Ist der Industriestandort Großstadt noch zeitgemäß?

Michael O. Grau, Geschäftsführer Mankiewicz Gebr. & Co. (GmbH & Co. KG), und Dr. Henning Ziemer, Geschäftsführer Synthopol Chemie Dr. rer. pol. Koch GmbH & Co. KG, antworten in der Rubrik „Pro & Kontra“.
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Von Kerstin Kloss, 7. Oktober 2022 (HW 5/2022)

Man vernetzt sich in der Großstadt leichter.

Michael O. Grau (76)
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MANKIEWICZ
Michael O. Grau, Geschäftsführer der Mankiewicz Gebr. & Co.  (GmbH & Co. KG) in Wilhelmsburg

Schon in der guten alten Zeit haben sich industrielle Standorte dort angesiedelt, wo hinreichend Ressourcen zur Bearbeitung und Schaffung industrieller Leistungen vorhanden waren – in der Regel in Ballungszentren. Nur dort konnten die komplexen Strukturen eines vertikal aufgestellten Industrieunternehmens bestens bedient werden. Vertikal und horizontal vernetzte Fachkräfte werden auch heute für qualitativ hochwertige Arbeitsleistungen benötigt und sind in der Großstadt reichlich vorhanden. Spezialisten lassen sich in notwendiger Fülle und differenzierter Nachfrage nur schwer auf dem Lande finden.

Vorteile bei Umweltauflagen können in der Stadt nicht unterstellt werden, da unsere Gesetze überall gleichermaßen erfüllt werden müssen. Die Vorschriften gelten heute national und teils international – egal ob sie Luft, Wasser oder Boden betreffen. Auch Verfügbarkeit von Energie spielt bei Industrieunternehmen eine entscheidende Rolle, ist in ländlichen Gebieten jedoch nur schwer zu bekommen.

Zugang zu Partnerschaften für fachlichen Rat erhält man auch wesentlich leichter im städtischen Umfeld. Ob Juristen, Ingenieure, Verkäufer oder Werker – alle stehen hier reichlich zur Verfügung, und man vernetzt sich entsprechend leichter. Ebenfalls von Vorteil ist die Zusammenarbeit mit vielen städtischen Institutionen wie Universitäten, Forschungseinrichtungen und Behörden. So lassen sich Umweltfragen, Brandschutz oder soziale Fragen sehr viel schneller und aktueller bearbeiten, gerade in unserer hochvernetzten und datengetriebenen Zeit.

Digitalisierungsspezialisten wünschen sich ein arbeitsfreundliches Umfeld. Auch hier sind Städte gegenüber dem Land durch ihr kulturelles Angebot, Sport und viele andere Freizeitaktivitäten einfach im Vorteil. Als Unternehmen mit 150-jähriger Tradition, globaler Verantwortung für 1500 Mitarbeiter und einer hochspezialisierten, weltweit führenden Industrielackfabrik am Standort Wilhelmsburg fühlen wir uns im städtischen Umfeld bestens aufgehoben.


In der Großstadt sind die Risiken höher.

Dr. Henning Ziemer (55)
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Synthopol Chemie
Dr. Henning Ziemer, Geschäftsführer der Synthopol Chemie Dr. rer. pol. Koch GmbH & Co. KG in Buxtehude

Die beiden externen Faktoren Nachbarschaft und Ansehen der Chemieindustrie sind aus meiner Sicht in der Großstadt schwieriger, weil es dort viel mehr Interessenträger gibt. Ich bin seit über elf Jahren Geschäftsführer bei Synthopol Chemie mit Sitz in Buxtehude, wir sind ein führender europäischer Kunstharzhersteller für die Farb- und Lackindustrie. In der Chemiebranche arbeite ich fast drei Jahrzehnten und kenne sowohl ländliche als auch citynahe Industriestandorte. Meine vorherigen Arbeitsplätze hatte ich unter anderem in Wandsbek, ich war auch lange in Frankfurt und drei Jahre in Frankreich. Dort waren wir mit sehr kritischen Nachbarn konfrontiert und Behörden, die Vorhaben teilweise nicht genehmigten.

Als Chemieunternehmen unterliegen wir dem Bundesimmissionsschutzgesetz und vielen weiteren Umweltgesetzen. Die sind zwar überall gleich, aber nach meiner Erfahrung ist die Handhabung in einer Großstadt häufig schärfer als im Umland, weil die Risiken höher sind. Wenn es in Hamburg mitten in der Stadt einen Störfall mit Stoffaustritt gibt, sind viel schneller Nachbarn betroffen und Sachschäden zu befürchten, als das hier der Fall ist.

Unser Familienunternehmen wurde 1957 in Hamburg gegründet, aber der Standort war schnell viel zu klein. Nachdem der damalige Stadtdirektor in Buxtehude auf persönlicher Ebene einige 10 000 Quadratmeter angeboten hatte, zog Synthopol 1966 um. Mittlerweile ist unser Gelände über 100 000 Quadratmeter groß, weil wir zwei Nachbargrundstücke kaufen durften. 40 000 Quadratmeter Wiese könnten wir noch nutzen, um organisch weiterzuwachsen. Wir haben hier als Arbeitgeber mit 200 Arbeitsplätzen ein ganz anderes Standing als in der Großstadt. Für die Fachkräftegewinnung ist das Argument der Lebensqualität relevant, vor allem bei höher qualifizierten Positionen profitieren wir von der Nähe zu Hamburg. Ein Plus bei internationalen Geschäften ist unser sehr schneller Zugang zum Hafen, in den USA oder in China wird unser Standort als Teil von Hamburg gesehen.


Das Verarbeitende Gewerbe ist bei Baugrundstücken in der Metropolregion Hamburg (MRH) eine wichtige Nachfragegruppe. Laut Gewerbeflächenmonitoring-Bericht 2021 wurden in diesem Wirtschaftszweig 72 Hektar Bauland mit durchschnittlicher Grundstücksgröße von 16 367 Quadratmetern veräußert. Das Flächenangebot für industrielle Nutzungen beträgt 816,9 Hektar, knapp die Hälfte in Mecklenburg-Vorpommern. Rund um Hamburg ist die Auswahl gering, in der Stadt umfasst sie 71,7 Hektar. Mit dem Gewerbeflächen-Informationssystem GEFIS lassen sich direkt vermarktbare Flächen finden. Die Handelskammer ist an GEFIS beteiligt. Weitere Infos finden Sie hier.

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