
Die Assistenzsysteme moderner Autos kommen kleinen Wundern gleich. Sie helfen uns dabei, ein Fahrzeug sicher zu führen. Zum Beispiel geben sie Laut, sobald wir die vorgegebene Geschwindigkeit überschreiten. Oder wenn wir unbeabsichtigt von der Fahrspur abweichen. Sie erkennen tote Winkel, lösen in kritischen Momenten eine Notbremsung aus oder manövrieren uns in kleinste Parklücken hinein.
Die Mitarbeitenden des Innovations- und Patent-Centrums (IPC) der Handelskammer unterstützen bei Fragen rund um gewerbliche Schutzrechte und das Patentmanagement. Basierend auf patentstatistischen Analysen ermittelt das IPC zudem die aktuellen Techniktrends für das monatliche IPC-Technologiebarometer und kürt regelmäßig ein herausragendes Patent zum „Hamburger Patent des Monats“. Kontakt: 040 36138-376, ipc@hk24.de
In der Fachsprache nennen sich Technologien dieser Art „ADAS“, was für „Advanced Driver Assistance Systems“ steht. Sie arbeiten mit Sensoren und Kameras, mit Radar und Bordcomputern, um die Umgebung eines Fahrzeugs kontinuierlich zu überwachen, zu analysieren, dem Auto eine Art „räumliches Sehen“ zu verleihen. Bei Bedarf geben sie Echtzeit-Feedback oder Impulse für eine automatisierte Aktion.
Für autonomes Fahren jedoch, das zunehmend in den Fokus rückt, braucht es mehr. Kameras und herkömmliches Radar allein reichen hier nicht aus. Vielmehr werden auch LiDAR-Sensoren (LiDAR = „Light Detection and Ranging“) eingesetzt, eine hochsensible Technologie, die Entfernungen exakt messen und detailgetreue 3D-Karten der Umgebung erstellen kann. „Das funktioniert mithilfe von ausgesendeten Lichtimpulsen, die von Objekten, auf die sie während ihres Fluges treffen, reflektiert werden, bevor sie zum Sensor zurückkehren“, sagt Simon Viets. „Indem wir messen, wie lange die Photonen unterwegs waren, lassen sich genaue Entfernungen berechnen.“
Simon Viets ist CEO der Scramblux GmbH, die er im Jahr 2023 gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Dr. Mirvais Yousefi gegründet hat. Sie beide sind Experten auf dem Gebiet der LiDAR-Technologie und wissen, dass das Entwickeln derartiger Sensoren teuer und vor allem aufwendig ist. „Allein für das Testen und Kalibrieren braucht es viel Platz“, so Viets. „Es findet in Tunneln statt, die bis zu 100 Meter lang sind.“
Einer Studie zufolge haben nicht einmal zehn Prozent der kleinen und mittleren Betriebe in der EU IP-Rechte eingetragen.
Jochen Halfmann
Mit einer Scramblux-Erfindung, die Simon Viets und Mirvais Yousefi im vergangenen Jahr unter der Nummer DE102023110329 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet haben, soll sich das ändern. Der „BeamScrambler“, wie das kompakte Gerät heißt, schickt die Lichtimpulse nicht geradeaus auf die Reise, sondern lässt sie auf einer Fläche von etwa einem Quadratmeter im Zickzack fliegen. Das macht lange Tunnelanlagen überflüssig. Hersteller von LiDAR-Sensoren würden mit dem Einsatz des „BeamScramblers“ also Geld sparen. Zudem ließen sich die Taktzeiten für das Testen und Kalibrieren der Sensoren erhöhen, was sich wiederum positiv auf die Produktionskosten auswirken dürfte.
