Trotz bester Lage wirkt das Rathausquartier wenig einladend: Schmale Gehwege mit einem Flickenteppich aus unterschiedlichen Belägen prägen das Ensemble südöstlich des Rathauses zwischen Mönckeberg- und Domstraße. Es gibt wenige Bäume und kaum Sitzgelegenheiten, dafür umso mehr Schilder; das Straßenbild wirkt unaufgeräumt und unruhig. Doch diese unbefriedigende Situation soll sich bald ändern. Die Grundeigentürmer wollen 3,67 Millionen Euro investieren, die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen steuert vier Millionen Euro bei. Das Quartier, so das Versprechen, soll ein neues Gesicht erhalten mit Fußgängerzonen, viel Grün und mehr Platz für Gastronomiebetriebe. Ein Projekt, das wie viele andere ein Vorbild ist. Denn Grundbesitzende, Gewerbetreibende, Anwohnende und die Stadt ziehen hier an einem Strang – organisiert im BID Rathausquartier.
Aktiv für die Stadtentwicklung
Obwohl es Business Improvement Districts (BIDs) schon seit fast zwei Jahrzehnten gibt, sind sie öffentlich noch immer wenig bekannt. Ihre Existenz verdanken sie dem 2005 verabschiedeten „Gesetz zur Stärkung der Einzelhandels- und Dienstleistungszentren“, mit dem Hamburg ein Vorreiter in Deutschland war. Seither können Grundbesitzende in ihr Quartier investieren, indem sie sich zusammentun und in Abstimmung mit der Stadt den öffentlichen Raum gestalten und pflegen sowie ergänzende Marketingaktivitäten organisieren. „Über das BID kommen die Akteure in den Dialog“, sagt Gesa Hastedt, Leiterin der Handelskammer-Abteilung „Stadtentwicklung, Metropolregion“. „Stadt und Eigentümer können sich abstimmen und gemeinsam nach Lösungen suchen, um ihr Quartier aufzuwerten.“
In der City müssen wir Besuchsanlässe schaffen.
Gesa Hastedt
Solche Lösungen sind heute mehr gefragt denn je. Denn die Herausforderungen für die Städte wachsen. Internet-Giganten wie Amazon setzen den stationären Handel immer weiter unter Druck, auch in guten Lagen sind Leerstände zu beklagen. Der gleichzeitige Mangel an Wohnraum ist nicht nur für die Einheimischen ein Problem, sondern erschwert auch den Zuzug von Fachkräften. Es gilt also, neue Wohnungen zu schaffen – und die Stadt attraktiv für Zuziehende zu machen. Hinzu kommt das Problem der adäquaten Reaktion auf den Klimawandel und die Frage, wie sich das Ziel einer lebenswerten, klimafreundlichen Stadt samt beschränktem Autoverkehr mit der Erreichbarkeit von Betrieben durch Lieferanten und Kundschaft in Einklang bringen lässt.
Gesa Hastedt sieht Hamburg dennoch gut aufgestellt: „Wir haben eine attraktive City, die viele Menschen anzieht. Und die Lage am Wasser sorgt dafür, dass es auch im Hochsommer nicht so heiß wird.“ Allerdings dürfe sich die Hansestadt nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. „Hamburg ist eine fantastische Stadt mit einer wunderschönen City, sicherlich ein großer Pluspunkt, aber auch unser Stadtzentrum muss weiterentwickelt werden.“
Erfolgreiche Projekte
Was BIDs für die Stadtentwicklung leisten, ist etwa am Neuen Wall zu besichtigen. Anfang der 2000er-Jahre war das Straßenbild der Luxusmeile von schmalen, schlecht gepflegten Gehwegen und ungeordnet parkenden Autos geprägt, die den Blick auf Fassaden und Schaufenster versperrten. 2005 kam die Wende mit der Einrichtung des BID Neuer Wall, des ersten BID in einer deutschen Innenstadt. Dank heller Granitsteine und neuer Kreuzungsbereiche wurde die Straße optisch größer. Neue Straßenmöbel wie Bänke, Fahrradbügel und 160 terrakottafarbene Pflanzenkübel vermittelten klare Strukturen. Inzwischen planen die Macher die fünfte Laufzeit des Projektes. Investiert wird nicht nur in Steine, Straßenmöbel und Beleuchtung, sondern auch in mehr Sauberkeit, eine neue Homepage und Weihnachtsaktionen.
