Neue Wege im Welthandel

Die Hamburger Außenwirtschaft trägt entscheidend zum Wohlstand des Standortes bei. Doch sie steht vor großen Herausforderungen.
HHLA/Thies Rätzke
Der Hamburger Hafen (hier das HHLA-Container-Terminal Altenwerder) ist der größte Seehafen Deutschlands.

Von Clemens Gerlach, 26. September 2023 (HW 5/2023)

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Aurubis exportiert Kupferprodukte, aber auch Metallewie Gold, Silber und Blei in alle Welt.

Hamburg ist Deutschlands wichtigster Außenhandelsstandort: Etwa 19  000 Unternehmen sind hier am Außenhandel beteiligt, bei mehr als 8500 Firmen liegt der Geschäftsschwerpunkt im weltweiten Handel. Gemeinsam leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Industrie mit Rohstoffen und Vorprodukten und zur Wirtschaftskraft der Stadt.

Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Hafen ein, dem Hamburg historisch seinen Reichtum verdankt. In der Metropolregion waren 2019 rund 156 000 Arbeitsplätze mit dem Hafen verbunden – und deutschlandweit sogar gut 605  000, so eine Studie des Institutes für Seeverkehrswirtschaft und Logistik von 2021 im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Diese Beschäftigten generierten bundesweit eine Wertschöpfung von fast zehn Milliarden Euro und rund 2,57 Milliarden Euro Steuereinnahmen.

Besonders bedeutsam sind Hamburgs Handelsbeziehungen mit der EU, allen voran mit den Niederlanden und Frankreich: Laut Statistikamt Nord gingen im ersten Halbjahr zum Beispiel 5,9 Prozent der Hamburger Exporte nach Frankreich, und von dort kamen 5,7 Prozent der Importe. An der Spitze der Hamburger Handelspartner lagen wie in den Jahren zuvor China und die USA.

Die Handelskammer-Abteilung „Außenwirtschaft“ berät Mitgliedsunternehmen zu allen Im- und Exportfragen, etwa zu Warenein- und -ausfuhren, Zollrecht, Ausfuhrkontrollen, internationalem Marketing, Beschaffung, Zahlungsabwicklung, Finanzierung und Risikoabsicherung. Nähere Infos und nützliche Links erhalten Sie hier.

Der Export von Waren, die in Hamburg hergestellt oder wesentlich bearbeitet wurden, verzeichnete dabei im ersten Halbjahr 2023 eine deutliche Steigerung auf 26,7 Milliarden Euro – ein Plus von 2,9 Milliarden Euro (12,4 Prozent) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Wesentlich dafür verantwortlich war die Luftfahrzeugindustrie (plus 30,6 Prozent auf 11,6 Milliarden Euro): Luftfahrzeuge machten bereits 2019 rund 60 Prozent der Hamburger Exporte aus, in weitem Abstand gefolgt von Mineralölerzeugnissen, deren Ausfuhr im ersten Halbjahr 2023 um ein Fünftel sank.

Im gleichen Zeitraum wurden Waren im Wert von 38 Milliarden Euro in die Hansestadt importiert, mit deutlichen Zuwächsen bei Einfuhren aus Asien und Afrika (plus 11 beziehungsweise 33,5 Prozent), aber Rückgängen bei anderen Kontinenten. Der Wert der Importe blieb damit im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 insgesamt fast unverändert.

Eine Vielzahl von Herausforderungen

Obwohl Hamburg im ersten Halbjahr eine Exportsteigerung von 12,4 Prozent verzeichnete und sich die Wirtschaft weitgehend von den Folgen der Corona-Pandemie erholt hat, sind zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehören zum Beispiel die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, die aufgrund der damit einhergehenden Sanktionen den Russlandhandel nahezu zum Erliegen brachten und dort aktive Unternehmen zur Diversifizierung zwangen, insbesondere in Bezug auf den Handel mit Mineralölprodukten.

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Der Solarpark in Saih Al-Dahal südlich von Dubai City soll nach Fertigstellung fünf Gigawatt Kapazität haben.

