Mitunter ruft die treue Kundschaft am Samstagnachmittag an. Constanze Schmäh geht auch ans Telefon, wenn andere längst frei haben. „Wir bieten unseren Kunden einen sehr guten Service. Wir beraten sie über unsere Produkte so, als wenn wir im Laden stünden“, sagt die Unternehmerin, die sich 2021 als Beraterin selbstständig gemacht und im darauffolgenden Jahr einen Online-Shop gegründet hat. Seither verkauft sie unter dem Namen „Leopold’s – FINEST FOR DOGS“ Hundetaschen, Bekleidung und Spielzeug für Dackel und andere kleine Hunde.
Damit praktiziert sie eine Methode, über die in Branchenforen viel diskutiert wird: „Customer centricity“ – die Ausrichtung des Unternehmens auf die Erwartungen der Kundinnen und Kunden. Was die Existenzgründerin noch allein bewältigen kann, muss bei größeren Unternehmen standardisiert werden. Und dazu gehört ein Online-Auftritt, der informiert und inspiriert, ebenso wie ein Ladenlokal, von dem die Kundschaft gute Beratung, aber auch Inspiration erwartet. Beides muss zeitgemäß gestaltet sein, denn es prägt das Bild eines Unternehmens nach außen, und viele Menschen wechseln ganz selbstverständlich zwischen den Kanälen. Information, Bestellung, Bezahlung und Abholung können an verschiedenen Orten stattfinden.
„Viele unserer Kunden bestellen ihre Bücher online und holen sie in einer unserer Buchhandlungen ab“, beobachtet Johannes Brancke, der als Vertriebsdirektor der Thalia Bücher GmbH den Norden und Osten Deutschlands betreut. So habe die Leiterin der ehemaligen Buchhandlung „Bücherwurm“ in Pinneberg seit der Übernahme durch Thalia in diesem Frühjahr ihren Kundenkreis deutlich erweitern können, weil sie zum Abholen der online bestellten Bücher in ihren Laden kommen, wie Brancke weiter berichtet.
Die Nachfrage nach Büchern scheint ungebrochen zu sein. „Wir beobachten, dass viele junge Menschen zwischen 13 und 25 Jahren regelmäßig in die Buchhandlungen kommen, in den Büchern stöbern, lesen, vielleicht einen Kaffee trinken und dann kaufen“, sagt Brancke. Um diesem Wunsch gerecht zu werden, hat Thalia erst im März in seiner Buchhandlung in der Europa Passage ein Café eingerichtet: mit einem großartigen Ausblick auf die Binnenalster. Und auch die Lesungen, zu denen das Unternehmen einlädt, seien stets sehr gefragt, so Brancke. Noch deutlich mehr Inspiration verspricht der Flagship-Store, der am 25. April im Westfield Hamburg-Überseequartier in der HafenCity eröffnet werden wird.
Zwischen Krise und Erfolg
Hamburg ist Deutschlands Handelsmetropole. Die Hansestadt ist nicht nur ein traditionsreicher Einzelhandels- und Großhandelsplatz, sie übernimmt auch eine zentrale Rolle im deutschen Außenhandel. Aufbauend auf der Kompetenz im Versandhandel hat sich Hamburg aber auch zu einem der wichtigsten Standorte für Onlinehandel in Deutschland entwickelt. Die Hamburger E-Commerce-Landschaft spiegelt ein breites Spektrum an Vertriebsstrukturen im Internet wider. Mehr Informationen erhalten Sie hier.
Der Einzelhandel unternimmt viel, um seine Kundschaft immer wieder mit neuen Erlebnissen in die Geschäfte zu locken. Das ist nicht leicht, denn die Konsumneigung der Privathaushalte ist deutlich zurückgegangen. So weist das GfK-Konsumklima seit Frühjahr 2022 deutlich niedrigere Werte aus als bereits in den beiden Jahren zuvor. Die hohen Lebenshaltungskosten verunsichern viele Menschen, die in der Folge weiter sehr zurückhaltend bei ihren Anschaffungen bleiben, wie das Marktforschungsunternehmen GfK feststellt.
