Gut 100 Kilometer trennen den Hamburger Hafen von der Nordsee, doch die Lage im Binnenland ist ein echter Trumpf: Die engmaschig angebundenen mittel- und osteuropäischen Ballungszentren rücken dadurch näher, und per Binnenschiff geht es direkt weiter bis nach Tschechien.
Deutschlands größter See- und Europas größter Eisenbahnhafen setzt dabei seit jeher stark auf die Schiene. Die Zahlen beeindrucken: 2021 transportierte die Bahn mengenmäßig mehr als die Hälfte (52,8 Prozent) aller hier umgeschlagenen Güter, deutlich mehr als Lkw (39,7 Prozent) oder Binnenschiff (7,6 Prozent). Über zwölf Prozent des Schienengüterverkehrs in Deutschland haben laut Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) den Hamburger Hafen als Ausgangspunkt oder Ziel, und die Hafenbahn fertigte 2021 insgesamt 48,5 Millionen Tonnen Güter ab – vier Prozent mehr als 2020.
Noch deutlicher war das Plus beim Containertransport per Bahn, der um acht Prozent auf 2,79 Millionen TEU (20-Fuß-Standardcontainer) wuchs. Rund 2000 wöchentliche Containerzugverbindungen gibt es mit dem europäischen Hinterland, insbesondere mit Tschechien, Österreich und Polen. Ermöglicht wird dies auch durch die geografische Nähe zum größten Rangierbahnhof Europas im niedersächsischen Maschen.
Auf Hamburger Gebiet ist das Umschlagterminal in Billwerder eine wichtige Schnittstelle für den Umschlag von Gütern zwischen Straße und Schiene. Es fungiert dabei als Drehscheibe für Verkehre bis nach Skandinavien, ins Baltikum, in die Benelux-Länder und in die Schweiz, nach Österreich und Südeuropa, in den Balkan, in die Türkei – und sogar nach China. So beförderte die Bahn 2021 rund 160 000 TEU zwischen Hamburg und mehr als 25 chinesischen Zielorten. Da der Großteil der Bahnstrecke nach China („Neue Seidenstraße“) auf russischem Gebiet verläuft, sind die Aussichten allerdings derzeit unklar.
Den Bahnverkehr beschleunigen
Rund 62 Prozent des Containervolumens im Hafen (5,4 Millionen TEU) gelangte 2021 auf dem Landweg ins Hinterland, der Rest (3,3 Millionen TEU) wurde von großen Containerschiffen auf Zuliefer- und Verteilerschiffe (Feeder) umgeschlagen: Hamburg ist auch die bedeutendste nordeuropäische Transshipment-Drehscheibe für den Verkehr auf Nord- und Ostsee. Denn der Weg zur Ostsee ist durch den Nord-Ostsee-Kanal ebenfalls nicht weit.
In den Verkehrsplanungen für den Ostseeraum steht allerdings der Landweg im Fokus: Für eine noch bessere Hinterlandanbindung bis nach Schweden soll ab 2030 die Feste Fehmarnbeltquerung sorgen, deren Bauarbeiten 2021 begonnen haben. Der 18 Kilometer lange Schienen- und Straßentunnel unter der Ostsee soll Hamburg als südlichste Stadt Skandinaviens positionieren. Dafür muss die DB Netz AG, die Infrastrukturtochter der Deutschen Bahn, die Schienenanbindung auf deutscher Seite rechtzeitig optimieren. Dazu gehört der zweigleisige, elektrifizierte Aus- und Neubau der Bahnstrecke auf 88 Kilometern parallel zur Autobahn 1 Lübeck–Fehmarn.
Wir brauchen dringend eine zweite Schienenanbindung der Hafenbahn an das Infrastrukturnetz der DB.
Roger Mahler
Auch bei den Bahnverbindungen Richtung Süden sind Verbesserungen geplant. Der Streckenabschnitt über die Elbrücken nach Harburg, über die täglich bis zu 1000 Züge rollen, ist derzeit noch ein Flaschenhals. Bis Mitte der 2030er-Jahre will die DB Netz den Personen- und Güterverkehr bestmöglich trennen und zusätzliche Kapazitäten fertigstellen. „Wir brauchen dringend eine zweite Schienenanbindung der Hafenbahn an das Infrastrukturnetz der DB. Wir fordern einen Zeithorizont für die Anbindung des Bahnhofsteils Altenwerder Ost in Richtung Kattwykbrücke und über den Bahnhof Unterelbe nach Harburg“, erklärt Roger Mahler, Geschäftsführer bei METRANS Rail (Deutschland). Die HHLA-Tochter bietet Containertransporte im Hinterlandverkehr mit Mittel-, Ost- und Südosteuropa an.
Weiterer Infrastrukturausbau gefordert
Beim Zu- und Nachlauf ist das dominierende Containersegment weiterhin fast zur Hälfte (46,1 Prozent) auf Lkw angewiesen. Wichtige Zufahrten zum Hafen leiden daher unter hoher Verkehrsbelastung. Damit diese Schlagadern der Hamburger Wirtschaft nicht verstopfen, unterstützt die Handelskammer den geplanten Ausbau des Autobahnnetzes, etwa die Erweiterungen der A7 südlich des Elbtunnels und der A1 im Hamburger Osten.
Besonders dringlich ist ein Ersatz für die 1974 in Betrieb genommene Köhlbrandbrücke, über die täglich im Schnitt etwa 38 000 Fahrzeuge fahren. Die Lebensdauer des Bauwerks ist begrenzt, und mit seinen 53 Metern Höhe versperrt es den neuesten Megaschiffen die Zufahrt zu Hamburgs modernstem Containerterminal in Altenwerder (CTA). Deshalb soll die Brücke laut derzeitiger Planung bis 2034 durch einen etwa zwei Kilometer langen Tunnel unter dem Köhlbrand ersetzt werden.
Vorgesehen sind zwei Röhren mit je zwei Etagen – oben für Lkw und Pkw, unten möglicherweise für ein Container-Transportsystem mit selbstfahrenden Zugmaschinen. Die Feinplanung soll bis 2024 stehen, das Planfeststellungsverfahren bis 2026 abgeschlossen sein.
Der Bau der neuen Köhlbrandquerung und der A26-Ost dulden keinerlei Aufschub.
Norbert Aust
Ebenso dringlich erscheint aus Sicht der Wirtschaft die Hafenpassage A26-Ost, die den Hafen direkt mit der A7 im Westen und der A1 im Osten verbinden soll. Die knapp zehn Kilometer lange Trasse würde die Bundesstraße 73 und die Willy-Brandt-Straße vom Lkw-Durchgangsverkehr entlasten, es gäbe weniger Stau. Der Senat strebt die Verkehrsfreigabe für 2031 an und veranschlagt 1,85 Milliarden Euro. „Der Bau der neuen Köhlbrandquerung und der A26-Ost dulden keinerlei Aufschub“, unterstreicht Handelskammer-Präses Prof. Norbert Aust.
Denn: Nur wenn notwendige Infrastrukturvorhaben und Transformationsprozesse aktiv angegangen werden, kann der Elbhafen, den manche angesichts seiner Nähe zum Nord-Ostsee-Kanal und des Feederschiff-Verkehrs in die Ostsee auch den „westlichsten Ostseehafen“ nennen, seine zentrale Funktion als Drehscheibe für den internationalen Warenverkehr bestmöglich erfüllen.
Russland-Verkehre
2021 lag Russland beim Seegüterumschlag mit 10,8 Millionen Tonnen auf Platz 2 der Handelspartner des Hafens. Bei Massengütern wie Kohle und Mineralölprodukten, dem wichtigsten Segment, lag das Land auf Platz 1 – und auf Platz 4 beim Containerverkehr. Letzterer ging aufgrund der Krim-Annexion von 718 000 im Jahr 2013 auf 337 000 TEU (2021) zurück. Viele Massengüter aus Russland werden aktuell weiter hier umgeschlagen, da sie nicht unter die Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs fallen. Der Containerverkehr mit Russland ist stark eingeschränkt. Am 22. März hat ihn die HHLA für nicht sanktionierte Güter wieder aufgenommen.
Wichtige Projekte
Welches sind die wichtigsten Projekte, um Lücken im Infrastrukturnetz zu schließen und die regionale Erreichbarkeit Hamburgs zu verbessern? Die Handelskammer stellt sie übersichtlich in einer „Verkehrsdrehscheibe“ dar.