So gelingt die Nachfolge

Ein Unternehmen in gute Hände abzugeben, fällt oft schwer. Die Handelskammer unterstützt Betriebe bei der Nachfolgesuche und im Übergabeprozess.
Isadora Tast
Nachfolge aus dem Unternehmen: Anika Biehl ist seit 2018 gemeinsam mit Peter Duschek (li.) und Ulf Ch. Inzelmann geschäftsführende Gesellschafterin der Umco GmbH. Sie übernahm damals die Anteile des Gesellschafters Hubert Oldenburg.

Von Clemens Gerlach, 5. April 2024 (HW 2/2024)

Die Firma ist kerngesund. Der Umsatz stimmt, die Produkte sind bei der Kundschaft überaus geschätzt. Auch die Marktchancen wirken gut. Und dennoch gibt es ein Problem: Die Inhaber möchten sich zurückziehen, finden aber keinen Nachfolger. Vor dieser Schwierigkeit werden demnächst immer mehr Unternehmen stehen. Bis Ende 2027 sollen im Schnitt jährlich rund 125 000 mittelständische Unternehmen aller Branchen, darunter viele Familienunternehmen, in Nachfolgerhände kommen, so der aktuelle „Nachfolge-Monitoring Mittelstand“ der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Der jährliche „Tag des Mittelstands“, der dieses Jahr am 13. Juni in der Handelskammer stattfindet, ist dem Thema „Unternehmensnachfolge aktiv gestalten“ gewidmet. Beteiligt sind Handels- und Handwerkskammer („Externe Nachfolge“), das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg („Nachfolge durch Erben“) und der Verband Freier Berufe („Finanzierung“). Das Programm erscheint demnächst auf der Veranstaltungswebsite.

„Schon jetzt ist ein Drittel der Inhaberinnen und Inhaber im Mittelstand mindestens 60 Jahre alt“,  sagt Axel Hoops, Abteilungsleiter für Unternehmensförderung in der Handelskammer. „Die ‚Nachfolgelücke‘ wird in den kommenden zehn Jahren daher vermutlich stark zunehmen.“ Der demografische Wandel macht sich deutlich bemerkbar, die geburtenstarken Jahrgänge („Baby-Boomer“) gehen nach und nach in den Ruhestand. Und während früher die Kinder häufig wie selbstverständlich den elterlichen Betrieb übernommen haben – frei nach dem Motto „Euer Vater hat das aufgebaut, jetzt seid ihr dran“ –, wollen sie heute häufig eigene berufliche Wege gehen.

Wie herausfordernd die Lage ist, verdeutlicht auch die „Unternehmerkunden-Studie 2023“ der Commerzbank, die bundesweit 1600 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro einbezog. Von den befragten Inhaberinnen und Inhabern will jeder Fünfte sein Unternehmen noch maximal fünf Jahre führen. Und falls es keine Nachfolgeregelung gibt, wollen mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent) ihren Betrieb schließen.

Kostenlose Such- und Beratungsangebote

„Wir treten noch intensiver mit Unternehmen in den Beratungsdialog, um das Problem zu lösen“, betont Christian Möckelmann, Gebietsleiter Unternehmerkunden Hamburg bei der Commerzbank. „Da der Pool möglicher Nachfolger kleiner wird, ist es umso wichtiger, dass sich Inhaber rechtzeitig kümmern.“ Auch Ayhan Saka, in der Handelskammer Leiter des von 57 Industrie- und Handelskammern betriebenen Digitalprojektes „Unternehmenswerkstatt Deutschland“ (UWD), hält eine strukturierte Planung für unabdingbar. „Bei der Vorbereitung der Übergabe haben Unternehmerinnen und Unternehmer die Möglichkeit, die kostenlosen und datensicheren Services der UWD in Anspruch zu nehmen“, betont er. Dazu gehören Informationsangebote wie ein Nachfolgefahrplan oder der Unternehmenswertrechner sowie eine persönliche Beratung.

Christian Möckelmann (Commerzbank AG)
Alexandra Lechner
Christian Möckelmann, Gebietsleiter Unternehmerkunden Hamburg bei der Commerzbank AG

Laut Saka sind zudem überregionale Plattformen im Nachfolgeprozess sehr hilfreich. „So gibt es die Möglichkeit, nicht nur im nächsten Umfeld des Unternehmens nach einer Nachfolge zu suchen.“ Zum wichtigsten Portal hat sich die bundesweite, vom Bundeswirtschaftsministerium mit verschiedenen Partnern wie der DIHK betriebene Nachfolgebörse nexxt-change entwickelt. „Die Handelskammer unterstützt Unternehmen bei der Veröffentlichung in dieser Nachfolgeplattform, über die anonym inseriert und gesucht werden kann“, erklärt der Spezialist für Nachfolgefragen.

