Der schnelle Umzug ins Homeoffice, dazu die Kinderbetreuung und immer neue Regeln: Die Corona-Pandemie hat Unternehmen und ihre Angestellten vor große Herausforderungen gestellt. Wer sie meistern wollte, musste sich schnell und flexibel auf die sich ständig verändernden Voraussetzungen einstellen können. Resilient sein, wie es im Fachjargon heißt.
„Resilienz ist in der Corona-Zeit zu einer der wichtigsten Kompetenzen für Betriebe und Beschäftigte geworden“, sagt Petra Versemann aus der Abteilung „Gesundheit und Sport“ der Handelskammer. Und tatsächlich: Wer der Resilienz seines Unternehmens eine besonders gute Note gibt, ist auch selbst gesundheitlich stabiler – und war laut AOK-Fehlzeitenreport im Jahr 2021 im Schnitt nur 7,7 Tage krank. In Betrieben mit niedriger Resilienz hingegen kamen die Beschäftigten durchschnittlich auf beinahe zwölf Fehltage. „Daher spielte das Thema auf dem Gesundheitstag am 21. April in der Handelskammer auch eine große Rolle“, so Versemann.
Resilienz ist in der Corona-Zeit zu einer der wichtigsten Kompetenzen für Betriebe und Beschäftigte geworden.
Petra Versemann
Einer der Referenten war Frank Fiedler. Er ist Geschäftsführer der Firma Motio, die Unternehmen in Sachen Betriebliches Gesundheitsmanagement berät. Zudem sitzt Fiedler im Handelskammer-Arbeitskreis für Betriebliche Gesundheit. „Resilienz“, sagt er, „war lange nur Psychologen oder Organisationsberatern ein Begriff – seit Corona ist er in aller Munde.“
Aber was bedeutet Resilienz überhaupt, und was macht einen resilienten Menschen oder eine resiliente Firma aus? „Der Begriff kommt ursprünglich aus der Materialwirtschaft“, erklärt Fiedler. Er beschreibt die Fähigkeit eines Körpers, sich unter Druck zu verformen und anschließend wieder in seine Ursprungsform zurückzukehren. Ein anderes Wort dafür ist Widerstandsfähigkeit. „Ein Schwamm zum Beispiel hat eine sehr hohe Resilienz“, sagt Fiedler. Unter Druck zieht er sich zusammen. Lässt der Druck nach, bauscht sich der Schwamm wieder auf. Ein kleiner Stock hingegen wäre nicht sehr resilient, weil er unter Druck schnell durchbricht.
Gesundheitspreis
Beim Gesundheitstag der Hamburger Wirtschaft in der Handelskammer am 21. April wurde auch der „Hamburger Gesundheitspreis“ verliehen. Die Preisträger sehen Sie hier.
Übertragen auf den Menschen beschreibt Resilienz also die Widerstandsfähigkeit gegen Einflüsse von außen – Stress, Angst oder andere psychische Belastungen. Bestenfalls lernen wir aus Krisen und gehen gestärkt daraus hervor. Für Unternehmen sind es beispielsweise sich ändernde Marktsituationen, der Fachkräftemangel oder die schneller voranschreitende Digitalisierung, die Einfluss nimmt. „Corona hat den Druck zusätzlich erhöht“, berichtet Frank Fiedler. Die Frage ist nur: Zerbricht ein Mensch oder eine Firma daran wie besagter Stock – oder bauscht er sich auf und geht womöglich gestärkt aus einer Krise hervor? Genau das ist die Frage der Resilienz.
Die Antwort ist zwar grundsätzlich komplex, aber es gibt einfache Tipps für mehr „Schwamm-Intelligenz“ im Unternehmen und in den Köpfen der Angestellten. Die Diplom-Psychologin Ursula Nuber hat dafür ein Modell entwickelt: die sieben Säulen der Resilienz. Das Modell besteht aus sieben grundlegenden Prinzipien für Gesundheit und Widerstandskraft gegen Stress – Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Opferrolle, Verantwortung, Netzwerk und Zukunft.
Optimismus ist die Säule der Haltung. Wer Probleme bewältigen will, braucht die Haltung, dass diese zeitlich begrenzt sind und sich überwinden lassen. Mit Akzeptanz ist gemeint, die Probleme als solche anzuerkennen – nur dann lassen sie sich auch bekämpfen. Die dritte Säule bewegt sich vom Problem zur Lösung. Es geht darum, Wege aus der Krise zu finden und zu beschreiten. Wichtig dafür ist, die Opferrolle verlassen – Säule vier im Modell –, denn diese suggeriert Machtlosigkeit.
Die fünfte Säule, Verantwortung übernehmen, schließt daran an. Jetzt geht es darum, aktiv zu handeln. Bekannte oder der Kollegenkreis können dabei helfen. Deshalb, Säule sechs: Netzwerkorientierung. Siebter und letzter Schritt ist die Säule Zukunftsplanung. Sie ebnet nicht nur den Weg aus der Krise, sondern hilft auch dabei, kommende Probleme vorauszuahnen. Das wiederum sorgt für Optimismus – die erste Säule im Modell.
Für Rebecca Goßmann sind Modelle wie diese nichts Neues. Sie ist „Head of Wellbeing“ bei Beiersdorf und hilft als solche, das Wohlbefinden und die Gesundheit von mehr als 6000 Mitarbeitenden in Deutschland langfristig zu stärken. Auch sie ist Mitglied des Handelskammer-Arbeitskreises für Betriebliche Gesundheit und war beim Gesundheitstag der Hamburger Wirtschaft dabei. „Wir wollen kleinen und mittleren Unternehmen bei der Gesundheitsförderung helfen und dafür unser Wissen teilen“, sagt die Gesundheitsmanagerin und berichtete deshalb als Best Practice von ihrer Arbeit.
Auch Goßmann ist eine wachsende Bedeutung des Begriffes Resilienz aufgefallen. „Während wir zu Beginn der Pandemie viel zum Thema Homeoffice gemacht haben wie beispielsweise Ergonomie, liegt der Fokus der aktuellen Kampagne auf der mentalen Gesundheit“, erläutert sie. So stellen sie und ihr Team den Angestellten etwa Videos, Podcasts oder Keynotes zur Verfügung, die rund um das Thema Resilienz informieren.
„Wir sehen uns als eine Art Wellbeing-Influencer“, so Goßmann. Zum Content gehören auf der einen Seite Wissensbeiträge, auf der anderen Seite auch konkrete Tipps, die Stressresistenz zu fördern, etwa durch Entspannungstrainings oder Achtsamkeitsübungen. „Es geht darum, die Lebenskraft zu schützen, sich abzugrenzen und zu lernen, auch mal Nein zu sagen“, schließlich habe man zwar Mitarbeitende eingestellt, „aber gekommen sind Menschen.“
(Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 22. April nach dem Gesundheitstag aktualisiert.)