Mehr Lebensqualität fürs Viertel

Hamburger Unternehmen setzen sich intensiv dafür ein, ihre direkte Nachbarschaft aufzuwerten. Dabei ist die Beteiligung der Anwohnenden zentral – wie auch für stadteigene Betriebe.
Das Weidenquartier ist ein „Dorf in der Stadt“ – und die Geschäftsleute im gleichnamigen Verein wollen das Miteinander fördern.
Angerer/imago images
Das Weidenquartier ist ein „Dorf in der Stadt“ – und die Geschäftsleute im gleichnamigen Verein wollen das Miteinander fördern.
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Von Birgit Reuther, 29. Juli 2025

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Wim Jansen
Julia Bode, Inhaberin des Restaurants „Witwenball“ und Vorständin im Verein „WeidenQuartier“

Handwerklich, nachhaltig, inhabergeführt: Diese Charakteristika ihrer Läden, Cafés und Restaurants wollen die Geschäftsleute rund um die Weidenallee in Eimsbüttel stärker hervorheben. Deshalb gründeten sie den Verein „WeidenQuartier“. Unter dem Motto „Shoppen. Genießen. Verweilen“ sollen die rund 70 gastronomischen Betriebe und Geschäfte sichtbarer werden – vom Surfshop „Rebel Fins“ bis hin zum Keramikstudio „Porzellan Porten“.

Vor allem aber geht es darum, das geschäftliche und menschliche Miteinander zu fördern. Etwa mit gemeinsamer Weihnachtsdekoration, mit der Pflege von Grünflächen oder mit einem Instagram-Account, auf dem die Beteiligten porträtiert werden.

„Wir möchten zeigen, dass unser Quartier besuchenswert ist – für die Nachbarschaft, für Hamburger und Touristen. Und dass, obwohl oder gerade weil wir uns nicht direkt in der City befinden“, erklärt Julia Bode, Inhaberin des Restaurants „Witwenball“. Gemeinsam mit Julia Huber vom Kinderschuhladen „Anni & Otto“ sowie mit Claudia Pindinello, Wirtin des Lokals „L’incontro da Cosimo“, bildet sie den Vorstand des Vereins.

Für sie gehören zu einer lebenswerten Metropole unbedingt attraktive Quartiere. Wichtig ist dem Verein, sich eng mit den Anwohnenden auszutauschen und das organisch gewachsene Viertel auch vor Verdrängungsmechanismen wie Mieterhöhungen zu schützen. Mit der Idee von einem „Dorf in der Stadt“ will das „WeidenQuartier“ bewusst einen Kontrapunkt zum Online-Handel setzen. Es möchte sich durch Qualität und Individualität aber auch bewusst von Vierteln abheben, in denen primär große Einkaufsketten präsent sind.

BID Ein Business Improvement District (BID) ist ein Instrument der Quartiersentwicklung, für das Hamburg 2005 den rechtlichen Rahmen geschaffen hat. Seitdem können Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer in einen räumlich klar umrissenen Bereich investieren: In Abstimmung mit der Stadt können sie den öffentlichen Raum gestalten, pflegen und Marketingaktivitäten umsetzten. Ziel ist es, gemeinsam die Standortqualität zu verbessern. Hamburg hat als erstes deutsches Bundesland ein BID-Gesetz geschaffen. Das 2017 und 2022 novellierte Gesetz trägt nun den Namen „Gesetz zur Stärkung von Standorten durch private Initiativen (GSPI)“. Mehr Informationen hier.

Engagement im BID

Inspiriert wurden Bode, Huber und Pindinello bei der Gründung von der Marketingstrategie des „Kleinen Notting Hills Hamburgs“ in Eppendorf. Hamburger Pionier aller Geschäftsquartiere ist wiederum das Business Improvement District (BID) in Bergedorf. Das erste BID Deutschlands wurde 2005 im Südosten Hamburgs eröffnet, damals noch als „BID Sachsentor“. Am 20. November 2025 endet das vierte BID in der Bergedorfer Innenstadt.

„Dieses Format ist und bleibt auch in Zukunft notwendig“, bilanziert Michael Solscher, Gesellschafter bei der ausführenden Bergedorf Projekt GmbH. Als Herausforderungen nennt er Leerstände sowie große städtebauliche Maßnahmen, die das BID bewusst und aktiv unterstützen will.

Die Ansprüche an ein lebenswertes Quartier hätten sich in den vergangenen 20 Jahren enorm gewandelt. „Ging es früher eher um die perfekte Einkaufsmeile mit einem Generalangebot und Shopping-Erlebnis, so geht es heute um Reaktionen auf die Verkehrsproblematik, Umweltfragen, Klimawandel und doch auch um das Erlebnis der Stadt als erweiterter, lebenswerter Wohnraum.“  

Große Pläne für die Elbinsel

Sehr präsent in der jüngeren Geschichte Hamburgs sind auch die Planungen auf der Elbinsel Wilhelmsburg. Von 2006 bis 2013 war die IBA als städtische Tochter mit Konzeption und Durchführung der Internationalen Bauausstellung beauftragt. Seit 2014 ist sie für die Entwicklung neuer Quartiere in Hamburg zuständig.

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IBA Hamburg GmbH/moka studio
Im Spreehafenviertel in Wilhelsmburg ist ein Mix aus Mietwohnungen, Baugemeinschaften und Eigentum vorgesehen.