Eine kosteneffiziente Massenfertigung könnte auf diese Weise in greifbare Nähe rücken. Bislang, berichtet Viets, werden die kostspieligen LiDAR-Sensoren nur vereinzelt in Kraftfahrzeugen verbaut. In der S-Klasse von Mercedes beispielsweise, die inzwischen für teilautonomes Fahren zugelassen ist. Oder in Taxen, Bussen und Lkw, die sich künftig möglichst vollautonom, also ohne Person am Lenkrad, fortbewegen sollen. „Viele Bus- und Lkw-Fahrer gehen demnächst in Rente, und Nachwuchs gibt es kaum“, begründet Viets diese Entwicklung.
Für den 46-jährigen Niedersachsen, der nach der Schule zunächst eine Tischlerlehre machte, bevor er in Bremen Microsystems Engineering studierte und sich auf optische Messtechnik spezialisierte, stand es außer Frage, den „BeamScrambler“ zum Patent anzumelden. „Die Erfindung ist weltweit einzigartig“, sagt er. „Darum war es uns wichtig, uns richtig abzusichern. Auf diese Weise schützen wir uns nicht nur vor Nachahmern, sondern zugleich auch vor finanziellen Verlusten.“ Um sich global abzusichern und nicht nur in Deutschland, hat Scramblux inzwischen auch ein internationales Patent beantragt.
Jochen Halfmann vom Innovations- und Patent-Centrum der Handelskammer (IPC), das vor allem KMU und Start-ups bei Fragen rund um gewerbliche Schutzrechte („Intellectual Property“, IP) unterstützt, begrüßt dieses Vorgehen. Generell gelte das Prinzip der Nachahmungsfreiheit, sagt er. Daher seien Patente erforderlich. Sie gewährten ein zumindest zeitlich begrenztes Monopolrecht, das vor Plagiaten schütze. „Einer Studie zufolge haben leider nicht einmal zehn Prozent der kleinen und mittleren Betriebe in der EU IP-Rechte eingetragen – bei größeren Unternehmen liegt der Anteil bei immerhin fast 60 Prozent.“

Bevor Simon Viets sein Start-up gegründet hat, sammelte er Erfahrung in anderen Firmen. Für TRIOPTICS in Wedel etwa entwickelte er Messsysteme für Handys. Im US-amerikanischen Boston war er bei einem Unternehmen für den Vertrieb von Fertigungsanlagen für Automotive Kameras zuständig. Danach ging er zur ficonTEC Service GmbH, für die er noch heute tätig ist. Der Betrieb in Achim in der Nähe von Bremen ist einer der führenden Hersteller von Produktionsmaschinen in der Photonik-Industrie.
Bislang richtet sich Scramblux mit seinem „BeamScrambler“ an die Hersteller von LiDAR-Sensoren. „Wir haben aber noch viel mehr vor“, berichtet Viets. „Als Nächstes wollen wir Automobilherstellern Teststände am Ende ihrer Produktionsstraßen ermöglichen. Im dritten Schritt sollen auch Werkstätten dazu befähigt werden, LiDAR-Sensoren zu testen, zum Beispiel wenn ein Austausch oder eine Neukalibration notwendig ist.“ Auch sollen Werkstätten künftig befähigt werden, ein LiDAR im Rahmen der Hauptuntersuchung testen zu können. „Noch gibt es so etwas nicht, weil bislang zu wenig Autos über derartige Systeme verfügen und eine Regulation fehlt.“
Gestartet ist Scramblux mit Unterstützung des Institutes für Produktentwicklung und Gerätebau (IPeG) der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Aktuell verhandelt das Start-up auf internationaler Ebene mit renommierten Robotaxi-Unternehmen und Automobilzulieferern. Zudem sucht es zusätzliche Investoren, um etwa weitere Erfindungen auf den Weg bringen zu können. Ein zweites Patent hat Scramblux inzwischen eingereicht: ein System, das LiDAR-Sensoren in Autos dreidimensionale Welten präsentiert und ihnen unterschiedlichste Szenen vorspielt, um sie möglichst realitätsnah zu testen.
