
Was hält unseren Planeten im Innersten zusammen? Dieser Frage widmet sich seit 1959 das weltweit renommierte Deutsche Elektronen-Synchrotron, kurz DESY, in Bahrenfeld. Mit PETRA III, die aktuell zu PETRA IV modernisiert wird, betreibt es seit 2010 eine der stärksten Röntgenstrahlungsquellen überhaupt. Damit können Forschende auf dem gesamten Globus die atomare Struktur extrem kleiner Proben untersuchen.
Die Anwendungsfelder reichen von der Medizin- und Materialforschung bis hin zur Nanotechnologie – und das DESY ist schon deshalb auch eine Anlaufstelle für zahlreiche forschende, innovative Unternehmen im Technologiebereich.

„DESY ist ein Forschungszentrum für Grundlagenforschung“, erklärt Prof. Beate Heinemann, die am 1. April die Gesamtleitung von DESY übernommen hat. „Gleichzeitig ist es unsere Zielsetzung, Erkenntnisse und technische Entwicklungen schnellst- und bestmöglich in die Anwendung zu überführen. Deswegen kooperieren wir viel mit der Industrie.“
Zukunftsprojekt Science City
Um den Wissens- und Technologietransfer voranzubringen, entstand bereits 2019 das „DESY Innovation Village“ auf dem Campus – ein erster Baustein der „Science City Bahrenfeld“, in der Hamburg bis 2040 universitäre Spitzenforschung, innovative Unternehmen und Wohnquartiere verbinden will.
Das Village dient heute als eine Art frühes Experimentierfeld für Innovationen. „Hier sind eher Start-ups in der frühen Phase zu finden – teilweise sogar noch in der Vorgründungsphase. Mit unserem Makerspace bieten wir eine Prototypen-Werkstatt mit 3D-Druck-, Mechanik- und Elektronik-Werkstätten, wo in dieser Phase gearbeitet und getestet werden kann“, erklärt Denny Droßmann.
Er ist Geschäftsführer der unmittelbar daneben gelegenen „Start-up Labs“ – eines Gemeinschaftsprojektes von DESY, Universität Hamburg und Stadt, das seit 2021 auf 2200 Quadratmetern Büros und Laborflächen für Neugründungen und Start-ups anbietet. Diese sind meist im Bereich Physik und Biophysik tätig. Sie kommen aus Hamburg, Deutschland und dem Ausland, bewerben kann sich jeder.
Die Physikerin Beate Heinemann ist seit dem 1. April 2025 Vorsitzende des DESY-Direktoriums und damit Nachfolgerin von Helmut Dosch, der die Position seit 2009 bekleidete. Zuvor war sie Direktorin für den Bereich Teilchenphysik bei DESY, wo sie seit 2016 als Leitende Wissenschaftlerin tätig war. Die geborene Hamburgerin hat an der Universität Hamburg Physik studiert und auch dort promoviert. Danach war sie lange Jahre im Ausland – an der University of Liverpool, zwischen 2006 und 2016 als Professorin an der University of California und als Wissenschaftlerin am Lawrence Berkeley National Laboratory.
Das „tecHHub“, ein wenig abseits vom Campus am Vorhornweg im „Innovationspark Altona“ gelegen, ist laut Droßmann für die „dritte Entwicklungsphase“ von Betrieben bestimmt. „Das sind Unternehmen, die sich ihre Labore selbst ausstatten können und bereits erste Produkte am Markt platziert haben.“ Die Mieter erhalten Zehn-Jahres-Verträge. Das im September 2024 eingeweihte Zentrum ist bereits zu 80 Prozent ausgelastet. Sein Schwerpunkt liegt auf Biologie und Chemie.
Noch im Bau befindet sich die „DESY Innovation Factory“. Auf dem Campus und am Vorhornweg soll sie ab Mitte 2027 eine einzigartige Infrastruktur bereitstellen, um gemeinsame Forschungsprojekte von Start-ups und Wissenschaft zu ermöglichen. Die Räumlichkeiten werden daher fertig möbliert und mit Forschungs-Equipment bereitgestellt.
Zu den geplanten 5600 Quadratmetern gehören auch viele Gemeinschaftsräume: Wer gründet und forscht, muss sich auch austauschen. Inhaltlich geht es um Physik, Chemie, Biologie und Life Sciences. Bereit stehen Laserlabore, Elektroniklabore und Werkstätten mit unterschiedlichem Fokus. Eine ganze Etage wird der Quantentechnologie dienen, eine andere wird für chemische Untersuchungen und Materialforschung ausgestattet.
Kooperationen, Spin-offs und Hilfen
„Durch unser System findet eine Innovation, die in der Forschung entsteht, für jeden Entwicklungsschritt die passenden räumlichen und strukturellen Angebote – von der Vorgründungs- über die Start-up- bis hin zur Scale-up-Phase“, beschreibt Start-up-Labs-Geschäftsführer Droßmann den Kerngedanken hinter den Innovations-Zentren rund ums DESY.

Doch das DESY sorgt noch über eine Reihe weiterer Kanäle für die Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft. Zum Beispiel über das „Hi-Acts-Team“. Dieses vermittelt Firmen, die Anfragen per Internet ins Netzwerk einbringen – etwa zur Wahl einer passenden Analysemethode – an Helmholtz-Fachleute, die weiterhelfen. Daraus kann sich dann gegebenenfalls ein gemeinsames Forschungsprojekt entwickeln.
Mit seiner Abteilung „Innovation & Technologietransfer“ unterstützt das DESY zudem Ausgründungen aus dem Forschungsbetrieb. Dazu zählt etwa das Spin-off „Class 5 Photonics“, das weltweit beachtete innovative Hochleistungs-Röntgenlaser entwickelt. In Kooperation mit dem Biotech-Start-up „CrystalsFirst“ entstand das Projekt „LigandML“. Dieses verwendet PETRA III, um die Entwicklung neuer Arzneimittel durch die Analyse von Proteinkristallen zu beschleunigen.
Auch die Entwicklung von Ideen wird gefördert. So können Interessenten mit entsprechender Vorbildung sich auch ohne Gründungsvorhaben an der „DESY Start-up School“ fortbilden. Daneben bietet das DESY ein Helmholtz-Programm zur Förderung von innovativem Denken. „Die Beratungs-Dienstleistungen des DESY Start-up Office sind teilweise sehr intensiv“, erklärt Beate Heinemann. „Es braucht schon mal Beratungsstunden im dreistelligen Bereich, bis ein Unternehmen aus dem Deep-Tech-Bereich solide gegründet ist. Schließlich reden wir von hochkomplexen Produkten oder Dienstleistungen, die lange Entwicklungsphasen haben.“
