Wie schön es doch wäre, sich einfach wie in der „Star Trek“-Serie von einem Ort zum anderen zu beamen! Diese Idee bleibt leider Science-Fiction – doch die Hamburger Wirtschaft und Forschung entwickelt derzeit eine Reihe ganz realer Zukunftsprojekte zur Lösung unserer Mobilitätsprobleme. Welche Entwicklungen und Perspektiven derzeit aktuell sind, zeigt das HEY/HAMBURG Mobility Festival – eine Plattform für Ideen, Innovation und Inspiration, die am 22. und 23. Juni in und vor der Handelskammer stattfindet und sämtliche Bereiche der Mobilität in Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops beleuchtet.
Mikromobilität und Digitalisierung
Welche aktuellen Mobilitätstrends sind derzeit in der Diskussion? Einen Überblick darüber gibt Zukunftsforscher und Mobilitätsexperte Stefan Carsten, Autor des „Mobility Reports 2024“, auf der HEY/HAMBURG – und präsentiert etwa Konzepte wie Flex Commuting (flexible Alternativen zum Pendeln per eigenem Auto), Microsharing (Kleinfahrzeuge, auf die alle zugreifen können) oder RoboCabs (fahrerlose Taxis).
Einer der Schwerpunkte der Veranstaltung ist dabei, wie sich in urbanen Zentren wie Hamburg ein gerechter, nachhaltiger Verkehrsmittelmix herstellen lässt: Diesem Thema widmet sich der Bereich „Urbane Mobilität & Infrastruktur“. Mit seinen vielfältigen Transportformen ist Hamburg zwar bereits eine der multimodalsten Metropolen Deutschlands, entwickelt sich jedoch auch zu einer Hauptstadt für Mikromobilität.
Deshalb bekommen kleine, emissionsfreie Fahrzeuge eine große Bühne. Vor der Handelskammer können alle Interessierten Fahrräder, Pedelecs, Lastenräder, E-Scooter, E-Motorroller und E-Motorräder sowie Microcars testen. Darunter sind Elektrofahrzeuge von etablierten Hamburger Händlern wie Trankvile und Ahoi Velo Cargobikes, aber auch Transportmittel des jungen norddeutschen Unternehmens bleudQ, das seit Februar auf 1600 Quadratmetern einen Shop in der City Süd betreibt.
Einen Blick in den Verkehr der Zukunft ermöglicht der Schwerpunkt „Digitalisierung & Connectivity“. Hier stehen vernetzte Fahrzeuge, digitale Gadgets, Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Telematik im Zentrum – und die Frage: Wie könnte urbane Mobilität 2030 in Hamburg aussehen, und welche Rolle spielen dabei vernetzte Systeme? Einer der Vortragenden ist Tobias Brzoskowski, Geschäftsleiter der Hochbahn-Tochter NMS New Mobility Solutions. Diese will Hamburg mit digitalen Lösungen dabei unterstützen, eine Modellstadt für digitale Mobilität zu werden. Einen Beitrag dazu leisten etwa intelligente Park- und Paymentlösungen in Metropolregionen, die Ellen Kuder von der Riverty Group vorstellt.
Alternative Antriebstechniken
Großen Raum auf dem Mobility Festival erhält auch der Themenschwerpunkt „Nachhaltige Mobilität & Erneuerbare Energien“. Im Fokus stehen hier „grüne“ Verkehrsträger und alternative Antriebstechnologien mit Wasserstoff, Strom oder Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) sowie die Versorgungssicherheit. Eine Vorreiterrolle nimmt etwa Hamburg Airport ein: Der Flughafen treibt die wasserstoffbasierte Flugzeugentwicklung voran und will sich als H2-Hub für die Luftfahrt etablieren – ein Projekt, das Flughafenchef Michael Eggenschwiler auf der HEY/HAMBURG in einem Impulsvortrag vorstellt. Aktuell bewirbt sich das von Fuhlsbüttel aus initiierte „Baltic Sea Region Project“ um EU-Fördergelder, um Flughäfen im Ostseeraum auf „grünen“ Wasserstoff vorzubereiten.
