgung und Diagnostik hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan – ganz zu schweigen von neuen Präparaten, Geräten oder der früher kaum vorstellbaren rasanten Entwicklung eines Corona-Impfstoffes. Auch die vielfältige Hamburger Unternehmens- und Forschungslandschaft leistet einen maßgeblichen Beitrag zu einer besseren und effizienteren zukünftigen medizinischen Versorgung.

Dazu gehört etwa das traditionsreiche Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), mit rund 14 900 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Hier arbeitet das „Team für Angewandte KI im Gesundheitswesen“ daran, maschinelles Lernen und Modelle des „Deep Learnings“ in die klinische Praxis einzubringen. Im UKE kommt Künstliche Intelligenz (KI) zum Beispiel in der Neurochirurgie zum Einsatz.

mHealth und eHealth

„eHealth“ bezeichnet den stetig wachsenden Bereich digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen (DIGA). „mHealth“ (für „mobile Health“) hingegen steht nur für mobile Anwendungen, etwa digitale Hilfsmittel auf Smartphone oder Gesundheits-App. Solche mobilen Gesundheitslösungen sind ein großer und vielfältiger Markt. Neben Apps, die die Fitness fördern sollen oder Therapien begleiten, gibt es Glukose-Sensoren für Diabetiker oder Armbänder zur Überwachung der Herzfrequenz. Auch medizinisches Personal kann auf mHealth-Lösungen zugreifen. Die elektronische Patientenakte gehört ebenso dazu wie Tablets, mit denen Patienten im Wartezimmer ihre persönlichen Daten digital eingeben und speichern können. Der Vorteil von „Apps auf Rezept“: Werden sie ärztlich verschrieben, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen dafür die Kosten.

„Anhand bestimmter Gesundheitsparameter können etwa bei gefährlichen Hirnverletzungen mögliche Komplikationen berechnet werden. Damit lässt sich unter anderem herausfinden, ob sich womöglich bei einem Patienten im weiteren Verlauf ein gefährlicher Hirndruck entwickeln wird“, erklärt Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement am UKE. Auch bei der Erstellung von Arztbriefen kann KI eine Unterstützung sein – oder bei der Überprüfung, ob Unverträglichkeiten oder Wechselwirkungen für angeordnete Medikamente vorliegen.

„Das alles sind gute Beispiele dafür, wie KI dafür sorgen kann, dass die medizinische Versorgung der Patienten sicherer und besser wird“, so Prölß. Und das UKE setzt nicht nur auf KI, sondern auch auf Telemedizin, also medizinische Fernversorgung. „In diesem Bereich kooperieren wir mit der TUI Mein Schiff Group“, sagt Prölß. „Die Kreuzfahrtschiffe haben Röntgengeräte an Bord, mit denen Brüche und Ähnliches diagnostisch erfasst werden können. Diese Röntgenbilder werden dann online zu uns in die Radiologie transferiert.“ Selbst wenn Erkrankte oder Verunglückte gerade auf dem Schiff in der Ferne weilen, können die Radiologie-Fachleute im UKE also den an Bord festgestellten und digital übermittelten Befund mittels Telemedizin auswerten und Maßnahmen zur Behandlung vorschlagen.

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Moka-Studio
Bis in die 2040er-Jahre hinein soll die Science City Bahrenfeld zu einem lebendigen Zentrum für Forschung, Ausbildung, Start-ups und Wohnen weiterentwickelt werden.

Auch für Asklepios in Hamburg ist Telemedizin ein wichtiger, zukunftsorientierter Bereich. Im August 2021 eröffnete der Konzern im Heidberg-Krankenhaus das Telemedizinzentrum (TMZ) Kardiologie. Damit lassen sich Herzkranke diagnostisch und therapeutisch rund um die Uhr versorgen, insbesondere solche mit Herzinsuffizienz. Die Erkrankten senden etwa die Daten von Herzschrittmachern, Defibrillatoren, EKGs oder Blutdruckmessgeräten ans TMZ, wo sie 24/7 ausgewertet werden. Bei Bedarf erfolgen passende Maßnahmen, etwa eine Anpassung der Therapie. Dabei kann das TMZ auf die Kompetenz aller Fachbereiche der Klinik zurückgreifen.

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René Supper/ TUI Cruises GmbH
Aus dem Bordhospital der „Mein Schiff 5“ lassen sich Röntgenbilder direkt ins UKE übermitteln.