Seit der Premiere 2005 am Neuen Wall und am Sachsentor in Bergedorf wurden 39 BIDs gegründet oder neu aufgelegt. Zu den bekanntesten in der City gehören das BID Hohe Bleichen/Heuberg, das den Heuberg von einem Parkplatz zu einem gelungenen öffentlichen Raum mit Kirsch- und Lebensbäumen umwandelte, das BID Dammtorstraße | Opernboulevard (aus der Durchgangstraße wurde ein beliebter Gastronomiestandort) sowie das BID Nikolai-Quartier. Mit einem Budget von rund 9,32 Millionen Euro – Rekord für ein Hamburger BID – brachte es das Gebiet auf den Standard der benachbarten Quartiere und erneuerte unter anderem sämtliche Gehwege und Straßen. Aber auch in anderen Bezirken hatten und haben BIDs Hochkonjunktur, etwa in Eimsbüttel (BID Tibarg), Harburg (BID Lüneburger Straße), Altona (BID Waitzstraße/Beselerplatz), Hamburg-Nord (OXBID) und Wandsbek (BID Wandsbek Markt).
Infos zu BIDs
Auf der Website der Handelskammer finden Sie Links zu Seiten mit zahlreichen Informationen zu Business Improvement Districts in Hamburg, ihren Aufgaben und dem gesetzlichen Rahmen ihrer Aktivitäten in der Stadt.
Und neben den BIDs engagieren sich natürlich noch zahlreiche weitere Akteure für eine schönere Stadt. Allein mit der Entwicklung der City befassen sich 27 verschiedene Gesprächskreise und sechs Behörden, sagt Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne im Podcast, und zu den BIDs kommen unter anderem noch rund 40 Quartiersinitiativen hinzu. Allen gemeinsam ist das Ziel, Aufenthaltsqualität und Attraktivität der unterschiedlichen Viertel zu steigern. Für die City bedeutet das etwa auch, sie so zu gestalten, „dass die Besucher gern in die City kommen“, sagt Gesa Hastedt. Und sie ergänzt: „Wir müssen Besuchsanlässe schaffen.“ Als gelungenes Beispiel nennt sie Großereignisse wie das Konzert von Kent Nagano und dem Philharmonischen Staatsorchester im September 2022 auf dem Rathausmarkt. Damals standen Interessierte stundenlang an, um einen der begehrten Sitzplätze zu bekommen – der Eintritt war frei.
Positiv sieht Hastedt auch die zahlreichen Aktionen des City Managements Hamburg, eines Netzwerks zahlreicher Unternehmen aus Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie sowie Kultur-, Freizeit-, Dienstleistungs-, Tourismus- und Immobilienwirtschaft. Wie die BIDs hat es sich zum Ziel gesetzt, die Innenstadt anziehender zu machen. „Wir sehen Veränderungen nicht als Rückschritt, sondern als Chance“, so die Website. Für Geschäftsführerin und City-Managerin Brigitte Engler „ist das Potenzial Hamburgs nahezu endlos“. Mit ihrem Team organisiert sie Kinoabende an der Binnenalster, schickt Märchenschiffe an den Jungfernstieg und organisiert verkaufsoffene Sonntage.
Konflikte lösen
Allein die genannten Beispiele zeigen, in welchem Maße die Initiativen von Wirtschaft und Politik auch den Interessen der Bevölkerung dienen. Doch natürlich bieten einige Stadtentwicklungsthemen auch reichlich Konfliktpotenzial – etwa die Fragen des Bewohnerparkens und der „autoarmen Stadt“. So musste der Verkehrsversuch „Ottensen macht Platz“, der die befristete Einrichtung einer autoarmen Zone vorsah, bekanntermaßen Ende Januar 2020 aufgrund der Klage mehrerer Gewerbetreibender vorzeitig abgebrochen werden.
Auch wenn die Klagen gegen das Nachfolgeprojekt „freiRaum Ottensen“ scheiterten, zeigt das Projekt: Nicht alle Probleme lassen sich lösen – aber es ist immer wieder wichtig, alle Beteiligten einzubeziehen und Kompromisse zu finden. Eine Rolle, die übrigens auch von den BID- und Quartiersinitiativen wahrgenommen wird, die sich um den Interessenausgleich innerhalb eines Quartiers bemühen.
Vor Hamburg liegt definitiv noch eine weite Strecke, doch viele Projekte sind bereits auf einem guten Weg – von der geplanten Verschönerung des Rathausmarkts bis zu den zahlreichen neuen Quartieren, die in den kommenden Jahren entstehen sollen. Und eines ist sicher: Die Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen.
Verkaufsoffene Sonntage
Ein Mittel zur Belebung der Innenstadt sind verkaufsoffene Sonntage. Da das Hamburgische Ladenöffnungsgesetz diese nur in Verbindung mit einer Veranstaltung erlaubt, sind sie jeweils einem Thema gewidmet. Die Termine im Jahr 2023: 2. April (das Thema war „Sport und Gesundheit“), 2. Juli („Inklusion und Integration“), 24. September („Kinder, Jugend und Familie“), 5. November („Kultur“). Sonntagsöffnungen gibt es auch in den Hamburger Bezirks- und Stadtteilzentren.