Mit 47 Jahren machte der Elektrotechniker und Diplom-Ingenieur Sven Boevelka seinen Master in Betriebswirtschaft. Heute, fünf Jahre später, steckt er gerade mitten in einem Coaching, um ein persönliches Erfolgsbild für sein mittelständisches Unternehmen zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat er unter anderem die „Hot-Pen-Methode“ angewandt: Innerhalb von 30 Minuten gilt es, die Zukunft des eigenen Betriebes zu entwerfen.
Seit 22 Jahren ist Boevelka Geschäftsführer der Herbert Herford GmbH, die auf Elektro-, Daten- und Lichtinstallationen spezialisiert ist. Und aus der Art, wie er sein Geschäft leitet, lassen sich gleich mehrere Weiterbildungstrends ablesen: lebenslanges Lernen, Kommunikation, Mitarbeitermotivation und die Transformation von Strukturen. „Früher war der Tenor, dass am besten alle in der Firma alles können“, sagt Boevelka. „Mittlerweile versuche ich, dass sich jeder nach seinen Leidenschaften weiterentwickeln kann.“ Denn das ist seiner Ansicht nach die einzige Chance, dem wachsenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Doch dieser Ansatz erfordert einen anderen Führungsstil, den es nach und nach zu erlernen gilt. Weg von einer hierarchischen Ordnung, hin zum intensiveren Austausch mit den Teammitgliedern – von der Fehleranalyse bis zur Frage, welche Schulung für wen sinnvoll ist. Boevelkas Überzeugung: „Weiterbildung beginnt im persönlichen Gespräch.“
Die Verantwortung der Belegschaft stärken
Auch Hamburger Konzerne wie die Beiersdorf AG verfolgen seit Jahren das Ziel, bei Fragen zur Weiterbildung stärker auf die Verantwortung ihrer Mitarbeitenden zu setzen. Die Pandemie habe dafür gesorgt, dass etablierte Prozesse wie Entwicklungsgespräche und Führungskräftetrainings um neue und zeitlich flexiblere Lernmodule ergänzt werden, erläutert Christine Schurzfeld, bei Beiersdorf Leiterin des Bereichs Corporate Learning. „Wenn ich lernen möchte, wie ich im Homeoffice virtuelle Teams führe, kann ich nicht ein halbes Jahr auf solch ein Angebot warten.“
In der Corona-Zeit sei die sonst übliche Klassenraumschulung von agileren Online-Formaten abgelöst worden, die sich in den Arbeitsalltag integrieren lassen. Über kuratierte Lernpfade können sich die Beschäftigten etwa digitale Module zu Themen wie Resilienz und Diversität selbst erschließen. Immer wichtiger werde dabei der Aspekt des sozialen Lernens: So erstellen und teilen Mitarbeitende zum Beispiel in Eigenregie kleine Lernvideos.
Es reicht nicht mehr, einmalig Fachwissen zu erlernen.
Carola Aldag
Eine große Aufgabe ist es, die Beschäftigten fit zu machen für die Bedingungen einer immer komplexeren Arbeitswelt. So investiert auch die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zunehmend in die Weiterbildung ihrer Belegschaft, um den Herausforderungen in Bereichen wie digitaler Transformation oder Nachhaltigkeit oder bei zusammenhängenden Systemen wie globalen Lieferketten zu begegnen. „Es reicht nicht mehr, einmalig Fachwissen zu erlernen“, erklärt Carola Aldag, Leiterin der Personalentwicklung. „Vielmehr geht es darum, kompetent mit Veränderungen umgehen zu können.“
Dabei kann es hilfreich sein, crossfunktionale Lerngruppen anzustoßen, in denen sich dann Know-how von der Kaikante und Controlling treffen. Die HHLA nutzt dabei unter anderem Methoden aus der Start-up-Welt, etwa Zukunftswerkstätten oder Open-Space-Workshops. Darin tauschen sich Interessierte verschiedener Abteilungen selbstbestimmt aus. „So schaffen wir es, Themen fachübergreifend in die Organisation zu bringen“, so Aldag. Bei dem Angebot „Lernen2Go“ wiederum lädt die HHLA online zu Impulsvorträgen externer Gäste ein, die etwa über Resilienz oder Teamwork sprechen und später Trainings dazu anbieten.
Neue Berufsfelder erkunden
Eine gute Anlaufstelle für Ratsuchende und Firmen ist die gemeinnützige GmbH „W.H.S.B. Weiterbildung Hamburg – Service und Beratung“. In ihrer Kursdatenbank WISY sind insgesamt mehr als 30.000 Bildungsangebote versammelt. Geschäftsführerin Ute Roloff beobachtet im Zuge der Corona-Krise eine Tendenz: „In unserer Weiterbildungsberatung sitzen zunehmend Menschen, die sich komplett umorientieren möchten.“
Vor allem Beschäftigte aus Gastronomie, Veranstaltungssektor und Touristik, zuweilen aber auch aus der Pflege suchen nach neuen Aufgaben. In diesem Zusammenhang sieht Roloff es besonders kritisch, dass im vergangenen Jahr die Bildungsprämie des Bundes ausgelaufen ist: „Wenn man Weiterbildung als lebenslanges Lernen versteht und dies auch als einen Standortfaktor definieren möchte, muss ein entsprechendes Finanzierungsprogramm her.“ Vor allem auf dem weiten Feld von Digitalisierung, IT und Künstlicher Intelligenz bestehe Bedarf.
Gerade für neue Berufsbilder, die durch die duale Ausbildung nicht abgedeckt werden, versucht die HKBiS, der Bildungs-Service der Handelskammer, den Bedarf mit ergänzenden Angeboten und Kursen mit IHK-Zertifikaten abzudecken. „Die Stellenbeschreibungen in Jobbörsen zeigen oft, dass viele Anforderungen aus dynamischen Notwendigkeiten heraus entstehen und sich nicht mehr an klassischen Abschlüssen orientieren“, erklärt Christian Hameister, Marketingleiter der HKBiS.
Neben Basiswissen für persönliche und methodische Kompetenzen bietet die HKBiS daher zahlreiche Kurse an, die sich passgenau in eine zeitgemäße berufliche Identität einfügen lassen. Und die womöglich ganz neue Jobprofile eröffnen – vom Crossmedia- bis zum Feelgood-Manager. Grundlegend sei, so Hameister: „Das Unternehmen muss sich für individuelle Weiterbildung überhaupt erst öffnen und vorhandene Talente fördern wollen.“
In ihrem Blog berichtet die HKBiS regelmäßig über Weiterbildungstrends. Zum Beispiel über den Wandel des klassischen Sekretariats hin zum vielseitig aufgestellten Office Management. Oder über die Schulung in Crossmedia-Management, mit dem sich eine Marke auf digitalen Kanälen optimal positionieren lässt. Alle Beiträge finden Sie hier.