Hoher Besuch in der Handelskammer. Vor dem Tag der Deutschen Einheit, den Hamburg in diesem Jahr offiziell ausrichten durfte, begrüßten Präses Prof. Norbert Aust und Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne den Bundeskanzler am Adolphsplatz, wo sich Olaf Scholz ins „Goldene Buch“ der Handelskammer eintrug und sich die Bundesregierung mit Kanzlergesprächen und Bürgerdialogen präsentierte.
Weniger förmlich ging es hingegen ein paar Hundert Meter entfernt zu: „Mein Name ist Axel.“ In der Handelskammer muss sich der Leiter der Abteilung „Gründung, Förderung und Finanzmarkt“ niemandem mit Nachnamen vorstellen. Dass Axel Hoops diesen allerdings auf einer Bühne zum Tag der Deutschen Einheit am Gänsemarkt unterschlug, erklärt sich schon aus dem Veranstaltungstitel: „Young Future Lab“.
Jugend, Zukunft, Labor – da siezt man sich gerade dann nicht, wenn der Moderator in weißen Sneakers ein junges Podium begrüßt und zum „Deep Dive“ bittet. Also anschnallen und eintauchen ins Veranstaltungsmotto „Traumjob Zukunft gestalten“, das zur Initiative „Hamburg 2040“ passt, mit der die Handelskammer den Standort in den kommenden Jahren maßgeblich mitgestalten will.
Während die Menschenmassen zum Tag der Deutschen Einheit am Vormittag erst langsam anzuschwellen begannen, eröffnete die Handelskammer das große Diskussionszelt am Gänsemarkt mit einer Gruppe frischer Start-ups aus Hamburg. Zu Hashtags von #digital bis #innovation begrüßten Axel Hoops und Katharina Thomsen, in der Handelskammer Leiterin der Abteilung „Politische Kommunikation“, auf Kisten einer lokalen Cola-Sorte vier junge Geschäftsleute um die 30.
Gemeinsam mit Kathrin Haug, Expertin für Digitalisierung und Transformation sowie Vorsitzende des Handelskammer-Ausschusses für Innovation und Forschung, suchten sie nach Zuversicht in krisenhafter Zeit – und wurden vor einer zügig wachsenden Gästezahl auf weißroten Polsterkuben rasch fündig. Schließlich sollte das Quartett dem Veranstaltungstitel zufolge „mit der Wirtschaft die Welt verändern“. Und wie das gehen könnte, schilderten die vier jungen Geschäftsleute auf unterschiedliche Art.
Jan Henri Kalinowski etwa feiert an der Selbstständigkeit „emotionale Rendite“ freier Entscheidungen, die dem Mitgründer der Start-up-Plattform ChefTreff wichtiger ist als „soziale oder materielle Sicherheit fester Anstellungen“. Viva-con-Agua-Chefin Carolin Stüdemann, geschäftsführende Vorständin einer Non-Profit-Organisation mit Ertragsmodell, verwies auf das „Purpose“ genannte Gefühl globaler Verantwortung, das Zukunftsvisionen im e. V. für weltweit sauberes Trinkwasser „positiv und freudvoll zusammenbringt“.
Überhaupt – Spaß am Fortschritt: „Man wächst als Start-up-Gründer doch ständig über sich hinaus“, erklärte MyTaag-Co-Founder Davis Zöllner, der seine Idee der smarten Visitenkarte über das TV-Format „Die Höhle der Löwen“ zur Millionenbewertung brachte und es dank solcher Wettkampfhärte sogar mit Deutschlands Endgegnerin aufnimmt: der Bürokratie.
Lena Weirauch nahm es entsprechend sogar mit Corona auf. Inmitten der Pandemie führte sie die Wartungssoftware ai-omatic als CEO der GmbH zur Marktreife und schwört darauf, im Wachstumsfeld „Künstliche Intelligenz“ (KI) nicht nur „competitive“, also „wettbewerbsfähig“, sondern auch „positiv“ zu bleiben. Negatives hörte man vom Bühnen-Quartett folglich nur, wenn es sich über das hiesige Bildungssystem äußerte. „Ich hätte in der Schule gern gelernt, mehr an mich zu glauben“, bringt Weirauch auf den Punkt.
Und so wehte die Aufbruchstimmung vom Gänsemarkt an Gastro- und Infoständen vorbei über das gesamte Bürgerfest bis hin zu einer stattlichen Bühne, auf der es genügend Anlass für Pessimismus hätte geben können. Konjunktiv. Denn selbst beim Thema „Ukraine“ herrschte im Einheit-feiernden Hamburg eher Optimismus. Ungeachtet anhaltender Kämpfe und sinkender Spendenbereitschaft blickte der Städtepakt #HamburgKyiv lieber nach vorn.
Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz etwa besuchten viele Menschen den von der HOCHBAHN organisierten Bus, in dem eine Ausstellung über den zwischen der Hansestadt und Kyiv geschlossenen Städtepakt informierte. Über ein Quiz zur Ausstellung, an dem mehr als 360 Personen teilgenommen haben, und ein Glücksrad für Kinder wurden Spenden gesammelt und das Interesse an dieser Initiative geweckt. „Die Nothilfe bleibt wichtig“, sagte Philip Koch, Leiter des Handelskammer-Stabsbereiches „Strategie und Internationale Beziehungen“, auf dem international dekorierten Gerhart-Hauptmann-Platz im Rahmen eines Panels zum Städtepakt, „jetzt geht es aber auch um tiefergehende Kooperationen.“
Als Beispiele nannte Markus Heilig von der Senatskanzlei die fruchtbare Zusammenarbeit von Wasserwerken und Verkehrsbehörden der Städte Hamburg und Kyiv. „Fruchtbar für alle Beteiligten“, beteuerte Koch. Denn durch Wiederauf- und Strukturausbau „merken wir erst richtig, wie wichtig die Ukraine schon vor dem Krieg für Hamburg und Deutschland wirtschaftlich war“. Neben Philip Koch und Markus Heilig nahmen an dem Panel Tatjana Kiel, CEO #WeAreAllUkrainians gGmbH, und Claudia Meister, Geschäftsführerin Hanseatic Help e. V., teil. Am Tag, bevor sich die politische Republik fast komplett in der Elbphilharmonie versammelt, war dies trotz aller Kriege und Krisen der Sound einer Einheitsfeier im Dienst der Zuversicht.
33 Jahre nach der Wiedervereinigung wurde der deutsche Nationalfeiertag unter dem Motto „Horizonte öffnen“ in Hamburg begangen. Zwischen Elbphilharmonie, Rathaus und Michel verband ihn die Hansestadt mit einem zweitägigen „Bürgerfest“, an dem auch die Handelskammer Anteil hatte – vom Dialogforum der Bundesregierung im Großen Börsensaal über Veranstaltungen auf Gänsemarkt und Gerhart-Hauptmann-Platz bis hin zu einem Lunchkonzert mit Musik von Mozart in der Hauptkirche St. Petri. Darüber hinaus zeigten Konzerte und Lesungen, Vorträge und Debatten, Infos und Entertainment, Kulinarik und Sport die Vielfalt Hamburgs, Deutschlands und der Welt. Während sich auf der Mönckebergstraße die Bundesländer präsentierten, standen auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz Zelte verschiedener Nationen. Und während sich die digitale Zukunft auf dem Jungfernstieg zeigte, stand der Rathausmarkt ganz im Zeichen der Politik.