Beweglich bleiben

Hafenanbindung, Digitalisierung und neue Transportmittel: Mobilitätsfragen wurden auch 2023 leidenschaftlich diskutiert. Die Handelskammer setzte sich unter anderem erfolgreich für eine Reform des Bewohnerparkens ein.
Marcus Krueger/ Hey Hamburg
Verkehrssenator Dr. Anjes Tjarks, HEY/HAMBURG-CEO Dr. Hans Hamer, Kammerpräses Prof. Norbert Aust, Jan Oliver Siebrand (Bereichsleiter „Nachhaltigkeit und Mobilität“ und Kammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne (v. li.)

Von Felix Schoen, 4. Dezember 2023 (HW 6/2023)

Von der „letzten Meile“ bis zur A26 Ost, von transeuropäischen Verkehrsnetzen bis zum ÖPNV: Mobilität betrifft sämtliche Wege, ist der Lebensnerv der Wirtschaft – und das Thema bewegt wie kaum ein anderes. Wie lässt sich die Infrastruktur effizient und klimagerecht umbauen? Wie gleicht man die teils divergierenden Interessen von Wirtschaft und Bevölkerung, Klimaschutz und Beweglichkeit aus? Wie sehen die Transportmittel der Zukunft aus? Solche Fragen bestimmten in Hamburg auch das Jahr 2023.

Bewohnerparken

Die Handelskammer unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen beim Stellen von Anträgen für Ausnahmegenehmigungen und berät zu zahlreichen weiteren Verkehrsthemen. Hierfür wenden Sie sich gern an Anja Zarse, Telefon 36138-311.

Ende 2022 unterzeichneten die Verkehrsministerien von Bund und Stadt eine Absichtserklärung mit dem Ziel, die Hansestadt zur „Metropol-Modellregion Mobilität“ zu entwickeln. Das ambitionierte Projekt sieht bis 2030 unter anderem 10 000 autonom fahrende Autos, fahrerlose S-Bahnen und die Entwicklung eines „neuen digitalisierten urbanen Mobilitätssystems“ vor.

Zudem sollen sich 80 Prozent aller Wege in Hamburg zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurücklegen lassen – und im Idealfall alle im Alltag wichtigen Orte wie Geschäfte, Kultur- und Sporteinrichtungen in einer Viertelstunde fußläufig oder per Rad erreichbar sein. Das Leitbild der „15-Minuten-Stadt“ ist in geplanten neuen Quartieren wie Oberbillwerder oder Grasbrook bereits fest eingeplant. Auch der Ausbau des ÖPNV geht voran. So beschloss die Stadt im Oktober dieses Jahres ein Programm zu Sanierung und Ausbau der S-Bahn, und bereits 2022 wurde der Bau der neuen U5 begonnen – komplett fertiggestellt wird sie laut Hochbahn allerdings erst 2040.

Erfolgreiche Kammerinitiative

Bei der Verkehrsplanung werden die Interessen der Wirtschaft jedoch nicht immer angemessen berücksichtigt. Das gilt etwa für das Bewohnerparken. 62 entsprechende Gebiete hat Hamburg in den vergangenen Jahren ausgewiesen – ein teils existenzbedrohendes Problem für zahlreiche Firmen, die auf Liefer- oder Dienstfahrzeuge vor Ort angewiesen sind, zumal die Erteilung der notwendigen Ausnahmegenehmigungen sehr schleppend und restriktiv erfolgte. Die Handelskammer stellte deshalb im Frühjahr eine Reihe von Forderungen auf – mit Erfolg: Anfang März erklärte Verkehrssenator Dr. Anjes Tjarks, vorerst keine weiteren Bewohnerparkzonen einzurichten .

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Eine Reform des Bewohnerparkens ist für das Jahr 2024 geplant.

Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen startete Hamburg zudem eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Straßenverkehrsordnung. Wie von der Kammer gefordert, soll das Bewohnerparken zum Quartiersparken werden und damit auch Firmen vor Ort offenstehen. Der Bundesrat stimmte am 30. September zu, der Bundestag wird 2024 darüber entscheiden. „Auch das Antragsverfahren wurde entschlackt“, erklärt Anja Zarse, Referentin in der Handelskammer-Abteilung „Verkehr und Hafen“. „Zuvor mussten die Betriebe ausführlich mit Fotos darlegen, wofür sie die Autos benötigten, jetzt reicht ein formaler Antrag. Die Bearbeitungszeiten wurden reduziert und deutlich mehr Anträge bewilligt.“ Allerdings gelte das nur für den Betriebssitz der Unternehmen, nicht aber für etwa Hausmeister- oder ähnliche Dienste. „Die Handelskammer wird sich weiterhin für eine Erweiterung der Regelung einsetzen.“

Und gerade beim Parkraummanagement ließe sich einiges verbessern, so Zarse weiter. „Die Stadt behandelt zum Beispiel Park&Ride-Flächen eher stiefmütterlich und setzt stattdessen auf Bike&Ride. Dabei könnte man mit P&R viel Verkehr einsparen und Verkehrsflüsse besser planen – insbesondere wenn sich die Plätze vorab online buchen ließen.“ Auch die Einrichtung von smarten Lieferzonen, die sich per App für eine bestimmte Uhrzeit reservieren lassen, sollte weiter ausgeweitet werden – Anfang November waren es immerhin 19.

Hafenanbindung verbessern

HEY/HAMBURG

Das Mobilitätsfestival findet 2024 am 12. und 13. Juni in der Handelskammer statt. Aktuelle Neuigkeiten und einen Rückblick auf das Event 2023 finden Sie hier.

Für die Wirtschaft hat der Hafen eine zentrale Bedeutung. Doch die Planungen für den bereits seit 2008 von der Wirtschaft geforderten Ausbau der A26 Ost – also der Verbindung zwischen A1 und A7 am südlichen Hafenrand – stocken nach wie vor. Während Umweltverbände und Teile der Grünen neben der Naturzerstörung die hohen Kosten ins Feld führen und alternativ für einen Ausbau der Hafenbahn plädieren, sieht die Handelskammer dringenden Bedarf für die „Hafenquerspange“. „Es ist eine nationale Aufgabe, die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens zu verbessern“, bekräftigte Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne Anfang 2023. „Hamburgs Wirtschaft benötigt eine neue Köhlbrandquerung und die A26-Ost.“ Auch der Weiterbau der Küstenautobahn A20 ist aus Sicht der Wirtschaft dringend erforderlich.

Die 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern der IHK Nord sehen hier grundsätzlich auch den Bund in der Pflicht. Die Bundesregierung sei aufgefordert, „sich deutlich stärker als bisher finanziell am Erhalt und Ausbau der Infrastruktur der deutschen Seehäfen sowie deren see- und landseitigen Zufahrten zu engagieren“, erklärten sie in einem Positionspapier, das kurz vor der 13. „Nationalen Maritimen Konferenz“ im September in Bremen veröffentlicht wurde.

Neue Verkehrsmittel

Mobilität benötigt eine leistungsfähige Infrastruktur. Doch für einen klimagerechten Warentransport müssen auch adäquate Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Welche das sein könnten, zeigte das Mobilitätsfestival HEY/HAMBURG, das im vergangenen Sommer bereits zum dritten Mal in der Handelskammer stattfand. Außer mit vernetzten Fahrzeugen, E-Lkw oder Modellen für Batterie-Kreislaufwirtschaft konnten sich die Gäste hier etwa mit alternativen Antriebstechniken vertraut machen sowie mit dem „FlyBus“-Projekt von LyteAviation, einem „fliegenden Bus“ mit Senkrechtstarter-Technologie.

Artikel zum Thema

Eine Reihe von Artikeln zum Thema „Mobilität“, etwa zu smarten Fahrzeugen, Container-Lastenrädern oder Mikrodepots, finden Sie hier.

Erstmals auf dem Event vertreten war HEY/PIONEER, ein Format, in dem Hamburger Start-ups ihre innovativen Konzepte vorstellen konnten. Die mit 10 000 Euro dotierte Siegerprämie ging an die Firma Nüwiel, deren elektrisch betriebener Radanhänger („eTrailer“) sein Tempo automatisch an das Fahrrad anpasst: ein Beitrag zum sauberen und sicheren Transport schwerer Lasten auf der „letzten Meile“ – und ein Beispiel für die Innovationsfähigkeit, die die Hansestadt auch in Mobilitätsfragen auszeichnet. Der Weg zur Verkehrswende bleibt lang und voller Hürden, doch Hamburg ist insgesamt auf einem guten Weg. Ein detailliertes Standpunktepapier mit Vorschlägen und Forderungen für eine zukunftsgerechte Mobilität wird die Handelskammer im Jahr 2024 vorlegen.

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