Auf der Jagd nach Nachwuchs

Es mangelt an Azubis, gleichzeitig aber auch an Ausbildungsplätzen: Beides zusammen verschärft das Problem des zunehmenden Fachkräftemangels. Unternehmen sollten Ausbildung zur Chefsache machen – und ihre Kommunikation neu ausrichten.
Aurubis AG/Thomas Panzau
90 Werkbänke, 1400 Quadratmeter Fläche: das 2019 eröffnete Hamburger Ausbildungszentrum von Aurubis

Von Torsten Meise, 4. Februar 2022 (HW 1/2022)

Viele Hamburger Betriebe klagen über zu wenige Auszubildende, gleichzeitig bieten etliche derzeit keine Lehrstellen mehr an – unter anderem, weil die Corona-Pandemie für allgemeine Verunsicherung und ungewisse Zukunftsaussichten sorgt. Doch es gibt auch Ausnahmen. „Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bei uns ist auf einem guten Niveau – sie fällt in diesem Jahr sogar etwas höher aus als im vergangenen Jahr. Es freut uns sehr, dass bereits ein Drittel unserer insgesamt 62 geplanten Ausbildungsstellen in diesem Jahr vergeben sind“, beschreibt Nils Gerstenkorn, Ausbildungsleiter am Hamburger Standort der Aurubis AG, die Situation des Unternehmens. Wie erklärt sich das? Und was macht Aurubis anders?

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Aurubis AG
Nils Gerstenkorn ist seit Mai 2016 Ausbildungsleiter bei Aurubis in Hamburg.

Nur wenige Bewerbungen

Das „Ringen um Talente“ ist schon heute auch ein Konkurrenzkampf um die Fachkräfte von morgen. Denn Interessenten für eine berufliche Ausbildung gibt es immer weniger. Das hat unterschiedliche Gründe. Einer davon ist die demografische Situation: Es gibt schlicht immer weniger junge Menschen, die die Schulen verlassen. Und von diesen wiederum entscheiden sich danach immer weniger für eine Ausbildung – viele bevorzugen eine akademische Weiterbildung, ein duales Studium, wie es zum Beispiel die HSBA Hamburg School of Business Administration anbietet, oder eine studienintegrierte Ausbildung, für die seit 2020 die Berufliche Hochschule Hamburg (BHH) steht.

Ausbildungsmarketing ist wichtiger denn je. Wir setzen verstärkt auf soziale Medien.

Nils Gerstenkorn

Immer wieder klagen Unternehmen zudem über mangelnde Qualifikationen der Interessenten, besonders in den „MINT“-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Dabei ist ­gerade in den technisch-industriellen Berufen der Fachkräftemangel zum Teil bereits deutlich zu spüren. Mehr Auszubildende wären hier höchst willkommen. Erstaunlicherweise ist es insbesondere die zukunftssichere und langfristig attraktive IT-Branche, in der die Klage über mangelnden Nachwuchs nicht verstummt. Unternehmen wie Google sind davon weniger betroffen, in den meisten mittelständischen Betrieben der IT-Branche ist die Talentsuche jedoch ein großes Thema.

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Roland Magunia
Im August 2021 begrüßte die Beruf-liche Hochschule Hamburg (BHH) die ersten Studierenden.

Großer Beratungsbedarf

Der Blick auf die Zukunft bereitet auch deshalb Sorge, weil die Ausbildungsplätze in Hamburg knapper werden. Nach Berechnungen der Handelskammer ist in den vergangenen zwei Jahren jeder siebte davon verloren gegangen. Wurden in der Hansestadt 2019 noch 13 479 Ausbildungsverträge abgeschlossen, waren es 2021 nur noch 11 559, also fast 2000 Plätze weniger. Eine große Rolle spielte dabei natürlich die Corona-Pandemie. „Ausbildung war nicht immer möglich“, sagt Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne, „und auch die Ausbildungswilligkeit von einigen Auszubildenden war nicht da.“ Im Sommer 2022 wird bereits der dritte „Corona-Jahrgang“ seine Schullaufbahn abschließen und sich entscheiden müssen, wie es danach weitergeht. Und das scheint vielen betroffenen Jugendlichen Probleme zu bereiten.

Angebote der Handelskammer

Um Auszubildende zu finden, können die Mitgliedsunternehmen der Handelskammer etwa die Online-Lehrstellenbörse der IHKs oder das Azubi-Speeddating nutzen. Der Integrierte Ausbildungsservice INTAS kann zudem das gesamte Bewerbungsmanagement für Unternehmen übernehmen: INTAS findet geeignete Bewerberinnen und Bewerber, führt Qualifikationstests und persönliche Online-Interviews durch.

