Gutes Jahr, sorgenvoller Ausblick

Viele Betriebe schauen besorgt in die Zukunft, wie das aktuelle Konjunkturbarometer zeigt. Einzelhandel und Gastronomie blicken allerdings insgesamt auf ein gutes Jahr zurück – und hoffen auf ein lebendiges Weihnachtsgeschäft.
Angie Barthel
Jessica Hardtmann und Daniel Kaesmacher gründeten im Frühjahr 2022 den Laden elbstolz.

Von Heiner Schote, 9. Dezember 2022 (HW 6/2022)

Mit ihrem eigenen Geschäft hat sie sich einen Traum erfüllt. Im Frühjahr 2022 eröffnete Jessica Hardtmann mit Unterstützung ihres Ehemanns Daniel Kaesmacher in Ottensen einen kleinen Laden für Geschenkartikel und traf damit offenbar einen Nerv: „Von allen, die uns besuchen, bekommen wir eine sehr positive Resonanz“, sagt die Inhaberin, die ihren Laden „elb­stolz“ nennt.

Konjunkturbarometer

Das vierteljährliche Konjunkturbarometer der Handelskammer spiegelt die Stimmung in der Hamburger Wirtschaft. An der Umfrage zum dritten Quartal 2022 beteiligten sich vom 27. September bis zum 13. Oktober 2022 insgesamt 510 Unternehmen. Die Ergebnisse und Informationen zum Mitmachen finden Sie hier.

Schon zum Zeitpunkt der Eröffnung waren alle davon überzeugt, die Folgen der Corona-Pandemie seien im Wesentlichen überwunden. Und tatsächlich war der diesjährige Sommer für die meisten Unternehmen aus Einzelhandel und Tourismuswirtschaft sehr erfolgreich. In der Innenstadt und in der Langen Reihe in St. Georg waren wieder viele Menschen unterwegs, genauso wie in Ottensen oder der Osterstraße.

Im Frühjahr nahm auch der Städtetourismus aus den europäischen Nachbarländern wieder Fahrt auf: „Wir haben viele Besucherinnen und Besucher aus den skandinavischen Ländern und aus den Niederlanden. Die Stadt ist voller Menschen, und viele sind sehr kauffreudig“, sagt Silke Griebel, eine der Geschäftsführerinnen von Secondella. Während der coronabedingten Schließungen hatte das Unternehmen in der Hamburger City, das seit 1970 Designermode verkauft, sein Online-Geschäft ausgebaut und mit den täglichen „Instagram Story Sales“ viele neue Kundinnen und Kunden gewonnen.

Trotz der gegenwärtigen Krisen schauen viele Einzelhandelsunternehmen auch zuversichtlich auf die bevorstehenden Wochen: „Wir erwarten für unser Goldschmiedeatelier ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft“, sagt etwa Volker Carstens, der gemeinsam mit seiner Frau Christina und einem kleinen Team sehr individuellen Schmuck anfertigt. Erst 2021 hat das Ehepaar ein neues, hell und schick gestaltetes Geschäft mit einer modernen Werkstatt in der Blankeneser Bahnhofstraße eröffnet.

Der Winter wird schwierig

Weit skeptischer sieht die Branche dagegen die Aussichten für den bevorstehenden Winter, wie das jüngste Konjunkturbarometer der Handelskammer zeigt: Rund drei Viertel der Einzelhandels-Unternehmen erwarten, dass sich ihre Geschäftslage verschlechtern wird; nur wenige rechnen mit einer Verbesserung. Vor allem das erste Quartal 2023 löst bei vielen eher Zurückhaltung aus – und diese Zeit dürfte für viele Betriebe aus Einzelhandel und Tourismuswirtschaft tatsächlich nicht einfach werden.

Zahlreiche Unternehmen mussten durch die monatelangen Schließungen während der Corona-Pandemie massive wirtschaftliche Einbußen hinnehmen und hatten daher auf eine konjunkturelle Erholung gehofft. Stattdessen kommen nun neue Herausforderungen auf sie zu, vor allem aufgrund der deutlich steigenden Kosten für Strom und Gas.

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Anna Mutter Fotografie
Silke Griebels Geschäft Secondella lockt auch Kundschaft aus Skandinavien und den Niederlanden.

Eine Reihe von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben verlor zudem in Corona-Zeiten einen Teil ihrer Fachkräfte – und heute ist es nicht leicht, sie zurückzugewinnen. Auch das kommt im jüngsten Konjunkturbarometer zum Ausdruck: Nach den steigenden Energiepreisen sehen die befragten Unternehmen den Fachkräftemangel als bedeutendstes Geschäftsrisiko. Hinzu kommt bei vielen Menschen die nachlassende Konsumlaune, was die Aussichten für viele Betriebe zusätzlich eintrübt – vor allem mit Blick auf den Januar und Februar.

In einer wohlhabenden Stadt wie Hamburg gibt es allerdings gleichzeitig viele Menschen, die sich weiterhin ihre Wünsche erfüllen können. Wer hochwertige Produkte im Angebot hat und solche Menschen zu seinem Kundenkreis zählt, kann auch in der aktuellen Krise sehr erfolgreich sein – zumal wenn es ihm gelungen ist, in der Corona-Zeit das Personal zu halten.

Letzteres gilt zum Beispiel für Stavros Stergatos, der mit seiner Schwester Atanasia das griechische Restaurant PILIO am Tibarg in Niendorf betreibt. Während der coronabedingten Schließung hatte das Geschwisterpaar mit seinem Team einen Lieferdienst aufgebaut, sodass alle Beschäftigten ihnen die Treue gehalten haben. Trotz seiner Sorge um erhöhte Energiekosten bleibt der Gastronom sehr zuversichtlich: „Wir haben viele Stammkunden, die regelmäßig zu uns ins Restaurant kommen.“

Auf Kundschaft hofft auch Alexander Raab, Geschäftsführer der Clic Inneneinrichtung GmbH, die hochwertige Möbel von Poliform, Rolf Benz und anderen Marken verkauft. Seit 35 Jahren ist er im Möbeleinzelhandel aktiv und erst vor Kurzem aus dem Stilwerk in die Innenstadt umgezogen. „Mit meinem neuen Standort in den Stadthöfen bin ich sehr zufrieden. Hier sind viele Menschen unterwegs: nicht nur Seh-Leute, sondern auch Kauf-Leute“, so Raab. „Der Projektentwickler, die Quantum GmbH, hat hier ein sehr attraktives Quartier geschaffen: mit einem breiten Gastronomieangebot, interessanten Einzelhandelsgeschäften und einem Hotel, die immer für Frequenz sorgen.“

Der Standort ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor – doch die gerade für den Einzelhandel so wichtige Frequenz lässt sich auch mit weiteren Maßnahmen ankurbeln. Etwa mit Lesungen oder individuellen Beratungsgesprächen, die Menschen in die Geschäfte zu holen. Oder so wie Jessica Hardtmann, die ihre Nachbarschaft mit Weinproben, Tastings und anderen kleineren Events motivieren will, in ihr Ottenser Geschäft zu kommen.

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