Ein starker Standort

Deutschlands größter Industriestandort bietet eine Reihe von Global Playern, etwa in der Luftfahrt und Kupferverhüttung. Doch die Branche ist auch stark vom Mittelstand geprägt.
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Billbrook ist nach dem Hafen das größte Industriegebiet Hamburgs. Dort befindet sich unter anderem das Heizkraftwerk Tiefstack.

Von Kerstin Kloss, 7. Oktober 2022 (HW 5/2022)

Hamburg ist die umsatzstärkste Industriestadt Deutschlands, auch vor Ort hat die Branche einen zentralen Stellenwert: Im Jahr 2020 erwirtschafteten die rund 3000 hier ansässigen Industriebetriebe einen steuerbaren Umsatz von knapp 132 Milliarden Euro – fast ein Drittel des Gesamtvolumens der Stadt. Und trotz eines zeitweiligen Rückgangs aufgrund der Corona-Pandemie boomt das Verarbeitende Gewerbe. Im ersten Halbjahr 2022 setzten allein die 225 größeren Industrieunternehmen mit über 50 Mitarbeitenden rund 62 Milliarden Euro um – ein sattes Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, das ohne die Mineralölwirtschaft, die mit gut 39 Milliarden Euro maßgeblich dazu beitrug, immer noch 17 Prozent betragen hätte.

Dabei ist sicher: Das Klischee von rauchenden Schloten hat mit der Wirklichkeit der Industriemetropole Hamburg nur wenig zu tun. Die Mehrzahl der Hamburger Industriebetriebe arbeitet umweltbewusst, benötigt keine Schornsteine, und auch die Unternehmen, die produktionsbedingt Abgase ausstoßen – wie etwa in der Stahl- und in der Kupferproduktion –, arbeiten intensiv daran, ihre Emissionen und Abgaslast weiter zu reduzieren. In den vergangenen Jahren ist der Ausstoß auch deshalb bereits erheblich gesunken.

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Der Hafen (hier: das vorwiegend für Reparaturen genutzte Trockendock „Elbe 17“ von Blohm+Voss) ist das größte zusammenhängende Industriegebiet Deutschlands.

Der umsatzstärkste Zweig der Hamburger Industrie bleibt die Mineralölwirtschaft, die hier mit Unternehmen wie der Deutschen Shell im Jahr 2021 rund 55,5 Milliarden Euro umsetzte, gefolgt von Metallerzeugung und -bearbeitung (11,2 Milliarden Euro), Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstung (4,79 Milliarden) sowie Maschinenbau (3,26 Milliarden).

Ein bedeutsamer Zweig ist etwa der Flugzeugbau mit dem Airbus-Werk in Finkenwerder und zahlreichen Zulieferunternehmen. Hamburg ist der weltweit drittgrößte Luftfahrtstandort. Teil des Aviation-Clusters mit rund 300 Unternehmen und Institutionen ist auch Lufthansa Technik – mehr als 8000 Beschäftigte können in Hamburg-Fuhlsbüttel über 200 Triebwerksüberholungen im Jahr durchführen.

Dabei steht nachhaltiges Wirtschaften für die Konzerntochter ganz vorn: Der rund 750 000 Quadratmeter große Standort bezieht seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Außerdem beschäftigt sich der Betrieb mit dem Einsatz von Flüssigwasserstoff (LH2) für künftige CO2-neutrale Flugzeuge. In einem LH2-Reallabor auf Basis eines ausgemusterten Airbus A320 wollen Lufthansa Technik, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung und Hamburg Airport gemeinsam untersuchen, wie sich der LH2-Einsatz auf Wartung und betriebliche Prozesse am Boden auswirkt. Anfang 2022 hat die praktische Umsetzung begonnen.

Zentrale Drehscheibe: der Hafen

Für den Industriestandort Hamburg ist der Hafen als logistische Drehscheibe unverzichtbar. Seeschiffe liefern Rohstoffe und Komponenten an, die Unternehmen in der Metropolregion zu Produkten verarbeiten. Diese gehen teilweise wieder seeseitig in den Export.

Die mittelständische Industrie zeichnet ein hohes Verantwortungsgefühl gegenüber Mitarbeitenden, Umwelt und Gesellschaft aus.

Dr. Dirk Lau

Der Hafen selbst ist mit etwa 4226 Hektar Fläche das größte zusammenhängende Industriegebiet Deutschlands, und der Schiffbau hat hier trotz des Rückgangs der Werftindustrie seit den 1970er-Jahren weiterhin einen hohen Stellenwert. Blohm+Voss baut unter anderem Kreuzfahrtschiffe und Fregatten; „Elbe 17“ wird als eines der größten Trockendocks Europas vorwiegend für Reparaturen genutzt. Seit 2011 bündelt das Maritime Cluster Norddeutschland das Zukunftspotenzial entsprechender Industrien in den norddeutschen Bundesländern.