BHH

Für alle, die sich nicht zwischen einer beruflichen Ausbildung und einem Studium entscheiden möchten, gibt es ist Hamburg eine neue Alternative: die BHH – Berufliche Hochschule Hamburg. Jugendliche können hier eine studienintegrierende Ausbildung absolvieren und in vier Jahren einen Berufs- sowie einen Bachelor-Abschluss erlangen. Für ausgewählte Berufe können auch Ausbildungsbetriebe Bewerbern und Bewerberinnen dieses Modell anbieten.

Betriebe auf Social Media

Neben der Aurubis AG präsentieren sich etliche  weitere Unternehmen für die Azubi-Suche auf sozialen Medien wie Instagram, zum Beispiel Hamburg Süd und Hamburger Sparkasse.

Engagierte Unternehmer wie Budni-Seniorchef Cord Wöhlke spüren bei den potenziellen Azubis eine deutlich veränderte Stimmung. Neben der generellen Verunsicherung durch die Pandemie liegt ein Grund dafür wohl auch in fehlenden Beratungsangeboten. Berufs- und Studienorientierung an den Schulen sind ausgefallen, ebenso die Berufsmessen, viele Schülerpraktika oder Tage der offenen Tür in Betrieben. „Die Berufsorientierung in Hamburg ist normalerweise vorbildlich; es ist schade zu sehen, dass hier durch Corona viele Angebote einfach nicht mehr stattfinden konnten, was sicher dazu beigetragen hat, dass in Hamburg aktuell weniger Ausbildungsplätze vermittelt werden“, sagt Birgit Schweeberg. Bei der Handelskammer ist sie unter anderem verantwortlich für die rund 3500 Prüferinnen und Prüfer, die ehrenamtlich die Qualität der beruflichen Bildung und der Sach- und Fachkundeprüfungen sichern.

Ausbildungsmarketing bei Aurubis

Wenn die klassischen Wege, auf denen Schülerinnen und Schüler zu Unternehmen finden, unterbrochen sind, müssen diese andere Wege gehen. So wie die Aurubis AG, die es auch in Corona-Zeiten schafft, den Kontakt zur Zielgruppe zu halten: mit virtuellen Werksführungen, kurzen Videos zu jedem Ausbildungsberuf, Bewerberberatung sowie niedrigschwelligen Ansprachemöglichkeiten via WhatsApp. Im Hamburger Raum ist Aurubis eines der aktivsten ausbildenden Unternehmen auf der Bilder- und Videoplattform Instagram. Immerhin 700 Menschen haben den Kanal @aurubis_ausbildung_hamburg abonniert, auf dem der Konzern seine Vielfältigkeit und Attraktivität sowie die der Ausbildung beschreibt. „Neben dem Instagram-Kanal sind wir auch auf TikTok aktiv: Zusammen mit dem Creator Tobias Jost alias ,Karriereguru‘ haben wir eine Kampagne gestartet und bisher fünf Videos mit ihm veröffentlicht“, erklärt Ausbildungsleiter Gerstenkorn. Außerdem kooperiere Aurubis mit der Hamburger Stadtteilschule auf der Veddel und der Beruflichen Schule Stahl- und Maschinenbau – und biete 14 Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag die Möglichkeit, über ein Praktikum Einblicke in die Berufsfelder bei Aurubis zu bekommen.

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HandelskammerHamburg/Ulrich Perrey
Birgit Schweeberg, Leiterindes Geschäftsbereichs Mitgliederdialog und Prüfungen in der Handelskammer

Viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass Ausbildung Chefsache und eine langfristige, strategische Aufgabe ist. Dazu gehört auch die Aurubis AG. „Das Ausbildungsmarketing ist wichtiger denn je“, sagt Nils Gerstenkorn. „Wir haben deshalb in 2020 mit vielen Experten aus dem Konzern gemeinsam ein Konzept entwickelt, das verstärkt auf soziale Medien setzt – mit dem Ziel, Inte­ressierte dort anzusprechen, wo sie medial viel unterwegs sind.“

Zum Ausbildungsmarketing, so der Experte, müsse jedoch noch ein weiterer Aspekt hinzutreten, nämlich das Anbieten eines innovativen Lernumfelds. „2019 haben wir am Standort Hamburg beispielsweise unser neues Innovations- und Ausbildungszentrum eröffnet“, so Gerstenkorn.

Mit Werkstatt und modernem Maschinenpark sowie dem engen Coaching durch engagierte Ausbilderinnen und Ausbilder sei hier ein Ausbildungskonzept entstanden, das den veränderten Ansprüchen gerecht wird. „Wir müssen und wollen den Bewerberinnen und Bewerbern einfach ein attraktives Gesamtpaket in einem spannenden Berufsumfeld bieten.“ Eine Strategie, die für Aurubis bisher erfolgreich war. Zur Nachahmung zu empfehlen?

 

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