Besondere Herausforderungen bereitet auch der für Hamburg bisher so wichtige China-Handel: Die wachsende geopolitische Rivalität zwischen China und den USA, die Spannungen in der Taiwan-Straße und nicht zuletzt die zunehmenden Krisenerscheinungen der chinesischen Wirtschaft zwingen Politik und Wirtschaft dazu, sich zu positionieren und neue Zielmärkte zu erschließen. Dem trägt auch das aktualisierte Außenwirtschaftskonzept des Hamburger Senates Rechnung und setzt sich unter anderem eine resilientere Gestaltung von Lieferketten zum Ziel.

„Besondere Bedeutung“ haben demnach Indien, die Pazifikregion sowie Latein- und Südamerika. Hinzu kommen zahlreiche Regulierungen wie das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz und die Nachhaltigkeitsziele der EU, die in immer neue Verordnungen und Richtlinien gegossen werden und insbesondere für kleine und mittlere Außenhandelsfirmen ohne Rechts- und Compliance-Abteilungen schwer zu bewältigen sind. Gerade solche Betriebe sind für die Diversifizierungsfähigkeit sehr wichtig. Sie kümmern sich etwa um Konfektionierung, Verpackung, logistische Abwicklung und Vertrieb. Gefordert sind deshalb neue Regulierungsansätze und eine Reduzierung der Compliance-Last.

Engagiert für die Wirtschaft

Um die Zukunft der Außenwirtschaft in der Metropole zu sichern, treibt auch die Handelskammer zahlreiche Aktivitäten voran. So hat sie etwa Kontakte mit zentralasiatischen Ländern geknüpft und Innovationspartnerschaften mit Israel und Dubai geschlossen. „Um die digitale Transformation der Hamburger Wirtschaft zu fördern, kann Israel als internationales Innovationszentrum wichtige Impulse liefern“, ist Philip Koch, Geschäftsführer International der Handelskammer, überzeugt. Die Kooperation mit Dubai betrifft dagegen insbesondere die Bereiche Mobilität, Gesundheitswirtschaft, Dekarbonisierung und (Erneuerbare) Energien, etwa den Austausch zu Produktion und Import von blauem und grünem Wasserstoff.

Für Außenwirtschaftsunternehmen sind internationale Kontakte oft entscheidend. Die Handelskammer informiert, wie sie sich finden lassen, und liefert passende Links – etwa zu Ländervereinen in Hamburg sowie zu Institutionen, Verbänden, Portalen und Geschäftsbörsen, die bei der Geschäftsanbahnung helfen können.

Die Diversifizierung bei der Energie- und Rohstoffversorgung soll in Zukunft Abhängigkeiten verhindern, wie sie zuvor mit Russland bestanden. Die Kammer setzt deshalb auch auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Ländern, die über viel Potenzial im Bereich Sonnen- oder Windenergie verfügen. „Südamerika ist ein Markt, der immer interessanter wird“, sagt Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne, der mit einer Wirtschaftsdelegation Chile, Uruguay und Argentinien bereiste.

Nach Lateinamerika hat Hamburg traditionell starke Beziehungen, und mit ausgewählten Ländern ist auch der Ausbau internationaler Fachkräftepartnerschaften geplant. „Wir müssen Zuwanderung fördern und vereinfachen, damit Fachkräfte aus dem Ausland mit ihren Familien bei uns eine neue Heimat finden können“, sagt Handelskammer-Präses Prof. Norbert Aust. Auch die Außenwirtschaft benötigt internationale Fachkräfte – doch ihr Zuzug bereitet nach wie vor etliche Schwierigkeiten.

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Michael Lindner/ Airbus
Airbus-Werk in Finkenwerder: Für die Exporte aus Hamburg spielt die Luftfahrtindustrie eine maßgebliche Rolle.

Weltoffenheit, Innovationsfähigkeit und Nachhaltigkeit sind für eine multikulturelle, international ausgerichtete Stadt wie Hamburg essenziell. Doch um den außenwirtschaftlichen Standort zu stärken, ist noch vieles zu tun – von der Reduzierung von Bürokratie und dem Abbau von Handelshemmnissen bis hin zur Modernisierung und besseren Anbindung des Hafens.


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