Ein weiteres unentgeltliches Beratungsangebot bietet die Handelskammer mit dem „Nachfolgedialog zur Unternehmensnachfolge“: In einem einstündigen Beratungsgespräch können Interessierte alle grundlegenden Aspekte der Unternehmensübergabe besprechen. „Wir können als Sprachrohr und Knotenpunkt für alle Unternehmen in Hamburg eine Plattform bieten, um den Kontakt zwischen Unternehmen und potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern zu erleichtern“, führt Axel Hoops aus – und betont die direkten wirtschaftlichen Folgen, die ein vermehrtes Ausbleiben von Nachfolgeregelungen hätte. „Es wäre aber auch ein Verlust an Lebendigkeit und Kundennähe in den Stadtteilen.“

Die Handelskammer leistet deshalb Unterstützung auf allen Ebenen. „Wir prüfen, wie wir den Prozess der Unternehmensnachfolge erleichtern können“, sagt Hoops. „Zudem behalten wir auf der politischen Ebene die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen am Standort im Auge.“ Wichtige Aspekte sind zum Beispiel regulatorische Anpassungen oder der Abbau bürokratischer Hürden.

Auch für die „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“ (VEEK) hat das Thema hohe Priorität. Robert Leitl ist Teil des VEEK-Netzwerkes und einer der Initiatoren des Beratungsprojektes „Nachfolge-Kompass“. Der Unternehmensberater und Geschäftsführer der Meisterwerk Gesundheit GmbH in Karlsruhe hat schon einige Firmenübergaben betreut. „Mit seinem Unterstützungsangebot will die VEEK als Wegweiser durch das sehr komplexe Thema dienen. Wir haben eine Checkliste entwickelt, die zeigt, was in den jeweiligen Phasen der Nachfolge-Findung zu tun ist“, sagt Leitl.

Saka_171017_BusinessMultikulti_SBU_085
Stefan Bungert
Ayhan Saka, Leiter der Unternehmenswerkstatt Deutschland (UWD) in der Handelskammer

Nachfolge aus dem Unternehmen

Die Unternehmensnachfolge wirft zahlreiche Fragen auf, von der Nachfolgersuche über die Bestimmung des Unternehmenswertes bis hin zu Finanzierungs-, Steuer- und anderen rechtlichen Fragen, die oft von Anwaltskanzleien übernommen werden. Der vollständige Abschluss einer Transaktion kann daher dauern: „Man sollte sich ausreichend Zeit nehmen, damit es ein geregelter Prozess werden kann“, rät Leitl.

Er hat häufig erlebt, dass sich Inhaberinnen und Inhaber erst Gedanken machen, wenn sie schon mittendrin im Prozess sind, also in der Regel zu spät. „Man darf den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen.“ Commerzbank-Experte Möckelmann verweist seinerseits darauf, dass jede Unternehmensübergabe sehr individuell sei – „den einen allgemeingültigen Fahrplan gibt es nicht“.

Inzwischen kommen dabei vermehrt auch firmenexterne Interessenten oder Mitarbeitende des Unternehmens ins Spiel („Management-Buyout“). So etwa bei der UMCO GmbH, einer Unternehmensberatung in der Chemiebranche. „Bei mir war es ein fließender Übergang, ich hatte nicht von einem Tag auf den nächsten eine andere Rolle“, sagt Anika Biehl, die vor 16 Jahren zum Unternehmen kam. Von der Assistenz stieg sie dort zum Mitglied der Geschäftsführung auf, die sie sich mit zwei weiteren Gesellschaftern teilt. 2018 übernahm sie die Anteile des damaligen dritten Gesellschafters.

„Ich habe immer mehr Verantwortung übernommen“, sagt Biehl, die im Ausschuss für Unternehmensförderung der Handelskammer aktiv ist und beim „Tag des Mittelstands“ am 13. Juni („Unternehmensnachfolge aktiv gestalten“) beteiligt sein wird. „Je früher man mit den Überlegungen für eine Nachfolge anfängt, desto besser.“ Die drei diskutieren seit geraumer Zeit darüber, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll. „Wir sind im zweiten Schritt der Nachfolgeplanung“, beschreibt Biehl, die ursprünglich bei einem Hafenunternehmen, das Kunde der UMCO war, gearbeitet hat. Sie sieht es als große Chance, den Prozess über einen längeren Zeitraum zu gestalten. „Alle können in ihre neue Rolle hineinwachsen.“