Dabei wirken die zurückliegenden Jahre der Corona-Pandemie mit monatelangen Ladenschließungen bis heute nach. Viele Einzelhandelsunternehmen haben erheblich an Liquidität eingebüßt. Und jetzt kommen neue Herausforderungen auf sie zu: „Angesichts der gestiegenen Kosten, vor allem in den Bereichen Energie und Personal, und der Konsumzurückhaltung müssen die Unternehmen ihre Kosten in den Griff bekommen“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln. Das sei nicht leicht und man müsse damit rechnen, dass weitere Unternehmen aus dem Markt aussteigen, so der Handelsforscher.
Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hat in den vergangenen Jahren mehrere seiner Hamburger Filialen geschlossen; derzeit betreibt das Unternehmen noch die drei Häuser in der Mönckebergstraße, in der Osterstraße in Eimsbüttel und im AEZ in Poppenbüttel. Immer wieder müssen auch ältere Inhaber und Inhaberinnen ihre Läden schließen, weil sie keine Nachfolge finden. Die lokalen Medien berichten darüber stets sehr ausführlich, denn mit diesen Betrieben geht oft auch ein Stück der Identität einer Geschäftsstraße verloren. Weniger im Fokus sind die Unternehmen, die die Nachfolge erfolgreich regeln. Es gibt sie, wie das Beispiel der Kaffeerösterei Timm GmbH am Sachsentor in Bergedorf beweist.
„Wir haben uns insgesamt fünf Jahre Zeit gelassen“, sagt Stefan Müller, der gemeinsam mit Elke Timm das Einzelhandelsgeschäft führt. In dieser Zeit habe er alle Strukturen und Prozesse des Unternehmens kennengelernt und sukzessive Geschäftsanteile übernommen. Von 2025 an werde er als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer das traditionsreiche Bergedorfer Unternehmen führen, so Müller. Dabei kommt ihm zugute, dass er die Branche gut kennt, denn schon als Schüler hat er in dem Betrieb gearbeitet. Im Jahr 2007 eröffnete er in Bad Bramstedt eine Kaffeerösterei, die er bis heute betreibt. Neben dem Geschäft in Bergedorf bietet die Kaffee Timm GmbH auch einen Online-Shop für Kaffee, Tee und Schokolade.
Wichtige Erfolgsfaktoren für den Hamburger Einzelhandel sind auch die kaufkräftige Bevölkerung und die touristische Nachfrage in Hamburg. Trotz der allgemeinen Konsumzurückhaltung gibt es in Hamburg viele Menschen, die Geld ausgeben. „Für mich ist hier keine Krise erkennbar“, sagt Jörg Hansen, der am Eppendorfer Weg in Eimsbüttel Blumen, Wohndekoration und Wein verkauft. Er hat das Geschäft 2023 von der früheren Inhaberin übernommen und sich längst einen treuen Kundenkreis aufgebaut.
Auch Constanze Schmäh freut sich über eine treue Stammkundschaft. Sie honoriert den Einsatz der Unternehmerin, die hochwertige, in Deutschland gefertigte Produkte anbietet und hierzu mit mehreren kleineren Manufakturen zusammenarbeitet. Schmäh versendet die hochwertigen Produkte inzwischen in alle Postleitzahlbereiche von 0 bis 9, wo es ebenfalls viele kaufkräftige Privathaushalte gibt. Seit einiger Zeit verkauft sie ihre Produkte nicht nur im eigenen Online-Shop, sondern auch an den stationären Hundebedarfs-Einzelhandel und verlängert so die Wertschöpfungskette ihres Unternehmens. Zum Tagesgeschäft gehört für sie auch das Pakete packen. Und das macht sie mit Liebe; jedes Paket wird mit einer handgeschriebenen Karte und einem Hundekeks versehen – ohne geht kein Paket in den Versand.