Vor Millionen um Millionen werben: In der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ versuchen Start-ups, Investorinnen und Investoren zu gewinnen. Die Jury ist prominent, das Publikum groß, der Rahmen modern – alles absolut fernsehgerecht und ein wenig anders als in der Handelskammer. Deren Ambiente ist traditioneller, aber das Publikum jünger und die Verpflegung trendiger – zumindest am 5. Mai. An diesem sonnigen Tag werben lokale Firmen, die auf nachhaltigem Feld aktiv sind, um Kapital: Das Hamburg Investors Network (HIN) startet eine neue Runde seiner Eventreihe StartAperitivo.
Aufmerksamkeit ist eine Hauptwährung junger Start-ups.
Axel Hoops
Fünf Minuten auf riesiger Bühne haben acht Start-ups Zeit, ihr Geschäftsmodell vorzustellen. Und das tun sie nicht nur mit maximaler Hingabe, sondern aus Überzeugung. Spürbar. Sichtbar. Wie Tim Künzel. Mit Dutt und Pulli ist der Gründer von HempConnect zumindest optisch weit von gesitteten Geldakquise-Dresscodes entfernt. Inhaltlich erntet sein Businesskonzept fast schon Jubelstürme: Hanfanbau zur CO₂-Speicherung mit Beifang Biomasse, Lebens- und Düngemittel. „Richtig geile Pflanze“, schwärmt Künzel, mit der „richtig Geld verdienen“ könne, wer „richtig Geld investiert“. Fast zwei Millionen Euro lautet die Zielmarke der GmbH. Bescheiden klingt anders.
Künzels Selbstwertgefühl zeugt eben nicht nur von der klimapolitischen Dringlichkeit unternehmerischen Handelns; es spiegelt auch das Ertragspotenzial der nachhaltigen Start-ups, die am StartAperitivo-Finale teilnehmen. Aus Stellingen ist der ökologische Sportbekleidungs-Shop runamics gekommen, aus Altona das umweltfreundliche Payback-System Plan3t, aus Wilhelmsburg die Bienenvermietung BEEsharing. Mit reihenweise klugen Einfällen vom abfallfreien Catering bis zur Kompostbox für den Hausgebrauch eint sie ein gemeinsames Ziel: Anschubfinanzierung.
StartAperitivo
Das Hamburg Investors Network (HIN) bringt junge Unternehmen im Auftrag der Hansestadt mit Investor:innen, Multiplikator:innen und Fachleuten zusammen – unter anderem über das Eventformat StartAperitivo. Zu den Mitveranstaltern gehören neben der Handelskammer die IFB Innovationsstarter und die Startup-Unit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamburg Invest. Die nächste öffentliche Veranstaltung der Eventreihe ist der Female StartAperitivo am 15. September ab 17 Uhr im Knust, Neuer Kamp 30, 20357.
„Unter anderem“, sagt Christoph Steckhan. „Anfangs sollte das Event nur Investor:innen mit Start-ups zusammenbringen“, erklärt der StartAperitivo-Veranstalter; optimales Ergebnis sei zwar „ein echter Deal, aber es verbindet alle Branchenplayer“ – Investor:innen, Influencer:innen, Interessierte … Abseits vom Pitch Deck, der Kurzpräsentation der Geschäftsidee, gehe es bei jeder Gründung schließlich auch um Networking über Kommunikation.
Wie wichtig Kontakte und Gespräche sind, war sechs Wochen zuvor bereits in der Speicherstadt zu sehen, als sich acht Start-ups der Logistikbranche vorstellten. Corona-bedingt war der Rahmen im Digital Hub Logistics Hamburg kleiner als am Adolphsplatz, umso größer dachten Transportrevolutionäre wie recyclehero – eigentlich ein klassischer Entsorgungsbetrieb, „also erst mal nicht besonders sexy“, meint Alessandro Cocco lachend. Dafür aber zukunftsweisend: „Gegen eine Monatsgebühr holen unsere Lastenfahrräder Wertstoffe aus Haushalten, Handel, Firmen ab. Den Erlös stecken sie zum Teil in soziale Projekte“, erklärt der Geschäftsführer seine Idee.
Das Konzept bescherte ihm Platz zwei der Logistikrunde. Und den zehn Beschäftigten ein Investorengespräch plus etwas, das unbezahlbar ist: Aufmerksamkeit. Die nämlich ist aus Sicht von Axel Hoops, Handelskammer-Abteilungsleiter Gründung, Förderung Finanzmarkt, „eine Hauptwährung junger Start-ups“.
Mehr bunte Chips im Abstimmungstopf als recyclehero sammelte nur CO₂OPT, eine Plattform zur Kraftstoffoptimierung im Speditions- und Transportwesen. „Man klettert auch nicht in Flipflops aufs Matterhorn“, erklärt Gründer Frank Seeger sein anhand von Wetter, Strecke und Untergrundprofil automatisiertes Reifenmanagement. Und erzählt von seinem Vertragspartner, dessen Lkw-Flotte seit dem Ukraine-Krieg Spritmehrkosten von 20 Millionen Euro hat. „Wenn CO₂OPT den Verbrauch um wenige Prozent senkt“, so der Gründer, „spart man schon Hunderttausende“ – und noch mehr Emissionen. Der Lohn für so viel Nachhaltigkeit: „Ein positives Gespräch mit einem Investor, der beim StartAperitivo dabei war.“
„Greenwashing ist Bullshit“ hört man bei Vox wohl seltener als Anfang Mai in der Handelskammer. So überrascht es kaum, dass eines der StartAperitivo-Start-ups solche Umweltgaukler entlarvt. Flip heißt der Dritte hinter dem siegreichen Energieoptimierer suena und HempConnect. Von St. Pauli aus sorgt er für „educated commerce“, auf Deutsch: informierten Einkauf. Auch den also lernt man in dieser Hamburger „Löwenhöhle“, die seit 2020, so Organisator Steckhan, weit über 3,5 Millionen Euro Startkapital vermitteln konnte. Für Renditen mit Herz, Verstand und gutem Gewissen.
Infos zu Start-ups
Informationen zu Hamburger Start-ups finden sich unter anderem auf der Plattform Hamburg Startups, beim Bundesverband Deutsche Startups und auf der Seite ds deutsche startups . Infos zu Förderungsmöglichkeiten gibt es auch bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) sowie auf der Seite IFB innovations starter. Einen Überblick über die örtliche Gründerszene verschaffen Websites wie startup city hamburg, Top 50 Start-ups und startupdetector.