Im Zeichen der Energiekrise

Die unsichere und unkalkulierbare Lage am globalen Energiemarkt bereitet auch hiesigen Unternehmen große Sorgen. Ein Hamburger CEO bezieht Stellung.
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Um Eisenerz in das Vorprodukt für Stahl umzuwandeln, sind bei ArcelorMittal große Erdgasmengen erforderlich.

Von Jochen Harberg, 5. August 2022 (HW 4/2022)

Am 21. Juli verkündete Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, die vorläufige Wiederaufnahme eines Teils der russischen Gaslieferungen durch die Pipeline Nordstream 1, „pünktlich“ nach Ende der zehntägigen Wartungsarbeiten. Doch das leichte Aufatmen währte nur kurz – und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat für August 2022 bis März 2023 bereits eine allgemeine Erdgas-Einsparung von 15 Prozent angemahnt.

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David Maupilé/ArcelorMittal
Dr. Uwe Braun, CEO des ArcelorMittal-Standortes Hamburg, plant Partnerschaften.

Im aktuellen Konjunkturbarometer (siehe Kasten) sehen denn auch 69 Prozent der an der Umfrage beteiligten Hamburger Firmen die Energie- und Rohstoffpreise als größtes Geschäftsrisiko der nahen Zukunft. „Hamburgs Unternehmen befinden sich in einer ernsten Situation, die Energieversorgung ist von erheblichen Unsicherheiten geprägt,“ sagt Jan-Oliver Siebrand, in der Handelskammer Leiter des Bereiches „Nachhaltigkeit und Mobilität“.

Gleichwohl stehe Hamburgs Wirtschaft bereit, „schon jetzt – drei Monate vor Beginn der Heizperiode – ihren vertretbaren Anteil an den notwendigen Strom- und Gaseinsparungen zu leisten“. Eine mögliche Abschaltreihenfolge, so Siebrand, müsse jedoch „berücksichtigen, dass wir unseren Wohlstand gefährden, wenn wir unwiederbringlich unsere tragenden Wirtschaftsstrukturen gefährden, zum Beispiel im produzierenden Sektor“.

Wie schwierig sich die Situation für ein unmittelbar betroffenes Unternehmen mit hohem Gaskonsum gestaltet, zeigt das Beispiel des Stahlkonzerns ArcelorMittal. „Eine weitere Reduzierung von Erdgas hätte direkte Auswirkungen auf die Produktion und damit auf die Beschäftigung“, erklärt Dr. Uwe Braun, CEO am Standort Hamburg. Das hiesige Werk des Konzerns, der mit rund 60 Werken in weltweit mehr als zwei Dutzend Staaten 2021 mehr als 76 Milliarden Dollar umgesetzt hat, braucht Erdgas, um Eisenerz in Eisenschwamm umzusetzen – das Vorprodukt für Stahl. Bereits jetzt kaufe man aufgrund der hohen Preise Erdgas aus Amerika zu.

Konjunkturbarometer

An der jüngsten Quartalserhebung zum Konjunkturbarometer der Handelskammer nahmen 600 Unternehmen teil. Gut ein Drittel von ihnen (35,6 Prozent) beurteilte die eigene Lage als „gut“, 47,5 Prozent als „saisonüblich bzw. befriedigend“, 16,9 Prozent als „schlecht“. Besonders positiv bewerteten Wohnungswesen und Baugewerbe das aktuelle Geschäft, die negativsten Einschätzungen gab der Einzelhandel ab. Das gesamte Konjunkturbarometer finden Sie hier. Interessierte Unternehmen können sich melden, um künftig am Konjunkturbarometer teilzunehmen.

„Eine Alternative wäre Wasserstoff, der aber noch nicht in ausreichender Menge verfügbar ist“, so Braun. „Auch bei den Wiedererwärmungsöfen gibt es keine schnelle Alternative. Die technische Umstellung auf Induktion mit Strom würde lange dauern und wäre sehr teuer, daher nicht sofort möglich.“ Man versuche bereits, kostenbewusst neu zu kalkulieren. „Einen geringen Teil der Preissteigerungen können wir durch Hedging-Strategien abfangen“ – also Finanzinstrumente zur Absicherung von Risiken. „Mittelfristig planen wir Partnerschaften wie zum Beispiel mit RWE, um gemeinsam Offshore-Windflächen zu erschließen und durch langfristige Lieferverträge kurzfristige Preissteigerungen abzufangen.“

Obwohl das Hamburger Werk durch moderne Technologien schon „deutlich emissionsärmer als andere Standorte“ arbeiten könne, ist für Braun klar: „Die Transformation zur grünen Stahlproduktion ist mittel- und langfristig die größte Herausforderung.“ Bis dieses Ziel erreicht ist, bleibt die Krise im Energiesektor eine der aktuell größten Gefahren für die Wirtschaft – nicht nur in der Stahlbranche.

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