Talentsuche per Social Media

Mit Social Media und Künstlicher Intelligenz können Unternehmen potenziellen Nachwuchs für offene Stellen zielgenauer ansprechen.
Stock.adobe.com/Thaspol
In Zeiten des Fachkräftemangels sollte Recruiting moderner werden und verstärkt auf Social Media und Künstliche Intelligenz setzen.

Von Birgit Reuther, 2. August 2024 (HW 4/2024)

Vor allem angesichts des Fachkräftemangels gehe es beim Recruiting um einen grundlegenden Perspektivwechsel, erläutert Thomas Roß, Inhaber der Agentur TR3M, der als Trainer und Berater im Bereich digitale Kommunikation, Marketing und Management tätig ist. „Viele Unternehmen denken immer noch vom zu besetzenden Job aus, den sie in ­einer standardisierten Stellenanzeige ausschreiben.“

Das Credo des Experten lautet daher, von der Zielgruppe auszugehen. Firmen sollten sich fragen: Wen möchten wir eigentlich ansprechen? Was stellen sich Wunsch-Mitarbeitende unter einem attraktiven Arbeitgeber vor? Welche Bedürfnisse haben sie? Und vor allem: Wie erreiche ich sie? Besonders junge und mittelalte Kandidatinnen und Kandidaten lassen sich allein auf dem klassischem Weg vom Jobportal bis zur Bewerbungsmappe nicht mehr so gut akquirieren. Thomas Roß setzt daher auf Recruiting mithilfe von Social Media und Künstlicher Intelligenz (KI), um diese Zielgruppe passgenau dort abzuholen, wo sie sich tagtäglich aufhält.

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Janine Meyer
Thomas Roß, Inhaber der Agentur TR3M, ist Experte auf dem Gebiet digitale Kommunikation, Marketing und Management.

Unangefochtener Spitzenreiter bei den Social-Media-Plattformen ist laut aktueller Statista-Angabe Instagram, das fast 80 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nutzen sowie 46 Prozent der 30- bis 49-Jährigen. Auf Platz zwei liegt Facebook, das 50 Prozent der mittleren Altersgruppe verwenden und fast 30 Prozent der 50- bis 69-Jährigen.

Da Budget und Kapazitäten bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) begrenzt sind, empfiehlt Roß, sich zunächst auf eine Plattform zu fokussieren und diese auch abseits der Personalsuche kontinuierlich auszubauen, dort also bestenfalls zwei- bis dreimal pro Woche Inhalte zu veröffentlichen: „Eine Stellenanzeige auf einem ansonsten brachliegenden Kanal zu posten, kann nicht funktionieren.“

Im ersten Schritt geht es also darum, online eine Arbeitgebermarke aufzubauen. Auf dem Kanal sollte zu sehen sein, wie echte Menschen aus dem Betrieb konkret Herausforderungen angehen. Der Blick hinter die Kulissen mit Videos, Fotos und Texten schafft Vertrauen. „Das Unternehmen ist somit keine graue Organisation mehr, sondern kann sich sympathisch und kompetent zeigen“, so Roß.

In einem zweiten Schritt können dort dann offene Stellen ausgespielt und Anzeigen geschaltet werden. So fällt das potenzielle Interesse auf fruchtbaren Boden. Über einen derart aussagekräftigen Kanal könnten laut Roß dann auch jene Fachkräfte auf die Firma aufmerksam werden, die eigentlich gar nicht aktiv auf der Suche sind.

Planung und Produktion der Mitarbeitergewinnung lässt sich seiner Einschätzung nach sehr gut mit KI unterstützen. So kann die Software ChatGPT zum Beispiel bereits vorhandene Kandidatenprofile analysieren und Lücken erkennen, sodass sich die Personalsuche immer effizienter zuschneiden lässt. Per „Prompting“ (für KI optimierte Texteingaben) sollten der KI bestimmte (bestenfalls anonymisierte) Daten und Parameter vorgegeben werden.

Eine Stellenanzeige auf einem ansonsten brachliegenden Kanal zu posten, kann nicht funktionieren.