Neben größeren Unternehmen arbeiten in Hamburg auch zahlreiche innovative Start-ups am Gesundheitswesen der Zukunft. So möchte das 2022 gegründete Unternehmen Medudy der Ärzteschaft weltweit Zugang zu medizinischem Wissen ermöglichen. Dafür entwickelte es eine CME-zertifizierte Bildungsplattform, die Videokurse in bis zu 50 Sprachen anbietet – und dabei ebenfalls KI einsetzt.

Das Start-up FUSE-AI wiederum entwickelt medizinische KI-Software, die MRT-Aufnahmen analysiert und die Radiologie bei der Krebsdiagnose unterstützt. Und die Orthopy Health GmbH in Fuhlsbüttel bietet eine App für die digitale Therapiebegleitung bei Knieverletzungen: ein Beitrag zum eHealth-Bereich, der in der medizinischen Versorgung immer wichtiger wird.

Eine wichtige Adresse für Gründende wird auf jeden Fall die Science City Hamburg Bahrenfeld werden. Bis in die 2040er-Jahre entsteht auf 125 Hektar ein Zentrum für Spitzenforschung, universitäre Ausbildung, innovative Unternehmen und lebendige Wohnquartiere: ein Ort, der Forschung, Gründergeist und Unternehmertum verbindet. Erste Projekte im Bereich Physik sind bereits eröffnet worden; bis 2025 soll zudem „ein Zentrum für Start-ups, Brückenforschung und neue Ideen in den Bereichen Life Science und New Materials“ fertiggestellt sein, so die Website.

Health Harbor Hamburg

In der „Projektinitiative H³ – Health Harbor Hamburg“ engagieren sich seit Frühjahr 2019 eine Vielzahl von Akteuren des Hamburger Gesundheitswesens. Ziel ist die Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheits- und Medizinsektor in Hamburg, um sektorenübergreifend die Kommunikation und den Datenaustausch zu verbessern. Anfang 2023 stellten Bund und Stadt zusammen 20 Millionen Euro Fördergelder für das Netzwerk bereit.

„Die Science City Hamburg Bahrenfeld bietet innovativen Unternehmen, Start-ups und wissenschaftlichen Einrichtungen optimale Standortbedingungen für Technologie- und Wissenstransfer“, sagt Dr. Miriam Putz, Leiterin des Handelskammer-Geschäftsbereichess „Innovation und neue Märkte“. Solche besonderen Orte in der Stadt seien wertvoll, denn: „Kooperationen zwischen Unternehmen, Start-ups und der Wissenschaft sind starke Innovationstreiber.“

Bereits heute arbeitet ein vielfältiges Netzwerk von Hightech-Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten in der Metropolregion daran, innovative Ideen in marktfähige Produkte umzusetzen. Zum Beispiel in der Infektionsforschung. Allein in diesem Gebiet sind in Hamburg eine Reihe renommierter Einrichtungen aktiv – das Leibniz-Institut für Virologie, das UKE, die Universität Hamburg, das Bernhard-Nocht-Institut und das DESY am Campus Bahrenfeld. „Ein wichtiger Meilenstein der Corona-Forschung fand in Hamburg am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY statt“, sagt Miriam Putz. „Dort untersuchte das Unternehmen BioNTech seine RNA-Impfstoffe, um diese zu verbessern.“

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Ulrich Perrey
Miriam Putz, Leiterin des Handelskammer-Bereiches „Innovation und neue Märkte“

Um wertvolles Know-how zu bündeln und Kooperationen anzustoßen, ist auch eine Plattform wie Life Science Nord essenziell. In diesem Branchennetzwerk für Medizintechnik, Biotechnologie und Pharma für Hamburg und Schleswig-Holstein sind rund 500 Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen vertreten. Für die rund 280 aktiven Vereinsmitglieder wie allergopharma, Philips und Dr. Weigert ist das von der Hansestadt geförderte Netzwerk ein bedeutender Innovations- und Wirtschaftsfaktor sowie ein wichtiges Element der Clusterpolitik beider Bundesländer. Life Science Nord führt zudem eine Reihe von Projekten durch, etwa zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Krankenhäusern und großen Forschungsinfrastrukturen.

Joachim Prölß ist überzeugt, dass das große Potenzial der Hamburger Gesundheitswirtschaft mit all diesen Neuerungen, innovativen Projekten, vielversprechender Forschung und spannenden Zukunftsideen noch lange nicht ausgeschöpft ist. „Man merkt, dass das Thema Innovation und Weiterentwicklung der Gesundheitswirtschaft hier in Hamburg seitens der Stadtwirtschaft und auch der Community neben dem Hafen einen ganz großen Stellenwert eingenommen hat“, sagt er. „In den nächsten fünf Jahren wird es gerade beim Thema Gesundheit neue Dinge geben, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann. Und auf diese Entwicklung freue ich mich.“


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