Größtes Industriegebiet nach dem Hafen ist Billbrook mit circa 624 Hektar – hier stellt Beiersdorf Manufacturing Hamburg (BMH) unter anderem den Emulgator Eucerit für Nivea-Creme her. Auch in Allermöhe (170 Hektar) – etwa mit dem Elektrotechnikhersteller Pfannenberg –, am Billwerder Ausschlag (151 Hektar), in Hamm (140 Hektar) oder in Stellingen-West (113 Hektar) haben sich zahlreiche Industriebetriebe angesiedelt. Weitere Schwerpunkte gibt es in Hausbruch (zum Beispiel das Tesa-Werk von Beiersdorf), in der Schnackenburgallee (Altona), am Friedrich-Ebert-Damm (Wandsbek) und in der Georg-Wilhelm-Straße (Wilhelmsburg), wo unter anderem die Industrielackfabrik Mankiewicz residiert.

Zahlreiche Einzelstandorte

Typischer als große Industriegebiete sind für Hamburg jedoch „Solitäre“ in unterschiedlichen Industrien, etwa im Fahrzeugbau das Mercedes-Benz-Werk mit 2500 Mitarbeitenden in Heimfeld, aber auch in der Mineralölverarbeitung, Lebensmittelherstellung oder im Maschinenbau.

Mit Aurubis (Kupfer), TRIMET (Aluminium) und ArcelorMittal (Stahl) sind auch einige globale Player der Grundstoffindustrie mit ihren Fabriken in Hamburg vertreten – und spielen hier eine wichtige Rolle: Im Geschäftsjahr 2020/21 erwirtschaftete allein Aurubis 16,7 Milliarden Euro Umsatz. Zu den bedeutendsten industriellen Einzelstandorten gehören Airbus, Lufthansa Technik und Daimler, außerdem Körber (Maschinenbau) in Bergedorf und Beiersdorf: Mit zwei Werken in Eimsbüttel und Billbrook ist Hamburg der weltweit größte Produktionsstandort des DAX-Konzerns.

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Es gibt noch rauchende Schornsteine, aber der Anteil der CO2-Emissionen der Hamburger Industrie ist von 32 Prozent im Jahr 2005 auf 26 Prozent 2019 gesunken.

Doch das Verarbeitende Gewerbe in der Hansestadt ist auch stark vom Mittelstand geprägt. So beschäftigten 2021 nur 440 der rund 3000 Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes 20 oder mehr Mitarbeitende. Und manche der kleineren und mittleren Unternehmen befinden sich seit Generationen in Familienbesitz, etwa die Industrielackfabrik Mankiewicz oder HOBUM Oleochemicals. „Die mittelständische Industrie zeichnet ein hohes Verantwortungsgefühl gegenüber Mitarbeitenden, Umwelt und Gesellschaft aus. Mit ihrer Innovationskraft bilden sie das Fundament unseres Industriestandortes“, betont Dr. Dirk Lau, Leiter des Handelskammer-Geschäftsbereiches „Industrie, Energie, Umwelt“.

Zukunftskonzepte

Auch für zukunftsweisende Projekte zur Sicherung des Industriestandortes ist gesorgt. Seit 2021 baut die Behörde für Wirtschaft und Innovation eine Wasserstoffwirtschaft-Clusterstruktur auf, die mit dem bestehenden Cluster „Erneuerbare Energien Hamburg“ verknüpft ist.

Mit dem Zukunftskonzept „Energie- und Klimahafen Moorburg“ hat die Handelskammer konkretisiert, wie sich Industrieentwicklung und Klimaneutralität auf neuen gewerblichen Flächen in Moorburg verbinden lassen. Shell, Vattenfall, Mitsubishi Heavy Industries und Wärme Hamburg wollen auf dem Gelände des stillgelegten Kohlekraftwerks bis spätestens 2026 eine der weltgrößten Elektrolyse-Anlagen für Wasserstoffproduktion errichten.

Weniger Emissionen

Der Anteil der CO2-Emissionen der Industrie ist laut aktuellstem Bericht des Industriekoordinators von 32 Prozent des Hamburger Gesamtaufkommens im Jahr 2005 (6325 Kilotonnen CO2) auf 26 Prozent im Jahr 2019 (3945 Kilotonnen CO2) gesunken. Für das produzierende Gewerbe hat die Stadt festgelegt, dass der CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent geringer als 1990 sein soll – und Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher möchte erreichen, dass Hamburg als erste große Industriestadt Europas klimaneutral wird.

Bereits 2007 hat die Handelskammer zudem gemeinsam mit Senat und Industrieverband Hamburg (IVH) einen „Masterplan Industrie“ mit dem Ziel aufgestellt, zusätzliche produzierende Unternehmen mit Flächenangeboten anzuwerben. Die Fassung vom Dezember 2017 will die Hansestadt als europäische Innovationsmetropole positionieren – auch mithilfe der Industrie. Deshalb kamen Industrie 4.0 und 3D-Druck als zwei neue Handlungsfelder dazu.

Die Handelskammer ist außerdem zentrale Ansprechpartnerin beim Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg, das 2016 als „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg“ startete. Und beim 3D-Druck nimmt die anwendungsbezogene Luftfahrtforschung, unter anderem in der industriellen Fertigung bei Airbus, eine Vorreiterrolle ein.

Die Weichen sind also gestellt für die nächste digitale und grüne industrielle „Doppel“-Revolution, wie sie Professor Henning Vöpel in seiner IVH-Kurzstudie fordert: In Hamburg wird immer effizienter und vor allem nachhaltig und digital produziert.

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