Durchatmen im „Zollenspieker Fährhaus“: Hinter den 80 Mitarbeitenden des Traditionsunternehmens liegt eine arbeitsreiche und gut gebuchte Saison. Das Haus an der Elbe in Kirchwerder ist ein beliebter Ort für Ausflügler, zum Feiern und für Tagungen. „Unser Hotel ist mehr als 90 Prozent ausgelastet“, sagt Geschäftsführer André Egger zufrieden.
Das gilt längst nicht für das gesamte Gastgewerbe, das im Jahr 2024 erneut viele Herausforderungen zu meistern hatte: „Steigende Kosten für Personal, Lebensmittel, Transport und Energie und die Anfang 2024 erneut auf 19 Prozent angehobene Mehrwertsteuer führten zwangsweise dazu, dass Hoteliers und Gastronomen ihre Preise anpassen mussten“, sagt Kathrin Wirth-Ueberschär, Vizevorsitzende des DEHOGA Hamburg und Direktorin des Hotels Reichshof. Die Konsequenz: Die Menschen gingen weniger essen. Um rund elf Prozent brachen die Gewinne laut einer DEHOGA-Umfrage im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein.
Auch die Hamburger Block Gruppe verzeichnete in ihren Restaurants einen Rückgang im niedrigen einstelligen Bereich und reagierte darauf: „Wir haben unser Angebot angepasst und bieten nun preisgünstigere Steak- und Burgermenüs an“, sagt Stephan von Bülow, Vorsitzender der Geschäftsführung der Block Gruppe, zu der unter anderem 68 Restaurants und drei Hotels gehören. „Um in dieser wirtschaftlich herausfordernden Zeit die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Gäste noch besser kennenzulernen, hat der Unternehmensgründer die Preise teilweise abgesenkt, Gerichte in ihren Gewichten angepasst und neue Speisen entwickelt.“
Die Gäste danken es. „Die Restaurants laufen alle gut“, so von Bülow, der zugleich eine „faire und einheitliche Besteuerung von Speisen von sieben Prozent“ fordert. Denn derzeit bestehe eine Ungerechtigkeit zwischen der Fullservice-Gastronomie, die mit 19 Prozent besteuert wird, und der Fast-Food-Gastronomie, die nur sieben Prozent Steuer zahlt.
Mit der Mehrwertsteueranpassung auf 19 Prozent ging ein Aufschrei durch das Gastgewerbe. Die Branche befürchtete ein nicht mehr aufzuhaltendes Kneipen- und Restaurantsterben. „30 Prozent der Betriebe werden es nicht schaffen“, prognostizierte Jens Stacklies, Gastronom und DEHOGA-Vorstand in Hamburg. Laut Statistikamt Nord sollte er recht behalten. Aktuelle Zahlen belegen: Nach Lagerei, Logistik und Baugewerbe war das Gastgewerbe in Hamburg im ersten Halbjahr 2024 am drittstärksten von Insolvenzen betroffen: 81 von 10 000 Unternehmen der Branche gingen pleite. Aktuell sind bei der Handelskammer 4850 Restaurants, Cafés und Imbisstuben sowie 440 Hotels, Pensionen und Gasthöfe registriert.
Doch trotz dieser Schwierigkeiten bleibe die Stimmung innerhalb der Unternehmensgruppe optimistisch und der Blick in die Zukunft positiv. Wenn auch derzeit ein wenig eingetrübt. Der Grund dafür sind die angekündigten Flugstreichungen als Folge der Erhöhung von Flughafengebühren am Hamburger Flughafen. „Dies könnte sich negativ auf die Urlaubsaison sowie auf innerdeutsche Geschäftsreisen auswirken“, befürchtet von Bülow.
„Hamburg zählt zu den beliebtesten Zielen bei Städtereisen innerhalb Europas“, konstatiert Kathrin Wirth-Ueberschär. Für 2024 rechnet der Branchenverband des Gastgewerbes DEHOGA mit ähnlich guten Zahlen – rund 16 Millionen Übernachtungen – wie im Jahr zuvor. Zugleich aber ist die Zahl der Betten innerhalb der Stadt um 2000 gestiegen. „Das Stück vom Kuchen fällt für jeden also etwas kleiner aus“, so Wirth-Ueberschär.
Besonders beliebt ist die Stadt bei Touristen aus Skandinavien, die meist mit ihren Familien die Stadt entdecken. Ein Trend, den Florian Woithe, neuer General Manager des Steigenberger Hotels Hamburg, auch für sein Haus bestätigen kann. Hinzu kommt ein weiterer Trend, der der Branche viel Flexibilität abverlangt: ein immer kurzfristigeres Buchungs- und Stornierungsverhalten. „Unternehmen fahren immer mehr auf Sicht und buchen kurzfristig“, berichtet Woithe. Das erschwere die Personalplanung bei einer ohnehin angespannten Personalsituation. Köche, Servicekräfte und Rezeptionisten seien seit Jahren rar.
„Nach der Pandemie war die Personalnot besonders groß“, erinnert sich Kathrin Wirth-Ueberschär. Mittlerweile seien einige wieder in diese „wunderbare Branche“ zurückgekehrt, entspannt sei die Lage deswegen aber nicht. Das könnte sie aber sein, würden endlich die bürokratischen Hürden, wenn es darum geht, Menschen aus Drittstaaten in Arbeit zu bringen, abgeschafft. Derzeit kann es Monate dauern, bis ein qualifizierter Bewerber seine Stelle antreten kann.
„Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollte eigentlich Erleichterung verschaffen“, erläutert Marcus Troeder, stellvertretender Leiter des Handelskammer-Geschäftsbereiches „Fachkräfte und Lebenswerte Metropole“. „Aber es läuft noch nicht rund, Bürokratieabbau auf mehreren Ebenen bleibt für uns das Top-Thema für 2025.“
Das hört André Egger vom „Zollenspieker Fährhaus“ gern. Ihn stört schon lange, dass seine Köche immer weniger Zeit zum Kochen haben, stattdessen viele Arbeitsstunden für die Dokumentation am Schreibtisch sitzen müssen. Und das, obwohl er ohnehin viel zu wenig Köchinnen und Köche hat und weitere sucht. Die Suche danach hat er nach Jahren fast aufgegeben, sein Haus setzt nun verstärkt auf Auszubildende. Die Bewerberlage sei sehr erfreulich, das dürfte auch an der übertariflichen Bezahlung im Haus liegen.
Auch Hotelmanager Florian Woithe ist derzeit für sein „Restaurant am Fleet“ auf der Suche nach neuem Personal. Hier sollen ab Ende Januar die Öffnungszeiten erweitert werden. Der 38-Jährige setzt bei der Suche neben Azubis zusätzlich auf Saisonverträge. Seine Hoffnung: Köchinnen und Köche, die im Winter in Kitzbühel kochen, sollen im Sommer in den Norden kommen.
Ein Personalproblem hat das französische Traditionsrestaurant „Le Plat du Jour“ in Hamburgs City nicht. „Bei uns arbeiten hauptsächlich Franzosen“, sagt Geschäftsführer Magrem Rejeb. Weil die wirtschaftliche Lage in Frankreich derzeit schwierig sei, Trinkgelder dort viel kleiner ausfallen, das Leben teurer ist, sei Hamburg für viele die bessere Alternative.