Die Zukunft der EU-Zollunion

Die EU-Kommission hat im Mai 2023 Vorschläge für eine ehrgeizige Reform der im Jahr 1968 gegründeten EU-Zollunion vorgelegt. Was verbirgt sich dahinter – und worauf muss sich die Hamburger Wirtschaft einstellen?
Generalzolldirektion/www.zoll.de
Im Jahr 2022 wurden im Hamburger Hafen 1,93 Milliarden Euro Zölle und 17,8 Milliarden Euro Einfuhrumsatzsteuer eingenommen.

Von Arne Olbrisch, 27. September 2023 (HW 5/2023)

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Die Reformvorschläge beruhen auf der Erkenntnis, dass die Zollverwaltungen den vielen Herausforderungen bei der Einfuhr von Waren in die EU inzwischen nicht mehr gerecht werden. Probleme bereiten etwa der exponentielle Anstieg von E-Commerce-Sendungen mit geringem Wert und die stetig wachsende Zahl von Verboten und Beschränkungen, die der Zoll durchsetzen muss – von EU-Produktnormen bis hin zu Vorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels oder der Zwangsarbeit. Hinzu kommt die Notwendigkeit, auf geopolitische Veränderungen zu reagieren und etwa Sanktionen durchzusetzen.

Am 17. Mai legte die EU-Kommission daher eine Reihe von Vorschlägen vor, die nach eigenem Anspruch die ehrgeizigste und umfassendste Reform des Vertragswerkes seit 1968 darstellen. Kern der Reform soll eine EU-Zolldatenplattform sein, in die Unternehmen, die Waren in die EU einführen, alle Informationen über ihre Produkte und Lieferketten einspeisen sollen. Diese Plattform soll mittelfristig die IT-Infrastrukturen der einzelnen Mitgliedstaaten ersetzen: Die Einfuhrinformationen müssen künftig, so der Plan, nur noch über ein Portal übermittelt werden („Single Window“). Dabei soll Künstliche Intelligenz (KI) die Daten analysieren und die Sendungen überwachen.

Der Begriff Zollunion In einer Zollunion wenden die Mitglieder denselben Zolltarif auf Waren an, die aus Drittstaaten eingeführt werden, und erheben untereinander keine Zölle. Im Fall der EU bedeutet das: Waren, die bei der Einfuhr in einem Mitgliedsstaat verzollt wurden, können frei in der EU gehandelt und verkauft werden. Unabhängig davon, wo die Einfuhr erfolgte, gelten für Unternehmen dabei dieselben Vorschriften. Die EU-Zollunion ist einer der wenigen Bereiche, die in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU liegen. Sie wird vor Ort von den nationalen Zollbehörden verwaltet.

„Trust & Check“-Händler, deren Geschäftsabläufe und Lieferketten transparent sind, sollen ihre Waren ohne aktives Tätigwerden der Zollbehörden in den Verkehr bringen und die zentrale Zollabwicklung nutzen dürfen – die Zollabfertigung kann dann also in dem EU-Mitgliedsstaat erfolgen, in dem sie ansässig sind. Eine neue EU-Zollbehörde soll die Zolldatenplattform überwachen und zu einem verbesserten, einheitlichen EU-Ansatz für die Risikobewertung und die Zollkontrollen beitragen. Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen den Zoll-, Marktüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden optimiert werden. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher die Gewissheit haben, dass alle Einfuhrabgaben entrichtet wurden und die Produkte sicher sind, sollen Online-Plattformen künftig die Einführerpflichten übernehmen.

Außerdem sieht die Planung eine Aufhebung der Zollbefreiung für Waren unter 150 Euro vor, weil dieser Schwellenwert meist durch Unterfakturierung umgangen wird. Im Gegenzug soll ein vereinfachtes Berechnungsmodell mit nur vier Gruppen von Warenkategorien mit jeweils denselben Zollsätzen angeboten werden – zum Beispiel 12 Prozent für Bekleidung und 17 Prozent für Schuhe.

Die EU-Datenplattform soll ab 2028 zunächst nur für den elektronischen Handel zur Verfügung stehen und ab 2032 zunächst freiwillig für alle anderen Einführer. Die Handelskammer wird den Gesetzgebungsprozess aktiv begleiten und die Interessen der Hamburger Wirtschaft vertreten. Eine Bewertung ist derzeit noch schwierig, weil die Durchführungsrechtsakte noch nicht bekannt sind.

Eckpunkte Das im November 2022 veröffentlichte Eckpunktepapier „Zoll- und Einfuhrprozesse im Hamburger Hafen optimieren“ präsentiert Ansätze, um den Hamburger Hafen als Zollstandort noch besser im internationalen Wettbewerb zu positionieren.

Eine EU-Zollreform ist aufgrund der geschilderten Entwicklungen unumgänglich. Positiv zu bewerten sind insbesondere der „Single Window“-Ansatz sowie der Einsatz von KI, um die Zollabfertigung so weit wie möglich zu automatisieren. Dies hatte die Kammer bereits im November 2022 im Eckpunktepapier „Zoll- und Einfuhrprozesse im Hamburger Hafen optimieren“ gefordert. Andererseits enthalten die Vorschläge kaum Ansätze zur Vereinfachung des Zollrechts, von denen auch Unternehmen profitieren würden, die den „Trust & Check“-Status nicht erhalten können oder wollen.

Große Sorgen bereitet die geplante Verkürzung der vorübergehenden Verwahrung, also der Zeit zwischen dem Eintreffen der Waren im Hafen und der Überführung in ein Anschlusszollverfahren, von derzeit bis zu 90 auf drei beziehungsweise sechs Tage. Denn die vorübergehende Verwahrung spielt für die logistischen Prozesse im Hafen eine wichtige Rolle – etwa für Umfuhren zwischen den Terminals, die Vorführung von Waren beim Veterinär- und Einfuhramt oder die Abfertigung von Import-Sammelcontainern, die Waren enthalten, die für verschiedene Empfänger bestimmt sind.

 


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