Seit der Corona-Pandemie hat der Anteil der Beschäftigten, die zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten, massiv zugenommen – doch entgegen manchen Erwartungen führte dies nicht zu einer verringerten Nachfrage nach Büroimmobilien. Mit einem Flächenumsatz von 565 000 Quadratmetern im Jahr 2022 stiegen die Neuvermietungen nicht nur um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr an, sondern lagen sogar über dem Zehnjahresmittel (2013–2022) von 522 500 Quadratmetern – und um 20 000 Quadratmeter über dem des Vor-Corona-Jahres 2019. Doch woher kommt der neue Büro-Boom?
Andreas Rehberg, Sprecher der Geschäftsführung bei Grossmann & Berger: „2021 war ein herausforderndes Jahr. Viele Unternehmen, gerade auch große, haben nach der Corona-Krise ihre Hausaufgaben gemacht und sich gefragt: Wie sieht die Zukunft des Büros im Hinblick auf die Integration des Homeoffice-Trends aus?“ Die Unternehmen standen dabei vor einer kniffligen Aufgabe. Schließlich galt es, die Belegschaft zu motivieren, zumindest einen Teil der Zeit wieder ins Büro zurückzukommen. Und dafür wurden andere, vor allem besonders attraktive Räume benötigt.
Attraktive Büros schaffen
GEFIS
Tagesaktuelle Informationen über verfügbare Gewerbeflächen in der Metropolregion Hamburg liefert die Datenbank GEFIS. Wissenswertes zu diesem Thema erfahren Sie auch auf HW Online.
„Die neuen Büros haben weniger feste Arbeitsplatzfläche, dafür mehr Kommunikations- und Meeting-Zonen“, berichtet Rehberg. „Das schafft man meistens im alten Objekt nicht. Die Umstrukturierung der Arbeit ist also gepaart mit einem Umzug.“ Generell sieht Rehberg einen Trend zur „Wohlfühlatmosphäre“. Gewünscht sei eine hohe Aufenthaltsqualität, man müsse sozusagen das Wohnzimmer ins Büro hereintragen. Hinzu komme, dass die neuen „Arbeitslounges“ hohen technischen Anforderungen genügen müssen. Erforderlich seien Konferenzräume, Orte für Video-Schalten und veränderbare Raumkonzepte, die es ermöglichen, schnell und flexibel von überall aus arbeitsfähig zu sein.
Wenn Unternehmen ihren Standort wechseln – wie die Haspa, die im Herbst 2023 von der City Süd ins Deutschlandhaus am Gänsemarkt umzieht –, spielt also auch die Motivation der Mitarbeitenden eine Rolle. Für andere Betriebe wiederum sind Nachhaltigkeitsaspekte und die massiv gestiegenen Energiekosten ein maßgeblicher Faktor. Dabei sieht Dr. Rolf Strittmatter, Geschäftsführer von Hamburg Invest, eine Tendenz zur Verkleinerung der Büroflächen – die wiederum zu einer erhöhten Nachfrage führt: „Durch die Veränderung der Arbeitswelten reduzieren die Büroflächennutzer einerseits ihre jeweiligen Flächenbedarfe. Der Veränderungsdruck auf die Unternehmen nimmt aber kontinuierlich zu, wodurch die Anzahl der Gesuche steigt.“
Die neuen Büros haben weniger feste Arbeitsplatzfläche, dafür mehr Kommunikations- und Meeting-Zonen.
Andreas Rehberg
Sehr deutlich sehen Hamburgs Fachleute für Gewerbeimmobilien zudem einen Trend zur Vermischung von Arbeits- und Lebenswelten. Heiß begehrt sind gut erreichbare Quartiere, in denen sich Wohnen und Arbeiten verbinden lassen. Die Innenstadt oder die City Süd werden heute wieder vermehrt zum Wohnen genutzt, und verkehrstechnisch gut angebundene Viertel mit viel Wohnbestand wie St. Georg, Altona und Bahrenfeld sind auch für Büro- und Gewerbeflächen hochattraktiv, führt Andreas Rehberg aus. Schließlich wünschen sich viele Beschäftigte kurze Wege zwischen Arbeitsplatz, Home(office) und nahe gelegenen Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten.