Trennungen fallen schwer

Eine Nachfolgeregelung hat auch immer eine emotionale Komponente. „Diese darf man nicht unterschätzen“, sagt VEEK-Berater Leitl, vielen Inhabern falle es verständlicherweise sehr schwer, loszulassen. „Da hat jemand ein Geschäft aufgebaut, das ist dessen Lebenswerk.“ Und Commerzbank-Manager Möckelmann bestätigt: „Wer das eigene Unternehmen durch viele Krisen getragen hat, spürt einfach eine große Verantwortung, auch der Belegschaft gegenüber, die ja eine neue Führung bekommen soll.“

Tag_des_Mittelstands-34
Stefan Bungert
Axel Hoops bei einem „Tag des Mittelstands“ der vergangenen Jahre. Seit 2004 würdigt diese Veranstaltung die Bedeutung des Mittelstandes für  die Hamburger Wirtschaft. Dieses Jahr ist das Event Nachfolgefragen gewidmet.

Handelskammer-Projektleiter Ayhan Saka hat schon oft erlebt, dass eine allzu große Identifikation mit dem eigenen Unternehmen in Übernahmeverhandlungen hinderlich sein kann: „Die Preisfindung ist ein kritischer Punkt. Viele Firmeninhaber tendieren dazu, bei ihren Preisvorstellungen den emotionalen Wert ihres Unternehmens einzurechnen und die vorhandene Substanz beziehungsweise den Investitionsbedarf falsch einzuschätzen.“

Robert Leitl (Meisterwerk Gesundheit GmbH)
Meisterwerk Gesundheit GmbH
Robert Leitl, Geschäftsführer der Meisterwerk Gesundheit GmbH, unterstützt als VEEK-Berater Unternehmen zu  Nachfolgefragen.

Erfahrene Beraterinnen und Berater sprechen von einer „Herzblutrendite“. Doch wer seinen Betrieb übergeben will, muss wissen, dass Nachfolger kühl kalkulieren. Umsatz und Rendite sollen überzeugen, schließlich geht es für den Übernehmenden um die Finanzierbarkeit des Vorhabens. „In der Regel verfügen Privatpersonen nicht über das Eigenkapital, um die notwendigen Firmenanteile käuflich zu erwerben. Die möglichen Bankfinanzierungen betragen üblicherweise 50 bis 70 Prozent des Kaufpreises“, erklärt Saka.

Wenn zwei sich grundsätzlich einig sind und einander vertrauen, scheitern Übernahmen allerdings meist nicht am Geld. Und wichtig ist auf jeden Fall, den Übergangsprozess zu planen. UMCO-Geschäftsführerin Biehl fand es vorteilhaft, dass sie das Unternehmen schon vor ihrem Einstieg als Gesellschafterin kannte. Auch bei externen Lösungen hilft es oft, wenn die bisher Verantwortlichen noch im Unternehmen bleiben, um den Übergang mitzugestalten. „Für die Mitarbeiter wird es zumeist leichter, wenn noch eine gewisse Zeit lang ein ihnen vertrautes Gesicht dabei ist“, sagt VEEK-Berater Leitl. So lassen sich auch bestehende Kundenkontakte pflegen. Eine mit Externen vollzogene Lösung kann als Bruch empfunden werden.

„Besonders relevant ist dabei, frühzeitig für die Unternehmensübergabe zu sensibilisieren, weshalb wir mit unseren Expertinnen und Experten Wissen rund um einen erfolgreichen Übergabeprozess vermitteln“, sagt Handelskammer-Abteilungsleiter Axel Hoops. „Hierbei gilt es nicht nur, für das Gründen und die Selbstständigkeit als solches zu werben, sondern auch die Unternehmensnachfolge als Option und Alternative für die unternehmerische Selbstständigkeit zu betrachten. Nur so schaffen wir es, das ‚Mismatch‘ zwischen Unternehmensabgebenden und möglichen Übernahmekandidaten zukünftig zu lösen.“ Commerzbank-Manager Möckelmann unterstreicht diese Aussage. „Ich kann auch eine funktionierende Firma übernehmen, dann entwickle ich diese weiter. Eine Übernahme ist oft eine Gründung ohne so hohes Risiko.“


Beteiligen Sie sich an der Diskussion:
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
Ihr Name wird mit ihrem Kommentar veröffentlicht.
Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.
Das Kommentarformular speichert Ihren Namen, Ihre E-Mail-Adresse und den Inhalt, damit wir die auf der Website abgegebenen Kommentare verfolgen können. Bitte lesen und akzeptieren Sie unsere Website-Bedingungen und Datenschutzerklärungen, um einen Kommentar abzugeben.
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments