Ein Warnsignal für Hamburgs Wirtschaft

Die Stimmung in der Hamburger Wirtschaft hat sich 2023 kontinuierlich verschlechtert, für zahlreiche Branchen ist die Situation besorgniserregend. Jetzt ist die Politik gefordert, Strukturen und Rahmenbedingungen zu verbessern.
Geschäftsklima-Indikator der Handelskammer (Mittelwert aus aktueller und künftiger Geschäftslage befragter Hamburger Unternehmen)

Von Jonas Braun, 4. Dezember 2023 (HW 6/2023)

Angesichts der ernüchternden Zahlen, die Malte Heyne im aktuellen Konjunkturbarometer präsentieren musste, wurde der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer deutlich: „Das ist ein Warnsignal für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Hamburg, denn es handelt sich nicht um einen rein konjunkturellen Effekt“, klagte der promovierte Volkswirt. „Wenn wir unsere Vision von einem dynamischen, nachhaltigen und wachsenden Wirtschaftsstandort erreichen wollen, muss die Politik die strukturellen Rahmenbedingungen verbessern. Nur dann kann die Wirtschaft neues Vertrauen fassen und frische Investitionen tätigen.“

Nur alternativ_Michael Eck
Die Wäscherei
Michael Eck, Geschäftsführer „Die Wäscherei“

Tatsächlich geben sowohl die Analyse des zu Ende gehenden Jahres als auch der Blick nach vorn Anlass zur Sorge. Im Gegensatz zu den neun vorangegangenen Quartalsbefragungen stufen mehr der Firmen, die geantwortet haben, ihre aktuelle Geschäftslage als „schlecht“ (26,1 Prozent) denn als „gut“ (22,3 Prozent) ein. Mehr als die Hälfte (51,6 Prozent) sieht sich immerhin in einer saisonüblichen Lage.

„Die Nachfrage ist dieses Jahr drastisch gesunken“, sagt beispielsweise Michael Eck, Geschäftsführer der „Wäscherei“, einem Möbelhaus in der City Nord. Den Grund für das mangelnde Kundeninteresse sieht er „in der allgemeinen politischen Situation“, von der nicht nur er, sondern der gesamte Einzelhandel betroffen sei. „Ständige negative Meldungen verunsichern die Menschen und geben ihnen ein schlechtes Gefühl.“ Als Konsequenz der aktuellen Situation will Eck aber nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern angreifen: „Wir dürfen nicht in der düsteren Stimmung versinken, sondern müssen uns neu aufstellen und unsere Aktivität verstärken.“ Um den schlechten politischen Voraussetzungen zu begegnen, müsse man „jetzt noch eine Schippe drauflegen“, um die Menschen wieder in die Geschäfte zu bringen.

Gegenwärtig unzufrieden sind neben dem Einzel- vor allem Unternehmen im Groß- und Außenhandel, in der Medienwirtschaft sowie in der Güterbeförderung. Überwiegend positive Stimmen hingegen stammen aus dem Bau- und Gastgewerbe, der Gesundheitswirtschaft und dem Finanzsektor. „Noch positiv“, denn im Blick auf 2024 trüben sich die Aussichten der Hamburger Unternehmen deutlich ein. Ein Drittel (33,2 Prozent) geht von einer „eher ungünstigeren“ Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten aus, mit einer „günstigeren“ Lage rechnen nur 9,7 Prozent der Firmen. Insgesamt blickt die Hamburger Wirtschaft also pessimistisch auf 2024, was sich auch beim Geschäftsklimaindex (gemessen auf einer Skala von 0 bis 200 Punkten) zeigt. Der Wert, der sich aus der aktuellen Lage und den Geschäftserwartungen zusammensetzt, fällt mit 85,8 Punkten weit unter das langjährige Mittel von 108 Punkten.

Bild Swen Draak Geschäftsführer RSH Polymere GmbH
RSH Polymere GmbH
Swen Draak, Geschäftsführer der RSH Polymere GmbH

„Immer mehr Branchen befinden sich im Abschwung“, bestätigt Malte Heyne den Abwärtstrend. Vor allem energieintensive Unternehmen seien großen Belastungen ausgesetzt. Laut dem aktuellen Konjunkturbarometer zählen dann auch die hohen Energie- und Rohstoffpreise neben dem Fachkräftemangel und der sinkenden Inlandsnachfrage zu den meistgenannten Geschäftsrisiken der Hamburger Unternehmen.

„Durch die Preissteigerung beim Strom kamen deutlich mehr Kosten auf uns zu“, klagt – stellvertretend für viele – Swen Draak, Geschäftsführer von RSH Polymere. Sein Unternehmen, das sich auf das Recycling von Kunststoffen zu hochwertigen Granulaten spezialisiert hat, benötigt viel Energie und ist damit sehr anfällig für hohe Stromkosten. Darüber hinaus habe man viel investiert, um die zuvor hohe Nachfrage bedienen zu können. Diese sei nun aber „völlig eingebrochen“. Mit seinen Sorgen ist der Industrielle nicht allein. Draak berichtet über zahlreiche Gespräche mit Zulieferern und Kunden, die sich alle in ähnlich prekären Lagen befinden: „Es wurden zwar Hoffnungen geäußert, aber man kann nur spekulieren, wo die Besserung herkommen soll.“

Seit mehr als 50 Jahren gibt das vierteljährliche Konjunkturbarometer der Handelskammer Auskunft über die wirtschaftliche Lage einzelner Branchen. Hier finden sich detaillierte und interaktive Grafiken in unterschiedlichen Formaten. Unternehmer und Unternehmerinnen, die selbst an einer Konjunkturbefragung teilnehmen möchten, können sich hier registrieren.

Die Unsicherheit in der Hamburger Wirtschaft hinterlässt auch Spuren bei den Personal- und Investitionsplänen der Unternehmen. Die Ausgabenplanung im Inland zeigt sich verhalten. Mehr als ein Viertel der Unternehmen geht von geringeren Investitionsausgaben (27,9 Prozent) 2024 aus. Beim Personal erwartet immerhin die Mehrheit der Unternehmen gleichbleibende Personalzahlen (64,3 Prozent), etwa ein Fünftel (20,8 Prozent) rechnet jedoch mit einer Reduzierung der Beschäftigtenzahl.

Trotz der ernüchternden Ergebnisse des aktuellen Konjunkturbarometers der Handelskammer gibt die Prognose des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitutes (HWWI) zumindest Anlass zur Hoffnung: Es rechnet mit einer baldigen Stabilisierung und allmählichen Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft – die Risiken für die künftige Entwicklung seien aber weiterhin größer als die Chancen.

Beteiligen Sie sich an der Diskussion:
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
Ihr Name wird mit ihrem Kommentar veröffentlicht.
Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.
Das Kommentarformular speichert Ihren Namen, Ihre E-Mail-Adresse und den Inhalt, damit wir die auf der Website abgegebenen Kommentare verfolgen können. Bitte lesen und akzeptieren Sie unsere Website-Bedingungen und Datenschutzerklärungen, um einen Kommentar abzugeben.
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments