Weg mit den Barrieren!

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt für den Großteil der Hamburger Unternehmen. Eine Umsetzung ist in der Regel leichter, als viele annehmen.
Um das BFSG umzusetzen, ziehen Unternehmen oft auch externe Beratung hinzu, die sich beispielsweise auf Webdesign oder Apps spezialisiert haben.
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Um das BFSG umzusetzen, ziehen Unternehmen oft auch externe Beratung hinzu, die sich beispielsweise auf Webdesign oder Apps spezialisiert haben.
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Von Clemens Gerlach, 26. September 2025 (HW 5/2025)

Das Ziel ist eindeutig: „Eine inklusive Gesellschaft, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen“, gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor. Die „gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilhabe“ von Menschen mit Behinderung und Älteren auch am wirtschaftlichen Leben soll durch das seit dem 28. Juni geltende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) bei digitalen Produkten und Dienstleistungen gefördert werden. Diese müssen ohne fremde Hilfe auffind-, wahrnehm- und nutzbar sein. Entsprechendes müssen Unternehmen auf ihrer Website dokumentieren.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist die nationale Umsetzung des European Accessibility Acts. Es wurde im Juli 2021 verabschiedet und trat Juni dieses Jahres in Kraft. Die Handelskammer stellt auf ihrer Homepage praxisnahe Informationen bereit, mit denen Unternehmen schnell und einfach prüfen können, ob und in welchem Umfang sie von BFSG-Regelungen betroffen sind. Befreit sind einzig Dienstleistungen erbringende Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten sowie einer Jahresumsatz oder -bilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro. Telefonische Rechtsauskünfte gibt es montags, mittwochs und donnerstags jeweils von 9 bis 12 Uhr (040 36138-365). Die Kontaktaufnahme ist auch per E-Mail möglich.

Die Handelskammer begleitet Firmen bei diesem wichtigen Transformationsprozess. „Wir fördern gezielt die Vernetzung, damit Betriebe voneinander lernen und gemeinsam Lösungen entwickeln können“, betont Aylin Jacob aus der Rechtsabteilung den Mehrwert, den der Austausch bietet. „Best-Practice-Beispiele spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie verdeutlichen, dass eine rechtskonforme Umsetzung häufig einfacher möglich ist, als viele zunächst annehmen.“ Alternativ-Texte bei Bildern, Kontrast-Einhaltung oder Tastaturbedienbarkeit sind etwa grundlegende Maßnahmen.

Sogenannte „unverhältnismäßige Belastungen“, die nach Selbsteinordnung des Unternehmens eine Umsetzung verhindern, müssen plausibel und nachvollziehbar belegt werden können. „Das geht mithilfe von zum Beispiel Kostenschätzungen oder technischen Gutachten“, erklärt Maja Cerning. Sie ist als Senior Consultant bei crossnative, einer Tochter der Hamburger Beratungs- und Softwarefirma PPI, Expertin für Barrierefreiheit. „Wir treffen auf Unternehmen mit großer Aufgeschlossenheit, manche zeigen aber auch Skepsis. Insgesamt überwiegt die wachsende Sensibilisierung.“

HAMBURG WASSER beschäftigt sich wie zum Beispiel auch Haspa oder OTTO intensiv mit Barrierefreiheit. Es ist als städtisches Unternehmen durch die Bestimmungen des Hamburgischen Behindertengleichstellungsgesetzes und der Hamburgischen Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung schon deutlich länger dazu aufgefordert, seine digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten.

„Der Abbau von Barrieren knüpft unmittelbar an unser Selbstverständnis als Unternehmen der Daseinsvorsorge an“, betont Sebastian Knorr, bei HAMBURG WASSER Referent für digitale Kommunikation. „Wie unsere Leistungen in der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung wollen wir auch wichtige Informationen etwa zur Trinkwasserqualität allen Menschen in unserem Versorgungsgebiet zugänglich machen.“

Barrierefreiheit ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess.

Maja Cerning

Nach Einschätzung von Maja Cerning lohne es sich für Firmen, das Thema Barrierefreiheit anzugehen – und dies nicht nur, um Bußgelder von bis zu 100 000 Euro bei Verstößen zu vermeiden. „Barrierefreie digitale Produkte oder Dienstleistungen erreichen deutlich mehr Nutzende und erweitern den Kundenstamm. Darüber hinaus sorgt Barrierefreiheit für einen positiven Imagegewinn und unterstreicht die soziale Verantwortung des Unternehmens.“ Ihr Fazit: „Es ist ein nachhaltiges Investment und macht zukunftsfähig, wettbewerbsfähig und erfolgreicher.“

Sebastian Knorr verweist auf einen weiteren Vorteil der Barrierefreiheit: „Von vielen Maßnahmen profitieren nicht nur Menschen mit einer Behinderung. Eine barrierearme Struktur und der Fokus auf das Wesentliche helfen generell bei der Informationsvermittlung.“ Zudem könnten Texte in einfacher oder leichter Sprache auch besser von Menschen verstanden werden, für die Deutsch eine Fremdsprache ist.

Laut Cerning sind Open-Source-Tools oder Browsererweiterungen hilfreich, damit auch kleine(re) Unternehmen, die nur begrenzte Ressourcen haben, Barrierefreiheitsprobleme erkennen und abstellen können. Sie rät dazu, die Belegschaft mit den Grundlagen der Thematik vertraut zu machen und zu schulen. „So können smarte und effiziente Prozesse entstehen, die teure Umwege vermeiden. Denn Barrierefreiheit ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess.“


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