Stadtpark Open Air und Schlagermove, Dom und Cruise Days, Marathon und Cyclassics: Im Jahr 2022 ist der Hamburger Veranstaltungskalender wieder gut gefüllt, und Hunderttausende nehmen das Angebot begeistert wahr. Doch die Events sind auch aus ökologischer Sicht eine Herausforderung, schließlich stellen sich hier zahlreiche umweltrelevante Fragen wie Stromverbrauch, Anreise, Lebensmittelangebot und Müllproduktion. Wie also steht es bei solchen Veranstaltungen um die Nachhaltigkeit? Ist der „grüne Ansatz“ über die Pandemie hinweg in den Hintergrund gerückt – oder wurde die Zeit genutzt, um nachzujustieren und Neues zu entwickeln?
Eine der Agenturen, die auf grünes Wirtschaften setzen, ist die Hamburger bergmanngruppe, die etwa die Altonale und das Eppendorfer Landstraßenfest organisiert. Mit ihrem Ökosiegel „Die grüne Gabel“ kennzeichnet sie ausgewählte Stände der Event-Gastronomie, die ihre Speisen nach saisonalen und regionalen Aspekten auswählen, auf Umweltfreundlichkeit und Tierwohl achten. Zum Start des Pilotprojektes im Juni waren beim Eppendorfer Landstraßenfest zwei von 70 Anbietern dabei – mitsamt besonderer Beflaggung und Social-Media-Kampagne. Weitere werden folgen.
„Wir begleiten die Standbetreiber kostenlos in der Kommunikation“, erklärt Nina Laible, Nachhaltigkeitsbeauftragte der bergmanngruppe. „Zum einen, um das Interesse auf diese Angebote zu lenken. Zum anderen, um Nachhaltigkeit aktiv erlebbar zu machen.“ Die Umstellung auf grünes Wirtschaften käme durch die Lockdown-Nachwirkungen allerdings noch etwas langsam in Schwung: „Alle Beteiligten müssen den Betrieb zunächst wieder hochfahren, und die Standbetreiber suchen zudem händeringend nach Mitarbeitern.“
Wir erreichen viele Menschen in einer Situation, in der sie offen für Neues sind.
Björn Hansen
Innerhalb der bergmanngruppe richten sich Strategie und Handeln jedoch zunehmend an nachhaltigen Grundsätzen aus. Die eigens entwickelte Agenda 2025 setzt dafür eine Reihe von Zielen – von ressourcenschonender Mobilität bis hin zu Abfallmanagement. Ein Schwerpunkt liegt auf Mehrwegsystemen, die unter anderem bei den Cruise Days (19. bis 21. August) in Teilen der Gastronomie eingesetzt werden sollen. Auch wenn die Kreuzfahrtbranche per se nicht gerade für Klimaneutralität steht, sieht Nina Laible vor allem in solchen Events enormes Potenzial: „Diese Veranstaltungen wecken Emotionen und können einen großen Querschnitt an Menschen auf nachhaltige Themen aufmerksam machen.“
Intensiviert und unterstützt wurde das Engagement der bergmanngruppe durch das Hamburger Netzwerk Green Events Hamburg, zu dem auch Unternehmen wie Ahoi Events (Christopher Street Day) und die Ironman Germany GmbH (Triathlon) gehören. In diesem offenen Verbund arbeiten Fachleute aus der Branche gemeinsam mit der Umweltbehörde seit 2015 daran, Events „grüner“ zu gestalten – unter anderem mit einer „Handreichung für nachhaltige Veranstaltungen“, die zahlreiche konkrete Ideen bereitstellt. Sie schlägt etwa vor, regionalen Ökostrom zu beziehen, auf freier Fläche Komposttoiletten einzusetzen, den Wasserdurchfluss am Waschbecken zu drosseln, Lebensmittelreste zu vermeiden sowie Gäste und Umweltteams mithilfe einer klaren Beschilderung bei der Mülltrennung einzubinden.
Grundsätzlich empfiehlt Green Events, die gesamte Organisationskultur auf grünes Wirtschaften auszurichten. Bei der Umsetzung können etwa das Festlegen eines Leitbildes und das Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichtes helfen, der transparent über eigene Aktionen informiert. Orientierung finden Unternehmen unter anderem beim Deutschen Nachhaltigkeitskodex, der 2011 als branchenübergreifender Standard entwickelt wurde.
Um die Konzepte und Tipps von Green Events in der Praxis zu testen, beteiligten sich 19 Akteure von Februar 2020 bis Mai 2022 an einer Pilotphase – darunter das Reeperbahn und das Dockville Festival, der Hamburger Sportbund und der Dom. Die Hockey Pro League hat sich bereit erklärt, bis 2025 klimaneutral zu werden.
Im Rahmen des Projektes lassen sich für die Veranstaltungen teilnehmender Betriebe in Hamburg zum Beispiel sogenannte Green Tickets erwerben: Beim Online-Erwerb einer Eintrittskarte werden die Emissionen errechnet, die bei An- und Abreise mit verschiedenen Verkehrsmitteln anfallen. Wer mit dem Auto statt etwa mit dem Fahrrad kommt, zahlt einen Ausgleich, der in ökologische Projekte investiert wird. Und zugleich werden die Gäste auf diese Weise für Nachhaltigkeit sensibilisiert.
„Die Bandbreite der Stakeholder, die sich an der Pilotphase von Green Events beteiligt haben, ist eine gute Grundlage, um daraus verpflichtende Rahmenbedingungen für Veranstaltungen abzuleiten“, sagt Björn Hansen, der mit seiner Morgenwelt GmbH unter anderem die Stadtpark Open Air und die ATP European Open als General Caterer versorgt und einer der Mitbegründer des Netzwerkes war.
Die besondere Herausforderung sieht Hansen derzeit jedoch weniger bei Veranstaltungen, die bereits „grün“ aufgestellt sind, wie das von ihm energieautark konzipierte Futur 2 Festival (27. August). Besonders schwierig sei es derzeit aufgrund des „katastrophalen Fachkräftemangels“, einen nachhaltigen Anspruch überhaupt erst hochzuschrauben. „Bei großen Produktionen geht es aktuell darum, überhaupt neuralgische Punkte wie etwa die Sicherheit abzudecken.“ Ein qualitatives Wachstum könne überhaupt nicht im Fokus stehen, wenn sich der Personalbedarf nicht annähernd decken lasse – und zwar weder bei studentischen Aushilfen noch bei Profis in Gastro und Technik. Dennoch setzt sich Björn Hansen leidenschaftlich für nachhaltige Events ein: „Die Veranstaltungsbranche muss mit gutem Beispiel vorangehen. Denn wir erreichen viele Menschen in einer Situation, in der sie offen für Neues sind.“
Mehrwegalternativen
Ab dem 1. Januar 2023 müssen gastronomische Betriebe und Stände, die Essen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen, eine Mehrwegalternative zu Einwegverpackungen anbieten. Hier finden Sie Informationen zum novellierten Verpackungsgesetz, Antworten auf zentrale Fragen – etwa zur Hygiene – sowie Empfehlungen zu verschiedenen Anbietern von Mehrwegsystemen.