Wie Neues auf den Markt kommt

Produktentwicklung gilt als innovative Königsklasse. Gefragt sind dabei Perspektivenwechsel, Kundennähe, Know-how und Ausdauer.
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Krahn Ceramics
KRAHN Ceramics ist spezialisiert auf die Herstellung von keramischen Spritzgussmassen, unter anderem für Autoindustrie und Engineering. Das Hamburger Unternehmen begleitet die gesamte Wertschöpfungskette vom Pulver bis hin zum fertigen Bauteil.

Von Birgit Reuther, 4. April 2025

„Bei uns ist Produktentwicklung immer projektgetrieben und nah am Kunden“, erklärt Dr. Stefan Stolz, CEO von KRAHN Ceramics. Das Hamburger Unternehmen ist spezialisiert auf die Herstellung von keramischen Spritzgussmassen, etwa für Autoindustrie und Engineering. Dabei begleitet KRAHN Ceramics die gesamte Wertschöpfungskette vom Pulver bis hin zum fertigen Bauteil.

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SKOUD Cosmetics
Die beiden Hamburger Kosmetikwissenschaftlerinnen Dr. Julia Mader (li.) und Dr. Nini Nielson haben mit SKŌUD Cosmetics eine eigene Produktlinie auf den Markt gebracht, die auf Mikroalgen basiert.

Das heißt: Die Produktentwicklung ist am Markt ausgerichtet, und die Ergebnisse müssen skalierbar sein. „Bereits in der ersten Projektphase des Ausprobierens stehen wir eng mit dem Kunden in Verbindung“, erläutert Stolz. Auf Screenings, also die Vorauswahl von Ideen, folgt immer der Realitätstest.

Im Technikum von KRAHN Ceramics entwickeln und optimieren Expertenteams die Spritzgussmassen, um die beste Zusammensetzung für das jeweilige Bauteil zu finden. Zur Beschleunigung dieser Prozesse setzen sie unter anderem statistische Versuchsplanung ein. Beim Erstellen von Prognosen und Datenmanagement hilft zudem Künstliche Intelligenz (KI). „Von der Projektidee bis zur Kommerzialisierung kann es sechs Monate bis zu fünf Jahre dauern“, so Stolz.

Designstücke entwickeln

Stark auf generative KI als Innovationstreiber setzt die Otto Group. Bei der Tochter bonprix arbeiten rund 20 Mitarbeitende mit der im Haus entstandenen „Fashion Creation App“. Das Tool soll die aufwendige Designphase eines Kleidungsstücks beschleunigen, um flexibler auf Trends zu reagieren.

Per Text oder hochgeladener Skizze lassen sich Ideen zu Schnitt, Farbe und Material eingeben, um einen ersten Entwurf zu erhalten. „Bei bonprix verfolgen wir die Vision einer komplett digitalen End-to-End-Produktentwicklung“, sagt Jessica Külper, Head of Consulting & Innovations bei bonprix. Dazu zählen in Zukunft alle Schritte von der Idee über das Fitting in 3D und eine Erfolgsprognose mit KI bis hin zur virtuellen Anprobe.

Große Unternehmen unterhalten eigene Abteilungen für Forschung und Entwicklung, doch Neues wird häufig auch in kleineren Keimzellen konzipiert. „Produktentwicklung ist ein Weg voller Chancen und Innovation“, erklärt Sebastian Mends-Cole von den BFGF Design Studios in Hamburg. Das „Büro für Gestaltungsfragen“ entwirft für seine Unternehmenskunden unterschiedlichste Objekte – von Küchen und Wohnräumen bis zu Leuchten, Trinkschalen und einem Flugzeugsitz.

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OlafTamm
Mit Unterstützung der Hamburg Kreativ Gesellschaft entwickelt BFGF in einem interdisziplinären Team eine kreislauffähige Flugzeugkabine. Zentrales Element ist der Passagiersitz FAIRcraft – ein leichtbauoptimiertes Designstück aus nachhaltigen, kreislauffähigen Materialien.

Manche Ideen lassen sich im sogenannten „Design Sprint“ innerhalb von fünf Tagen entwickeln, testen und optimieren. Doch in der Regel verfolgt BFGF einen langfristigeren Phasenplan – von der ersten Idee über Konzept und Feinschliff bis hin zur Umsetzung. „Die Initialzündung liegt meist darin, Bestehendes zu hinterfragen“, sagt Gerrit Kuhn, Mitgründer und Senior Designer bei BFGF.

Als Co-Founder des „Circular Design Hub“ setzt sich BFGF dafür ein, dass Produktion nicht gleichbedeutend mit Ressourcenverschwendung ist. „Neue Produkte können von Anfang an kreislauffähig gedacht werden“, so Mends-Cole. Entscheidend sei, dass Designerinnen und Designer frühzeitig in den Prozess integriert werden: „Zu Beginn sind Fehler noch nicht so teuer wie in einer späten Entwicklungsphase.“ Neben nachhaltiger Innovation sieht Kuhn einen weiteren Vorteil: „Wenn Unternehmen mutig Neues wagen, motiviert das die Mitarbeitenden – ein echter Pluspunkt für die Fachkräftebindung.“

Mit Unterstützung der Hamburg Kreativ Gesellschaft entwickelt BFGF in einem interdisziplinären Team eine kreislauffähige Flugzeugkabine. Zentrales Element ist der Passagiersitz FAIRcraft – ein leichtbauoptimiertes Designstück aus nachhaltigen, kreislauffähigen Materialien. Um die optimale Balance aus Komfort, Konstruktion und Nachhaltigkeit zu finden, wurden 15 Prototypen in Originalgröße gebaut. Nach 24 Monaten feierte FAIRcraft erfolgreich Premiere auf der Aircraft Interiors Expo 2024 in Hamburg – mit großem Interesse aus der Branche. Bis zur finalen Markteinführung dauert es allerdings noch zwei bis drei Jahre.

Die Kraft von Mikroalgen

Für gezielte Innovation stehen auch die Hamburger Kosmetikwissenschaftlerinnen Dr. Nini Nielson und Dr. Julia Mader, die mit SKŌUD Cosmetics eine eigene Produktlinie auf den Markt gebracht haben. Beide besitzen langjährige Erfahrung in der kosmetischen Praxis. Von Kundenseite kam die Anregung, eigene Pflegeprodukte zu erschaffen, die die Hautgesundheit erhalten.

Für ihre Cremes und Seren entwickelten sie daher den auf Mikroalgen basierenden Wirkstoffkomplex AERI5. „Aufgrund unserer Insights hatten wir bereits klare Vorstellungen“, erzählt Nielson. Dennoch gestaltete sich der Entwicklungsprozess komplex, umfasste etwa Marktanalysen und die Suche nach Rohstoff-Lieferfirmen.

Nachdem sie ein geeignetes Labor gefunden hatten, gingen sie mit dem Entwickler in die Formulierung ihrer Kosmetika und verfeinerten die Textur in mehreren Testschleifen. Eine solche innovative Leistung ohne Fördermittel zu erbringen, ist ein Kraftakt. Nielson und Mader wünschen sich mehr Unterstützung gerade für Pionierinnen jenseits von Tech und KI. Im Fokus steht nun, SKŌUD als Marke gut aufzubauen. Stets entlang ihrer Werte, die für die beiden zur Produktentwicklung unbedingt dazu gehören, so Mader. „Wir richten unser Handeln am Schutz der Natur und an einem wertschätzenden Miteinander aus.“


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