Führung im Tandem

Jobsharing in Führungspositionen wird zunehmend beliebt und bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile. Die HW porträtiert einige dieser Tandems. Zur Artikelserie geht es hier.
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Alexandra Großkurth (li.) und Birgit Ahlers teilen sich eine Führungsposition im Global Partnerships Team von Google.

Von Birgit Reuther, 28. September 2023 (HW 5/2023)

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Stefan Pfeifer, Deutschland-Chef von Unilever

„Die Zeit, in der vier, fünf Menschen die Entscheidungen treffen, ist vorbei“, sagt Stefan Pfeifer. Und Jobsharing sei ideal, um mehr Talente in Führungsrollen zu bringen, ist der Deutschland-Chef von Unilever überzeugt. Tatsächlich gewinnt das Modell des Arbeitens im Tandem zunehmend an Popularität. Schließlich ist es auch ein Mittel, die Herausforderungen, vor denen die Arbeitswelt heute steht, organisatorisch zu bewältigen – insbesondere die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf, aber auch den Fachkräftemangel und die Integration der nachfolgenden Generation.

Gerade in Zeiten, in denen das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben immer wichtiger wird, erscheint das Jobsharing vielen leitenden Mitarbeitenden als attraktive Option. Das gilt insbesondere für die Stadt Hamburg, die für Stefan Pfeifer mittlerweile die Jobsharing-Hauptstadt ist. Ein Großteil der 60 Mitarbeitenden, die bei Unilever deutschlandweit in Tandem-Modellen arbeiten, ist hier angesiedelt.

Seit acht Jahren erfolgreich arbeitet etwa das „Team Kanja“, in dem sich Katja Wagner und Anja Alpert die Position des Head of Brand Communication & Agile Transformation bei Unilever teilen. Kommunikation im Team ist elementar, sind die beiden überzeugt. Und dazu gehört weit mehr, als dass der Mailverkehr immer an beide geht. „Diejenige, die in Charge ist, schreibt der anderen eine Übergabe-Mail, in der sie Prozesse Revue passieren lässt und kommende To-dos festlegt“, erläutert Anja Alpert.

Artikelserie Ausführliche Infos zu den Herausforderungen des Jobsharing-Modells und zu Möglichkeiten, sie erfolgreich zu bewältigen, finden Sie in unserer Serie,  die auch eine Reihe von Führungstandems vorstellt.

Beide sind überzeugt, dass die kontinuierliche Reflexion und Definition von Abläufen und Aufgaben im Jobsharing zu einem fokussierteren und effizienteren Arbeiten führt. Viele Jobsharing-Paare kombinieren auch digitale Notizbücher, Messengerdienste und Telefonate mit Absprachen vor Ort – ein Mix aus Disziplin und Flexibilität. Und das Jobsharing verbessert auch den Wissenstransfer. „Das gemeinsame Sparring bietet viele Vorteile wie jederzeit einen Austausch auf Augenhöhe und verschiedene Blickwinkel zu einem Thema“, betont Silke Schwing, die gemeinsam mit Dörte Paulsen in Vollzeit für die Region Nord-Ost der Haspa verantwortlich ist.

Und auch in der Stadtverwaltung stehen die Zeichen auf Veränderung. Als erstes in der Hamburger Bürgerschaftskanzlei aktives Tandem teilen sich Juliane Peters und Svenja Liebmann seit Mai 2021 die Referatsleitung „Allgemeine Verwaltung“ – ein Konzept, mit dem Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit insbesondere hochqualifizierte Frauen in Führung bringen möchte. Dass sich ein entsprechendes Mindset im Alltag durchsetzt, ist für Peters entscheidend: „Tandems sehen sich häufig in der Erwartungshaltung, dass zwei Menschen auch doppelt so viel leisten.“ Essenziell sei jedoch zu erkennen, dass Jobsharing keine quantitative Maßnahme ist, sondern vor allem qualitative Vorteile bietet.

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Führungs-Tandem in der Handelskammer: Anna Heidenreich (li.) und Michaela Beck bilden das „Team Heideck“.

Diese Vorteile zeigen sich im gesamten Stakeholdermanagement. „Insbesondere unsere externen Partner geben uns sehr gutes Feedback. Unser Eindruck ist, dass sie sich noch mehr wertgeschätzt fühlen, da sie mit zwei Personen und dementsprechend mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten und Kompetenzen arbeiten können“, erzählt Alexandra Großkurth, die im Tandem mit Birgit Ahlers als „Geo for Environment Lead EMEA“ im Global Partnerships-Team von Google arbeitet. Zu Beginn ihrer Jobsharing-Zeit 2018 mussten sie allerdings noch Aufklärungsarbeit leisten: „Grundsätzlich war es damals üblich, individuelle Verantwortungen zu vergeben. Wenn also nur eine Person aus unserem Tandem beauftragt und mandatiert werden sollte, haben wir gegengesteuert“, sagt Ahlers. Eine weitere Aufgabe: Die neuen Arbeitsmodelle müssten sich noch stärker in systemischen Grundlagen wie IT- und Performance-Measurement-Lösungen widerspiegeln.

Dass Jobsharing kein spezifisches Frauenthema, sondern eine Management-Entscheidung und ein gesellschaftliches Anliegen ist, betont Michaela Beck, die mit Anna Heidenreich in der Handelskammer den Bereich „Fachkräfte und Lebenswerte Metropole“ leitet und regelmäßig Tandem-Roundtables veranstaltet (siehe Kasten). Beide stehen mit weiteren Tandems im Austausch, unter anderem mit Birte Palzer und Kibreab Wolde-Mikael, die bei Beiersdorf den Logistikbereich VAS Operations für Deutschland und die Schweiz verantworten. „Bei mir hat es fünf Kinder und eine Pandemie gebraucht, um zu erkennen, dass ich Privatleben und Arbeit mehr in Balance bringen möchte“, erklärt Wolde-Mikael. Wichtig ist für ihn, dass das gemeinsame Selbstverständnis eines Tandems größer ist als die einzelnen Egos. Seine Empfehlung: „Mutig sein! Der Weg entsteht, indem man ihn geht.“

Um die Abläufe im Jobsharing einzuüben, bietet Beiersdorf neuen Tandems an, sich in den ersten 100 Tagen von externen Kooperationspartnern coachen zu lassen. Zum Beispiel von der Firma The Jobsharing Hub. Rund 50 Unternehmen wie Roche, Audi, Deutsche Bahn, Allianz und FlixBus haben Svenja Christen und Yannic Franken mit ihrer Beratungsagentur bereits auf dem Weg in die  Arbeitsteilung begleitet. „Das Angebot von Jobsharing wird zum Wettbewerbsvorteil von Unternehmen“, ist sich Christen sicher. Gerade in der Corona-Zeit habe sich gezeigt, dass Tandems extrem robust und wesentlich resilienter seien. „Mit diesem Modell lässt sich also auch die Stabilität in der Führung erhöhen.“

Tandem-Roundtables Infos zum Jobsharing in Führungspositionen und eine Möglichkeit zum professionellen Austausch bestehender Teams bieten die regelmäßigen Tandem-Roundtables. Organisiert werden sie von Michaela Beck und Anna Heidenreich, die in der Handelskammer als „Team Heideck“ im Jobsharing arbeiten. Das Treffen steht allen Interessierten offen. Der nächste Termin steht noch nicht fest, ist aber vor Jahresende geplant. Weitere informationen erhalten Sie vom „Team Heideck“ per Mail.


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