Thomas Roß

Mit ChatGPT lassen sich auf diese Weise kleine Assistenten bauen, die spezifische Aufgaben erledigen. Sei es das Verfassen einer Stellenanzeige oder das Erstellen eines Social-Media-Posts. Langfristig kann so ein finanzieller und strategischer Mehrwert entstehen, erklärt Thomas Roß: „Mit dem Einsatz von KI beim Recruiting besteht die Möglichkeit, professionell und zielgerichtet zu arbeiten, ohne mehrere Tausend Euro für eine Software auszugeben.“

Dennoch ist die Skepsis in puncto Einsatz von KI nach wie vor groß. Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung befragt im Auftrag der Zeitarbeitsfirma Ranstad Deutschland regelmäßig rund 600 Personalleitende. Im dritten Quartal 2023 nutzten nur etwa 5 Prozent der Befragten KI im HR-Bereich, geplant haben dies zumindest weitere 25 Prozent. Mehr als 60 Prozent sehen fehlendes Know-how als Hauptgrund.

Dabei schätzen immerhin 14 Prozent das Potenzial von KI beim Recruiting und im Bewerbermanagement als hoch ein, weitere 37 Prozent als mittel. Thomas Roß, der mit seiner Agentur TR3M gezielt Trainings zu Social-Media-Recruiting und KI anbietet, bemerkt eine wachsende Offenheit, da die Not aufgrund des Fachkräftemangels schlichtweg groß sei.

Mit KI lässt sich zum Beispiel ermitteln, über welche Social-Media-Plattform ein Unternehmen die meisten potenziellen Azubis oder Fachkräfte erreichen kann. Als grobe Orientierung teilt Roß die Plattformen für das Recruiting wie folgt ein: LinkedIn zieht verstärkt akademische Fachkräfte an. Instagram ist die Allzweck-Plattform für Auszubildende in allen Bereichen, aber etwa auch für die Suche nach Kräften in der Pflege, im Handwerk und in der Sachbearbeitung.

Unter dem Titel „Künstliche Intelligenz im HR-Management“ bietet die HKBiS, der Bildungsservice der Handelskammer, am 10. Oktober ein ganztägiges Seminar an. Im Fokus steht, wie sich Recruiting, Personalentwicklung und Employer Branding durch KI effizienter gestalten lassen, um die Konkurrenzfähigkeit einer Firma zu erhöhen. Die Teilnehmenden erarbeiten unter anderem, wie Routineaufgaben von Chatbots übernommen werden können. Neben wichtigen Themen wie Datenschutz und Compliance blickt der Kurs auch auf die Vor- und Nachteile von KI-gestützten Bewerbermanagement-Systemen.

Facebook hingegen deckt eine ähnliche, wenn auch ältere Zielgruppe ab. Zunehmend wird Instagram eingeholt vom nicht unumstrittenen chinesischen Portal  TikTok. Doch mahnt Roß hier zur Vorsicht. Denn für die Videoplattform seien gutes Bewegtbild und eine adäquate Ansprache essenziell. Auch eine Plattform wie Kleinanzeigen sei keinesfalls zu unterschätzen, um kurzfristiger Jobs in Baugewerbe und Gastronomie zu besetzen. XING wiederum eigne sich eigentlich nur noch, um bezahlte Stellenanzeigen zu schalten.

Besteht dann tatsächlich Interesse, muss der Bewerbungsprozess so transparent, schlank und komfortabel gehalten werden wie möglich. Ein Social-Media-Post kann zum Beispiel auf eine Landingpage mit der konkreten Stellenausschreibung führen. „Vor allem die jüngeren Zielgruppen sind allerdings genervt, wenn sie auf dieser Seite dann umständlich Formulare ausfüllen und zig Dokumente hochladen müssen“, erläutert Roß.

Sein Tipp: Anforderungen und Angebot möglichst klar kommunizieren, zudem am besten eine Checkliste anfügen, was an Zeugnissen und Unterlagen unbedingt benötigt wird. „Bitte schicken Sie Ihre aussagekräftige Bewerbung an“ – solche Formulierungen seien zu pauschal und schreckten ab. Noch schneller und oftmals effektiver funktioniere die Kontaktaufnahme über Messenger-Dienste wie WhatsApp. „Online lässt sich unkompliziert ein kurzes Kennenlernen in die Wege leiten“, weiß Thomas Roß. Das sei für beide Seiten wesentlich zielführender, als wenn eine Bewerbungsmappe wochenlang auf einem Stapel liegt. 


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