Hamburg mischt mit

Bauen ohne Beton ist heute kaum noch denkbar. Zugleich hat dieser Baustoff eine katastrophale Klimabilanz. Wege aus dem Dilemma werden dringend gesucht – und auch in Hamburg entwickelt.
OttoWulff/Miguel Ferraz
Thomas Storm (li.) und Robert Jäger von der Bauunternehmung OTTO WULFF schauen sich in der sogenannten „Musterbude“ auf dem Firmengelände in Billstedt unterschiedliche Arten von Recyclingbeton an.

Von Torsten Meise, 11. Februar 2025 (HW 1/2025)

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blu by AUG. PRIEN
Bei blu, der Tochter der Bauunternehmung AUG. PRIEN, kommt unter anderem sogenannter „Geopolymerbeton“ zum Einsatz, der keinen Zement als Bindemittel enthält, sondern Bindemittel auf Basis industrieller Nebenprodukte wie Hüttensand und Flugasche, was die CO2-Bilanz deutlich verbessert.

Der CO2-Ausstoß der Bauindustrie ist ein großes Thema beim Klimaschutz. Vor allem die Herstellung von Zement, zentraler Bestandteil von Beton, ist für acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. In der Bauindustrie ist der Baustoff jedoch nicht zu ersetzen. Deshalb ist die Suche nach „grünem“ Beton eine der großen Herausforderungen in der Klimapolitik.

Gleich zwei Hamburger Unternehmen ließen dabei in jüngster Zeit aufhorchen: Während die 2022 gegründete AUG.-PRIEN-Tochter blu in Norderstedt erstmals in Deutschland zementfreien Beton im Wohnungsbau verwendet, treibt die Bauunternehmung OTTO WULFF die Entwicklung und Nutzung von Recyclingbeton voran.

Dieser entstand im Rahmen des EU-Forschungsprojektes „CIRCuIT“, an dem neben der Technischen Universität Hamburg (TUHH) auch mehrere norddeutsche Firmen wie OTTO DÖRNER oder EGGERS Tiefbau beteiligt waren. Getestet wurde das Material auf dem OTTO-WULFF-Firmengelände in Billstedt, wo mit der sogenannten „Musterbude“ ein Gebäude aus diversen Varianten entstand.

Durchgesetzt hat sich eine spezielle Mischung, die zu etwa 70 Prozent aus mineralischem Abfall besteht und durch ihre Eigenschaften absolut praxistauglich ist. Bereits bewiesen wurde das beim Neubau eines Schulgebäudes in Eilbek, das im Frühjahr 2024 Richtfest feiern konnte. In einem deutlich größeren Umfang wird der klimaschonende Beton schon bald eingesetzt, wenn das Wilhelmsburger Rathausviertel entsteht. Dort wird OTTO WULFF ihn zum Bau von 185 Wohneinheiten nutzen.

UBS4, hinter dieser etwas kryptischen Abkürzung steckt der von „blu by AUG. PRIEN“ realisierte Bau von 71 öffentlich geförderten Wohnungen in zentraler Lage von Norderstedt. Das gesamte Projekt ist darauf ausgelegt, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sowohl im Betrieb als auch bereits beim Bau.

Bauen mit Holz Hamburg hat sich ebenfalls zu einem Hotspot für ambitionierte Holzbauten entwickelt. Mit dem „Roots“ steht in der HafenCity zum Beispiel Deutschlands höchstes Holzhochhaus. Das 65 Meter hohe Gebäude, seit 2024 fertiggestellt, beherbergt 128 individuelle Eigentumswohnungen auf 19 Stockwerken. Zahlreiche weitere Neubauten in Hamburg nutzen die Ressource Holz, um ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Die Verwendung von Holz bei Nichtwohngebäuden kann auch von der IFB Hamburg bezuschusst werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Mehr Infos hier.

Neben recyceltem Klinker oder nachhaltigen Strohbauplatten kam bei dem Holz-Skelettbau sogenannter „Geopolymerbeton“ zum Einsatz. Statt Zement enthält dieser Bindemittel auf Basis industrieller Nebenprodukte wie Hüttensand und Flugasche. Dies verbessert die CO2-Bilanz deutlich. Die Einsparung liegt bei bis zu 75 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Beton. Geopolymerbeton gilt deshalb als spannende Alternative.

„Für dieses Projekt haben alle an einem Strang gezogen, bis hin zu der Einzelgenehmigung für den zementfreien Beton“, sagt blu-Geschäftsführer Carsten Joost. Er würde sich wünschen, dass der Nachhaltigkeitsgedanke bei Hamburger Bauprojekten stärkeres Gewicht bekäme, „und zwar nicht nur bei Leuchtturm-, sondern auch bei Massenprojekten“.

Chancen dafür sieht er derzeit vor allem bei gewerblichen Projekten, wo der Wert von Immobilien auch durch Zertifizierungen wie die der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V.“ (DGNB) gesteigert wird. Die notwendige Bereitschaft, für besseren Klimaschutz auch höhere Materialkosten in Kauf zu nehmen, schätzt Joost angesichts massiv gestiegener Baupreise derzeit allerdings als eher gering ein.


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