Rund 450 000 Väter haben in Deutschland im Jahr 2022 ihren Arbeitgeber gewechselt, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können – und rund 94 Prozent aller Beschäftigten mit kleinen Kindern betrachten familienfreundliche Arbeitsverhältnisse als wichtig, ermittelte der aktuelle Unternehmensmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Schon diese Zahlen zeigen, welch entscheidender strategischer Faktor Familienfreundlichkeit in den heutigen Zeiten des Fachkräftemangels für Unternehmen ist. „Nur rund 19 Prozent der Personalverantwortlichen in Unternehmen mit einer ausgeprägt familienfreundlichen Unternehmenskultur schätzen die Fluktuation als zu hoch ein“, heißt es in der Studie weiter – bei Unternehmen, die sich hier weniger engagieren, sind es 30,4 Prozent.
Inzwischen betrachten bereits rund 86 Prozent der bundesweit befragten Unternehmen Familienfreundlichkeit als wichtig – ein Plus von acht Prozentpunkten im Vergleich zu 2015. Und zahlreiche Hamburger Betriebe haben bereits entsprechende Maßnahmen umgesetzt. So verfügt etwa das UKE über eine eigene, vom Studierendenwerk betriebene und von 5:30 bis 20 Uhr geöffnete Kindertagesstätte für bis zu 160 Kinder und bietet eine kostenlose Ferienbetreuung für Kinder von Mitarbeitenden an.
Mehr Motivation und Zufriedenheit
Auch Beiersdorf besitzt mit „Troplo Kids“ einen eigenen Betriebskindergarten. Hinzu kommen Möglichkeiten zum Jobsharing, flexible Arbeitszeitmodelle und Eltern-Kind-Büros – ebenso wie zum Beispiel beim Elektronen-Synchroton DESY, dessen Eltern-Kind-Raum als Schwangeren-Ruheraum, Still-Zimmer und Eltern-Kind-Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Mit solchen Angeboten, insbesondere der Kinderbetreuung, „steigt die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter, und ihre Fehlzeiten sinken“, erklärt die Fachkräftestrategie der Handelskammer vom November 2022. „Eltern erhalten flexiblere Wiedereinstiegsmöglichkeiten, die Bindung an ihr Unternehmen erhöht sich, und nicht zuletzt wird das Ansehen des Arbeitsgebers dadurch gesteigert.“ Das Papier empfiehlt Betrieben zum Beispiel auch die Buchung fester Kontingente bei Kitas mittels Kooperationen.
Eine Übersicht über die Projekte der „Hamburger Allianz für Familien“ finden Sie hier. Zu den Projekten gehört auch das „Hamburger Familiensiegel“, mit dem bereits 340 kleine und mittlere Unternehmen mit mehr als 33 000 Beschäftigten zertifiziert sind. Infos zum „Helga-Stödter-Preis der Handelskammer“ und der Helga Stoedter-Stiftung für Mixed Leadership erhalten Sie hier.
„Untersuchungen bestätigen, dass Mitarbeiter in familienfreundlichen Unternehmen zufriedener sind, sich seltener krankmelden, frühzeitiger aus der Elternzeit zurückkehren und ihrem Unternehmen treu bleiben“, führt auch die „Hamburger Allianz für Familien“ aus. Die Initiative von Senat, Handels- und Handwerkskammer will Hamburg zu einer für Familien attraktiveren Metropole weiterentwickeln und verleiht besonders familienfreundlichen Unternehmen alljährlich das „Hamburger Familiensiegel“.
Ein Zeichen für Frauenpower
Im April dieses Jahres ging es unter anderem an das Unternehmen D.H.W. Schultz & Sohn. Und das mittelständische Unternehmen, das unter anderem im Feuer- und Blitzschutz und der Dachdeckerei tätig ist, wurde am 25. September mit einem weiteren Preis ausgezeichnet: dem renommierten „Helga-Stödter-Preis der Handelskammer Hamburg“, einer gemeinsamen Initiative der Handelskammer und der Helga Stödter-Stiftung. Der Preis ehrt Unternehmen, die sich für „Mixed Leadership“ engagieren, und setzt ein Zeichen für Frauen in Führungspositionen.
Familienfreundlichkeit geht oft Hand in Hand mit Diversität, und dazu gehört auch das Fördern eines ausgewogenen Verhältnisses von Männern und Frauen – in der Belegschaft ebenso wie in Führungspositionen. Dieses Ziel bewegt auch den Preisträger der Kategorie „Große Unternehmen“: die Siemens AG in Hamburg, die seit 2017 von Sonja Neubert als erster Frau geführt wird. Sie sieht den Preis als Ansporn: „Wir brauchen mehr junge Frauen, die sich für technische Berufe und Studiengänge interessieren“, erklärt sie.
Bisher beträgt der Frauenanteil im Haus 22 Prozent (17 Prozent bei den Führungskräften). Doch es wurde bereits ein ganzer Katalog von Maßnahmen umgesetzt – vom Einrichten eines Chief Diversity Office über Strategien für Familienfreundlichkeit bis hin zur regelmäßigen Evaluation. Und aktuell sind alle vier dualen Wirtschaftsingenieur-Studierenden im Haus Frauen.
Notwendige Voraussetzungen schaffen
„Familiäre Aufgaben dürfen kein Karrierehindernis sein“, erklärt die „Hamburger Allianz für Familien“. Und wenn Familienfreundlichkeit und Vielfalt in der Unternehmens- und Führungskultur verankert sind, bestehen auch beste Voraussetzungen, attraktiv für zukünftige Führungskräfte zu sein – schließlich besteht auch in diesem Bereich heute häufig ein Mangel an qualifizierten Interessenten. „Beziehungen und Familie rangieren für viele weit vor dem Lebensziel, beruflich erfolgreich zu sein“, so die Fachkräftestrategie der Handelskammer. Es gilt also, auf allen Ebenen die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um als Unternehmen attraktiv zu bleiben. Familienfreundlichkeit, Diversität, Mixed Leadership: Diese Faktoren tragen gemeinsam zum Erfolg bei – und sichern den Standort Hamburg.