
„Bevor ich nach Hamburg gezogen bin, habe ich hier Freunde besucht und bin auf Konzerte gegangen“, erzählt Anna Sennewald. „So hatte ich direkt schon eine Verbindung zur Musik- und Livebranche.“ Die 26-Jährige macht eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau bei der FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH, einer der größten Veranstaltungsfirmen Europas. Vom Landkreis Ravensburg im Süden Deutschlands ist sie ganz bewusst in den Norden gegangen, weil Hamburg für sie ideale Bedingungen bietet.
Hamburg 2040 „Handel, Innenstadt und Quartiere beleben – Kunst, Kultur und Sport nutzen“: Dieses Ziel gehört zur Handelskammer-Standortstrategie „Hamburg 2040“. Da der Handel seine Alleinstellung als Magnet in den Zentren verliere, ließen sich über Gastronomie, Dienstleistungswirtschaft und Kultur neue Leitnutzungen etablieren. „Hamburg braucht neben dem Leuchtturm Elbphilharmonie auch Ikonen im Bereich der Museen und eine vielfältige Kunst- und Kulturszene“, erklärt das Papier. Ein Masterplan „Hamburg – internationale Metropole der Künste und Kultur“ solle Impulse zur Steigerung der Lebensqualität setzen.
Vor allem die vielen Clubs auf St. Pauli, aber auch eine Konzerthalle wie die Fabrik in Altona sind Orte, die die Stadt für sie als popkulturell interessierten Menschen besonders lebenswert machen. Zugleich sind das Leben an der Elbe und auch die Musikszene überschaubarer als etwa in Berlin. „Hamburg hat die Vielfalt und alle Vorteile einer Metropole, fühlt sich aber nicht so anonym an, sondern eher gemeinschaftlich“, sagt Sennewald. Zu spüren sei diese inspirierende Atmosphäre beispielsweise bei einem Branchentreff wie dem Reeperbahn Festival. „Alle versammeln sich da, man trifft viele tolle Leute.“
Ausschlaggebend für ihren Umzug war letztlich das Ausbildungsprogramm bei FKP Scorpio. Bis zu ihrem Abschluss, der für Januar 2026 geplant ist, durchläuft sie dort verschiedene Stationen – von der Tournee- und Festivalabteilung über das Marketing bis zur örtlichen Durchführung. Beim diesjährigen Hurricane Open Air in Scheeßel etwa hat sie bereits als Assistenz in der Artist Relations gearbeitet – das 1990 in Hamburg gegründete Unternehmen bietet ihr eine spannende Bandbreite an Aufgaben.
Musik als Pull-Faktor
Starke Pull-Faktoren für den Standort sind auch Musikkultur und Nachtleben, erklärt Thore Debor, Geschäftsführer des Clubkombinats Hamburg. „Clubs und Musikspielstätten sind längst Teil der Marke Hamburg. Festivals und Konzerte ziehen jährlich Zehntausende Gäste an, bringen Umsätze in Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel. Gleichzeitig machen sie Hamburg attraktiv für Fachkräfte und Unternehmen“, erläutert Debor, dessen Interessenverband mehr als 180 Clubbetreibende, Veranstaltende sowie Profis aus Booking und Agenturen vertritt.

Eine internationale Strahlkraft, die Wirtschaft, Tourismus und Lebensqualität gleichermaßen stärkt. Denn neben der reinen Unterhaltung beförderten Clubs und Kulturorte das soziale Miteinander und seien wichtige Rückzugsräume vom Alltag. „Sie ermöglichen Erlebnisse, Austausch und Identifikation“, sagt Debor, verweist aber zugleich darauf, dass sich das Ausgehverhalten seit der Pandemie spürbar verändert hat, auch aufgrund gestiegener Kosten. Dennoch dürfe Kultur kein Luxusgut sein, sondern müsse für alle zugänglich bleiben.
Marcus Troeder, stellvertretender Leiter des Handelskammer-Fachbereiches „Fachkräfte und Lebenswerte Metropole“, betont, wie sehr gerade die Musikwirtschaft auf die hohe Lebensqualität in Hamburg einzahlt und eine vielschichtige Teilhabe über Bildungsgrenzen hinweg ermöglicht: „Clubs und Festivals tragen erheblich dazu bei, soziale Verhaltensformen zu erlernen und gemeinsam zu leben.“
Die Handelskammer unterstütze daher auch bei der Moderation von Konflikten – zum Beispiel dabei, praktikable Regelungen bei Lärmbeschwerden zu finden. Damit die Veranstaltenden ihre Energie auf ihr Geschäftsmodell fokussieren können, Begegnungsorte zu schaffen und sich mit Fürsorge um die Gäste zu kümmern. Nur auf dieser Basis konnten Leuchttürme wie Elbjazz und Reeperbahn Festival entstehen, die als Narrativ international funktionieren.