Moderne Industrieflächen
Nicht nur die Nachfrage nach Büroräumen liegt auf hohem Niveau, sondern auch im Segment Industrie und Logistik kann die Immobilienbranche in Hamburg nicht klagen. Der Flächenumsatz lag hier mit 525 000 Quadratmetern im Jahr 2022 zwar 17 Prozent unter dem Rekordwert des Vorjahres, übertraf aber das Zehn-Jahres-Mittel von 507 000 Quadratmetern. Einen der Gründe benennt Andreas Rehberg: „Der hohe Bedarf an Industrie- und Gewerbeflächen kommt auch deshalb zustande, weil viele Unternehmen ihre Produktion wieder nach Deutschland zurückholen wollen.“
Allerdings stehen im Stadtstaat Hamburg nicht immer genug Flächen zur Verfügung. „Das mangelnde Flächenangebot ist hier oft eine Herausforderung, die Nachfrage kann nicht immer gestillt werden“, sagt Rehberg. Und auch Rolf Strittmatter von der städtischen Gesellschaft Hamburg Invest, die Interessenten bei der Suche berät, bemerkt: „Allgemein kann man sagen, dass die Nachfrage nach Industrie- und Gewerbeflächen in Hamburg nach wie vor deutlich größer ist als das Angebot.“
Das liegt unter anderem daran, dass Industrie- und Logistikflächen andere Anforderungen stellen als Büroraum. Dazu gehört eine gute Verkehrsanbindung, auch an Hafen und Autobahn, vor allem aber die Möglichkeit, ohne Verstoß gegen Lärmschutzbestimmungen rund um die Uhr zu arbeiten und den Lieferverkehr zu bestreiten. Wie zum Beispiel in Billbrook – einem „spannenden, innenstadtnahen Gewerbestandort“, so Andreas Rehberg.
Es werden immer häufiger mehrstöckige Logistikkonzepte angedacht und realisiert.
Dr. Rolf Strittmatter
Laut Projektentwickler Rolf Strittmatter ist die Flächenknappheit des Industrie- und Gewerbestandortes Hamburg, der sich durch eine große Branchenvielfalt und Standorttreue der Unternehmen auszeichnet, tatsächlich eine Herausforderung. Er weist jedoch auf kreative Lösungsansätze hin: „Da kaum mehr neue, unbebaute Grundstücke vorhanden sind, mit Ausnahme der Logistikfläche ,Hub+ Neuland 23‘, findet in Hamburg eine vermehrte Brownfield-Aktivierung und Entwicklung auf Bestandsflächen statt. Mehrstöckige Logistikkonzepte werden immer häufiger angedacht und realisiert wie zum Beispiel das Projekt ,Mach II‘ von Four Parx in Wilhelmsburg.“
Handelsimmobilien unter Druck
Während Büros, Industrie- und Logistikflächen derzeit stark nachgefragt werden, richtet sich die Immobilienbranche beim Einzelhandel auf eher herausfordernde Zeiten ein, vor allem in der Hamburger City. So ermittelte eine neue Studie der Immobilienbank DZ Hyp seit 2019 einen Rückgang der Spitzenmieten in der Hamburger Innenstadt von 16 Prozent auf 240 Euro pro Quadratmeter. Für das laufende Jahr erwarten die Banken ein weiteres Schrumpfen um vier Prozent. Mit der Eröffnung eines 80 000 Quadratmeter großen Shopping-Centers in der HafenCity im Jahr 2024 dürfte der Druck auf die Innenstadt weiter zunehmen. Doch in jedem Wandel liegt auch eine Chance. Wer weiß, vielleicht ist die Innenstadt der Post-Kaufhaus-Ära ja das neue Wohn- und Lebens-Eldorado der Hamburger Zukunft.
Hamburg Invest
Die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamburg Invest ist zentraler Partner der Hamburger Wirtschaft zu allen Themen der Wirtschaftsförderung und bündelt alle Fragen zu Ansiedlungen und Investitionen in Hamburg. Um die Suche nach Gewerbeflächen oder Büros zu erleichtern, bietet das 2022 neu aufgelegte Immobilienportal von Hamburg Invest eine umfangreiche Übersicht über den Hamburger Gewerbeimmobilienmarkt.