Im Herbst könnte das Projekt starten und spätestens 2026 das erste mit gasförmigem Wasserstoff betankte Kleinflugzeug in Hamburg abheben: ein „Antrieb der Zukunft“ für kleine Turboprop-Maschinen auf Strecken bis zu 600 Kilometern, so Flughafenleiter Umwelt Jan Eike Blohme-Hardegen. Auch für das Fliegen mit Flüssigwasserstoff sieht der Flughafen Perspektiven – und erprobt zusammen mit Lufthansa Technik und zwei Forschungszentren Wartungs- und Bodenprozesse wie Betankung und Befüllung an einem Airbus A320.
EMR European Metal Recycling wiederum will in die Batterie-Kreislaufwirtschaft für Elektrofahrzeuge einsteigen. „E-Mobilität kann sich nur etablieren, wenn ausreichend strategische Rohstoffe zur Verfügung stehen“, ist EMR-Geschäftsführer Murat Bayram überzeugt. Auf dem Mobility Festival stellt er ein aktuelles Projekt vor. Ab Sommer will EMR an einem dritten Hamburger Standort in Billwerder aus ausgedienten Elektrofahrzeug-Batterien „die schwarze Masse retten“. Sie bleibt nach dem Schreddern übrig und enthält Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel.
Mindestens 30 neue Jobs sollen entstehen, denn „jede Batterie muss manuell auseinandergeschraubt werden, um die Zellen nicht zu beschädigen“, sagt Bayram. Das Recyclat könnte etwa für die geplante Lithium-Ionen-Batteriefabrik für Elektrofahrzeuge von Northvolt Germany in Heide (Schleswig-Holstein) interessant sein, deren Strategie- und Programmchef Nicolas Steinbacher zu den HEY/HAMBURG-Referenten zählt.
Lieferketten mit E-Lkw optimieren
Wie lassen sich Synergien verschiedener Verkehrsträger bestmöglich nutzen? Diese Frage bestimmt den Veranstaltungsschwerpunkt „Logistik & Lieferketten“. Ein alltagspraktisches Beispiel stellt Renault Trucks mit E-Fahrzeugen vor der Kammer vor: einem 16-Tonnen-Lkw, der sich für urbane und lokale Verteilerverkehre oder als Müllwagen nutzen lässt, und einem Transporter für die „letzte Meile“. „Im Oktober 2022 haben wir Kühne + Nagel den ersten elektrischen Verteiler-Lkw nach Hamburg geliefert“, sagt Felix Schlereth, Energy Transition Specialist bei Renault Trucks Deutschland. Ladeinfrastruktur sei auf dem Betriebsgelände der Spedition vorhanden, an Autobahnen lasse sich der Lkw mit dem standardisierten CCS-Stecker (Combined Charging System) aufladen. Seit Frühjahr 2022 verkauft der Hersteller in Deutschland in diesem Segment keine Diesel-Fahrzeuge mehr.
Olaf Hinz, Sales Manager Renault Trucks Vertrieb Nord, erklärt, was den E-Transporter für Liefer- oder Kurierdienste interessant macht: „Der Renault Master kann Touren bis zu 80 Kilometer ableisten und lässt sich wie ein Pkw an öffentlichen Ladepunkten oder der eigenen Wandladestation (Wallbox) aufladen.“ Für das zweite Halbjahr kündigt Renault Trucks darüber hinaus elektrifizierte Sattelzüge und Baufahrzeuge an. Noch weiter in die Zukunft der Mobilität blickt HEY/HAMBURG-CEO Hans Dr. Hans Hamer. Er kann sich gut vorstellen, dass im Jahr 2040 „komplett neue Dimensionen der Mobilität durch Drohnen, Flugtaxis und autonomes Fahren selbstverständlich sind“. Die Zukunft bleibt spannend – auch ohne Beamen.
HEY/HAMBURG
Das HEY/HAMBURG Mobility Festival 2023 findet am Donnerstag und Freitag, 22. und 23. Juni, in der Handelskammer statt. Auf dem jährlichen Event trifft sich die Mobilitätsbranche bereits zum dritten Mal. Es umfasst Panels, Workshops, eine Messe mit aktuellen Produkten und Projekten sowie eine Teststrecke für Mikromobilität. Neu ist die Rubrik „HEY Pioneer“, in der Start-ups aus aller Welt Innovationen und Geschäftsideen vorstellen. Infos, Programm und kostenlose Anmeldung hier.