Aktivitäten der Handelskammer Schon im Jahr 1998 startete die Handelskammer ihre Initiative zur unternehmerischen Kulturförderung und war damals mit diesem Engagement Vorreiterin im Kreise der insgesamt 80 deutschen Industrie- und Handelskammern. Mit verschiedenen Angeboten und Produkten setzt sie sich für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Wirtschaft und Kultur ein, von der beide Seiten profitieren. Weitere Infos finden Sie hier.
Kreative Spiele
Die Musikwirtschaft zählt ebenso zu den Teilmärkten der Hamburger Kreativwirtschaft wie zum Beispiel Kunst und Design, Film- und Werbewirtschaft. Und auch die Games-Industrie erschafft in Hamburg ein schöpferisches Umfeld, das zahlreiche Talente in die Metropole zieht. „Hamburg ist einer der größten Hotspots der Spieleindustrie in Europa und verfügt über ein starkes und vielfältiges Ökosystem von Spieleunternehmen, spielbezogenen Dienstleistern und Technologieunternehmen“, erklärt Egbert Rühl, Geschäftsführer der stadteigenen Hamburg Kreativ Gesellschaft. „Qualifizierte Games-Fachleute sind bei den rund 200 Games-Unternehmen in der Stadt sehr gefragt.“
Etwa bei führenden Unternehmen wie InnoGames oder Goodgame Studios. Doch auch der innovative Drive der äußerst aktiven Indie-Entwicklerszene, also unabhängiger kleiner Games-Studios, sei reizvoll für junge Fachkräfte. Attraktiv sind auch die zahlreichen Vernetzungsmöglichkeiten, die die Spielebranche in Hamburg bietet.

Seit mehr als 15 Jahren trägt etwa das Creative Gaming Festival PLAY mit Ausstellungen, Workshops und Studio-Besichtigungen dazu bei, dass sich die Branche austauschen kann und für Interessierte erlebbar wird. Und Community-Events wie die Polaris Convention bringen Hamburg als Games-Hotspot international auf die Agenda: 40 000 Besuchende kommen jedes Jahr im Oktober bei dieser Messe für Gaming, Cosplay und Popkultur zusammen. Unter dem Titel „Gamecity Hamburg“ bietet die Kreativ Gesellschaft zudem zahlreiche Programme, Förderungen und Veranstaltungen zum Thema Spiele an.
Mehr Lebensqualität durch Kultur
Stets geht es in der Kreativbranche auch darum, mit vielen verschiedenen Bausteinen zur Lebensqualität in Hamburg beizutragen. So sei sie insgesamt ganz klar ein Treiber von Vielfältigkeit, erklärt Rühl, auch wenn es nach wie vor Handlungsbedarf gebe: „Gerade migrantische, queere oder sozioökonomisch benachteiligte Gruppen sind noch unterrepräsentiert.“
Dabei setzt er auf die Lösungskompetenz der Branche: „Kreative geben Impulse für Innovation, gestalten flexibel und arbeiten oft kollaborativ.“ Das heute weit verbreitete Konzept von New Work beispielsweise sei aus der Kreativwirtschaft heraus entwickelt worden und stehe exemplarisch für moderne, sinnorientierte Arbeitsweisen, wie sie heute auch in großen Konzernen Anwendung finden.
Wie Rühl kritisch anmerkt, wird die Arbeit von Kreativen allerdings „trotz ihrer Relevanz für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Attraktivität von Standorten noch nicht durchgängig als strukturell bedeutsam anerkannt“. Um dieses große Potenzial noch besser auszuschöpfen und mit Kreativwirtschaft die gegenwärtigen wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen, hat die Kreativ Gesellschaft unter anderem den „Cross Innovation Hub“ ins Leben gerufen.
Das Programm bringt Kreativschaffende gezielt in Innovationsprozesse klassischer Wirtschaftsbranchen ein, um neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Für Rühl eine klare Bereicherung: „Kreative verfügen über das methodische und gestalterische Handwerkszeug, frische Perspektiven jenseits etablierter Strukturen einzubringen.“
Kultur und Politik Der Koalitionsvertrag vom April 2025 betont, wie bedeutsam Kultur und Kreativwirtschaft für Hamburg sind: „Kultur ist von unschätzbarem Wert für unsere Gesellschaft, weil sie Lebensqualität stärkt und Angebote sichert, die helfen, die Grundlagen einer offenen Gesellschaft zu festigen. Die Freiheit einer Gesellschaft bemisst sich am Umgang mit ihren Künsten.“ Ein Ziel von SPD und Grünen sei es, Kulturangebote inklusiver zu gestalten: „Die Künste sollen allen Menschen offenstehen – ganz gleich, wo sie geboren sind, wo sie wohnen, welchen Schulabschluss sie haben oder welche berufliche Tätigkeit sie ausüben.“