Für Christian Hinz, Projektkoordinator Quartiersentwicklung bei der IBA, zeichnet sich ein lebenswertes Quartier vor allem dadurch aus, dass ein Gefühl von Zuhause entsteht. Ausschlaggebend sei es, „keinen Architekturzoo zu produzieren“, sondern bedarfsgerecht Rahmenbedingungen zu schaffen. Und zwar in einem Mix aus Infrastruktur, Einkaufsmöglichkeiten, Bildungsangeboten, Parkanlagen, öffentlichem Nahverkehr, Spielplätzen und Sportanlagen.

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steg Hamburg mbH
Der Deutsche Städtebaupreis bescheinigte dem Pergolenviertel 2023 vorbildliche Entwicklung und Partizipation.

IBA-Sprecher Arne von Maydell wiederum betont, dass bezahlbarer Wohnraum der Schlüsselfaktor sei, um geschaffene Freizeitwerte überhaupt wahrnehmen zu können. In den Wilhelmsburger Projektgebieten – Rathausviertel, Elbinselquartier und Spreehafenviertel – setzt die IBA daher auf eine zielgruppengerechte Kombination aus Mietwohnungen, Baugemeinschaften und Eigentum. Diese drei Orte sollen zudem zu Geothermie-Quartieren mit klimafreundlicher Erdwärme werden.

Die Elbinsel ist ein Paradebeispiel für eine neue Suburbanität mit Wohnquartieren am Stadtrand, die urbanes Leben, Nachhaltigkeit und Naturnähe verbinden. „Wilhelmsburg wächst aufgrund seiner Qualitäten: Nicht weit weg von Hamburg, immer noch akzeptables Preisniveau plus ein gewisses Eigenleben als Insel“, erläutert Hinz.

Mit Partizipation zum Erfolg

Wenn in Hamburg als wachsender Stadt neue Quartiere entstehen, ist die bereits vorhandene Umgebung prägend. Das Pergolenviertel etwa, das sich in Winterhude auf 27 Hektar erstreckt, liegt ökonomisch gut eingebettet zwischen der Einkaufsmeile Fuhlsbüttler Straße und der Bürostadt City Nord mit Unternehmen wie Allianz Deutschland und Nordmetall.

Einst war auf dem Areal der Bau einer Stadtautobahn geplant, dann wurde es als Kleingartenanlage genutzt. Im Zuge der Wohnungsknappheit begann 2009 die Neugestaltung. Von Anfang an im Fokus: die Partizipation – eine Art „Planung im Dialog“, berichtet Maike Schwarz-Müller, die das Pergolenviertel seit 2010 für die Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirksamt Hamburg-Nord koordiniert.

„Soziale Einrichtungen und Gemeinschaftsräume wurden von Anfang an mitgedacht und nicht erst nachträglich integriert“, erklärt Dr. Johannes Dreher, beim Bezirksamt Hamburg-Nord zuständig für die integrierte Stadtteilentwicklung. Von den 1700 Wohneinheiten sind 60 Prozent öffentlich gefördert und richten sich an ganz verschiedene Gruppen, von Studierenden bis hin zu pflegebedürftigen Personen.

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IBA Hamburg GmbH
Arne von Maydell, Pressesprecher der IBA Hamburg GmbH

Mobilitätsangebote wie Car-Sharing und extra große Fahrradabstellräume zahlen ebenso auf die Idee der 15-Minuten-Stadt ein wie Supermarkt, Hofladen, Friseursalon, Arztpraxis und ein Schwimmbad. Eine Lebensqualität der kurzen Wege.

Das letzte Gebäude des Viertels wird im August bezogen. Ende 2025 endet dann auch die Arbeit des Quartiersmanagements, das seit 2017 von Tobias Kulzer und Eva Koch von der steg Hamburg geleitet wird. Bereits zwei Jahre vor Erstbezug haben die vom Bezirksamt beauftragten Stadtplaner den Prozess der Nachbarschaftsbildung angestoßen und niedrigschwellig zwischen Bewohnenden und Verwaltung vermittelt.

Beim Grundstückserwerb flossen jeweils ein Prozent der Kaufsumme in das Quartiersmanagement sowie in einen Verfügungsfonds über jährlich 2500 Euro, der Projekte wie Feste oder die Anschaffung von Sportgeräten ermöglicht. Die Organisation übernimmt nun der neu gegründete Verein „Leben im Pergolenviertel“. Für ein weiteres Stück lebenswerte Metropole.

Elbmeile „Wo Tradition und Zeitgeist zusammenfließen“: Unter diesem Motto präsentiert der Verein „Elbmeile Hamburg“ das Quartier zwischen Fischmarkt und Museumshafen Övelgönne – Hafenkulisse trifft auf urbane Lebensart. Die Mitglieder des Vereins setzen sich aus ganz unterschiedlichen Betrieben zusammen, vom Lokal „Eier Carl“ über das Theater „Opernloft“ bis hin  zur Orion Reederei. Zusammen wollen sie den Bekanntheitsgrad des Standortes erhöhen und die Elbmeile als Marke ausbauen. Der Verein kommuniziert zwischen Politik, Verwaltung und Gewerbetreibenden. Er fördert zudem Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Sport und Jugend.


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